27. Jun 2024
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Gesundheit
Journalist: Armin Fuhrer
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Foto: Pavel Daniyluk/pexels
Obwohl neuartige Technologien wie Künstliche Intelligenz (KI) noch in den Kinderschuhen stecken, zeigen erste Anwendungen bereits vielversprechende Verbesserungen, insbesondere in der Diagnostik und der Auswertung medizinischer Ergebnisse. Dennoch gibt es Bedenken hinsichtlich der regulatorischen Einschränkungen, die von der EU eingeführt wurden. Diese könnten die Weiterentwicklung und den Einsatz der neuen digitalen Möglichkeiten behindern. Zwei Experten auf diesem Gebiet teilen ihre Einsichten und Prognosen.
Martin Peuker, Leiter des Geschäftsbereichs IT an der Berliner Charité
Herr Peuker, wie werden Digitalisierung und KI die Gesundheitsversorgung für Ärzte und Patienten verändern?
Der Einfluss ist schon heute sehr groß und es wird sich noch sehr viel auf diesem Gebiet tun. Für Ärzte wird beispielsweise die Kommunikation und die Zusammenarbeit erheblich einfacher und schneller – zum Wohl der Patienten. Sie können ihre Erkenntnisse teilen, Patienten gezielt an die Fachärzte weiterleiten. Durch den Einsatz von KI wird die Diagnostik präziser, und das wirkt sich auch positiv auf die Vorsorge aus. Das sind nur wenige der vielen neuen Möglichkeiten. Allerdings müssen wir hier noch viel Geld an die Hand nehmen, um die Strukturen zu verbessern, denn ich bin sicher, dass das System heute zusammenbrechen würde, wenn alle Deutschen zu den empfohlenen Vorsorgeuntersuchungen gehen würden.
Ist die Politik auf der Höhe der Zeit?
Offen gestanden sehe ich an dieser Stelle zwei Probleme. Erstens müssen wir dafür sorgen, dass die Abrechnung mit den Krankenkassen bei den digitalen Gesundheitsapps, den Digas, unkompliziert vonstatten geht, denn solche Probleme hemmen unnötigerweise die Entwicklung. Hier sehe ich an erster Stelle die Politik gefragt. Das gilt auch für meinen zweiten, sehr wichtigen Punkt: Wir fangen gerade erst langsam an, zu begreifen, was KI eigentlich alles kann und wie sie uns unterstützen kann. Aber bevor wir das durchschaut haben, hat die EU schon angefangen, die neue Möglichkeiten durch rechtliche Regelungen einzugrenzen. Wir müssen aufpassen, dass wir uns dadurch nicht selbst Chancen nehmen.
Prof. Dr. rer. nat. habil. Heinz Handels, Direktor des Instituts für Medizinische Informatik an der Universität zu Lübeck & Leiter des Forschungsbereichs Künstliche Intelligenz in der medizinischen Bildverarbeitung am DFKI
Herr Professor Handels, welche Rolle kann KI bei der Krebs-Therapie spielen?
Es gibt vielfältige Möglichkeiten für den Einsatz von KI in der Krebstherapie. Das gilt sowohl für die Strahlentherapie wie auch für Operationen von Tumoren.
Kann man kurz erklären, wie das funktioniert?
Bei der Krebstherapie spielen Bilder eine ganz zentrale Rolle. Bei schwierigen Operationen ist sehr wichtig, den Tumor anhand von Bildern auf der Basis von dreidimensionalen CT- oder MRT-Datensätzen genau vom gesunden Gewebe abzugrenzen. Bei dieser in der Praxis zeitintensiven Arbeit schafft KI inzwischen Ergebnisse, die mit denen von Experten vergleichbar gut sind. Ebenso können diese Informationen während der Operation zur Navigation genutzt werden. Das gleiche gilt für die Strahlentherapie, denn es ist wichtig, möglichst nur den Tumor zu bestrahlen und das darum herumliegende Gewebe zu schonen.
Und wie eignet sich KI diese Fähigkeiten an?
Die KI wird mit zahlreichen Bildern von Tumoren trainiert und analysiert sie. Durch dieses Deep-Learning-Verfahren lernt das System immer besser, selbständig Bilder auszuwerten.
Dennoch sind manche Ärzte noch zurückhaltend. Warum?
Wir sind ja, obwohl es bereits erste kommerzielle Anwendungen gibt, insgesamt noch in der Erforschungsphase. Ich bin mir aber sicher, dass sich die Vorbehalte legen, sobald klar wird, dass KI eine wirkliche Unterstützung ist. Eines Tages werden KI-Auswertungen alltäglich sein wie heute Bluttests von Patienten. Aber eins ist auch klar: Den Radiologen wird sie nicht ersetzen.