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28. Mär 2023

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Wirtschaft

Mehr Miteinander im Artenschutz

Journalist: Theo Hoffmann

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Foto: John Erfurt/unsplash, Presse (DJV) Recklinghausen

Im Interesse des Arten- und des Klimaschutzes muss es gelingen, Land- und Forstwirtschaft, Tourismus und Industrie großflächig in Einklang zu bringen. Dr. Volker Böhning, Präsident des Deutschen Jagdverbandes (DJV), im Gespräch.

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Dr. Volker Böhning, Präsident des Deutschen Jagdverbandes (DJV)

Auf dem Bundesjägertag sagten Sie vor Kurzem, dass Klimaschutz nicht gegen Artenschutz ausgespielt werden dürfen. Wie meinen Sie das?
Wir begrüßen grundsätzlich den Ausbau erneuerbarer Energien. Sie reduzieren CO2-Emissionen und fördern die Unabhängigkeit von fossilen Ressourcen. Allerdings müssen etwa bei der Planung großer Solar- oder Windparks Wanderachsen und Zugrouten von Tieren freigehalten werden. Zugunsten der Windkraft wurde erst kürzlich der Mindestabstand von solchen Anlagen zu Brutplätzen seltener Vögel teilweise halbiert. Der besonders sensible Schwarzstorch wurde sogar aus der Prüfliste gestrichen. Das sehen wir sehr kritisch. Weitere Herausforderungen gibt es beim Waldumbau und in der Landwirtschaft.

Auch zwischen Jagd und Landwirtschaft knirscht es zuweilen. Welche Konflikte sind das?
Grundsätzlich sind wir Partner der Landwirte. Nachwachsende Rohstoffe vom Feld mögen gut sein für den Klimaschutz. In puncto Artenvielfalt gibt es Konflikte. Aus Mais wird beispielsweise Biogas produziert. Er wächst inzwischen auf einem Viertel der landwirtschaftlichen Fläche in Deutschland. Das Wildschwein profitiert, seltene Arten wie Feldlerche oder Feldhamster leider nicht. Sie benötigen ungenutzte Ackerfläche, sogenannte Brachen. Doch diese Flächen sind in 15 Jahren von 9.000 auf 3.000 Quadratkilometer geschrumpft. Alternativen sind Wildpflanzen für die Biogasproduktion. Sie ersetzten den Mais und bieten Deckung und Nahrung für seltene Tiere. Zudem schützen sie Boden und Grundwasser.

Wo ist das Problem?
Der neue Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) bietet über Eco-Schemes Lösungen für mehr Artenschutz in der Produktionsfläche. Aber: Im Sinne der Machbarkeit muss es Spielräume geben. Landwirte scheuen bisher Artenschutz, weil er aufwendiger ist und schon bei kleinen Fehlern Strafzahlungen die Folge sind. Doch der Landwirt arbeitet mit Trecker und Pflug auf einem lebenden Acker. Klar, dass da die Feldränder nicht so scharf sind wie der Stempel auf dem Papier des Kontrolleurs. Artenschutz muss politisch entbürokratisiert werden. Wenn das so weit ist, sind wir Jägerinnen und Jäger diejenigen, die Erfolge der Maßnahmen mittels unseres Wildtiermonitorings messen können.

Wie nachhaltig ist die Jagd von heute?
Heute gibt es Wildbewirtschaftungsrichtlinien, die genau festlegen, wie viele Tiere welchen Alters und Geschlechts erlegt werden dürfen. Das ist wichtig, um eine biologisch sinnvolle Sozialstruktur zu erhalten. Per Gesetz sind Jagd- und Schonzeiten festgelegt. Jagd ist zudem ein Werkzeug des Wildtiermanagements: Invasive Arten wie Waschbär und Mink können einen negativen Einfluss auf heimische Tierarten haben. Gezielte Bejagung kann den Einfluss mindern.

Wie weiß ich, ob ich nachhaltig jage?
Jägerinnen und Jäger sind per Gesetz verpflichtet, für einen gesunden und artenreichen Wildbestand zu sorgen. Reviere werden in der Regel über einen Zeitraum von mindestens zehn Jahren verpachtet. Das ist ein Minimum im Sinne der Nachhaltigkeit. Zwischen dem Erkennen einer notwendigen Änderung und der Umsetzung, Kontrolle und Anpassung der Maßnahmen benötigt man Zeit. Zudem führen wir das bundesweit größte Wildtier-Monitoringprogramm durch, das wertvolle Erkenntnisse für 40 Tierarten liefert. Jägerinnen und Jäger erheben die Daten dafür ehrenamtlich auf 40 Prozent der Fläche Deutschlands, Wissenschaftler werten sie aus.

Was muss aus Ihrer Sicht getan werden, um Wildlebensräume besser zu schützen und die genetische Vielfalt der Wildarten zu erhalten?
Wir brauchen in ganz Deutschland eine wildökologische Raumplanung, die sogenannte WÖRP. Wildlebensräume müssen sowohl in Land- und Forstwirtschaft als auch in Erholungsnutzung und Tourismus mitbedacht werden. Mit Satellitenbildern, GPS-Technik und einem großen digitalen Wandel in der Urproduktion ist WÖRP heute möglicher denn je. Zudem müssen wir in Deutschland Lebensräume wieder vernetzen. Seit über zwei Jahrzehnten unterstützen wir entsprechende Forschungen. Das politische Bundesprogramm Wiedervernetzung besteht leider nur auf dem Papier, hier fordern wir mindestens 50 Millionen Euro pro Jahr für Querungshilfen über Verkehrswege. Bereits heute verhindern Barrieren wie Straßen oder Siedlungen, dass Tiere wandern können und entfernte Partner finden. Das hat drastische Folgen, etwa Inzucht beim Rothirsch: Die genetische Vielfalt ist so gering, dass es mancherorts bereits zu Missbildungen wie verkürzten Unterkiefern kommt.

Welche Themen stehen beim Deutschen Jagdverband derzeit noch im Fokus?
Erstes Thema ist die wildökologische Raumplanung, die Grundlage für den wildtierfreundlichen Ausbau erneuerbarer Energien sowie den wildtierfreundlichen Waldumbau ist. Einiges an Anstrengungen abverlangen wird uns sicherlich auch die Afrikanische Schweinepest. Konflikte mit dem Wolf nehmen weiter zu, da er sich rasant ausbreitet. Hier wollen wir wissensbasierte Akzente in der öffentlichen Diskussion setzen.

Dr. Volker Böhning ist seit 2019 Präsident des Deutschen Jagdverbandes (DJV). Seit 2011 war er DJV-Vizepräsident und 2000 bis 2002 Vizepräsident des Landesjagdverbandes Mecklenburg-Vorpommern, der ihn 2002 zum Präsidenten wählte. Dr. Böhning studierte an der Humboldt-Universität Berlin Tierproduktion und Veterinärmedizin.

23. Dez 2025

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Gesellschaft

Warum es so wichtig ist, konsequent nachhaltig zu bauen – Ein Beitrag von Dr. Christine Lemaitre, Geschäftsführender Vorstand DGNB e.V.

Nachhaltiges Bauen bedeutet weit mehr als energieeffiziente Gebäude oder den Einsatz ökologischer Materialien. Es beschreibt einen ganzheitlichen Ansatz, bei dem Gebäude über ihren gesamten Lebenszyklus hinweg betrachtet werden: von der Planung über den Bau und die Nutzung bis hin zu Umbaumaßnahmen oder den Rückbau. Ziel ist es, Umweltbelastungen zu minimieren, Ressourcen zu schonen, Menschen gesunde und lebenswerte Räume zu bieten und gleichzeitig wirtschaftlich sinnvolle Lösungen zu schaffen. Stand heute ist der Bausektor nach wie vor für einen erheblichen Teil der globalen CO2-Emissionen, den Verbrauch natürlicher Ressourcen und den zunehmenden Verlust der Biodiversität verantwortlich. Gleichzeitig verbringen wir den Großteil unseres Lebens in geschlossenen Räumen, die unser Wohlbefinden stärken sollen, ohne dabei die Zukunft unseres Planeten zu gefährden. Zudem leben immer mehr Menschen in der Stadt. Der Bedarf an attraktiven und dazu noch klimaresilient gestalteten Freiräumen wächst. Nachhaltige Architektur bietet einen ganzheitlichen Ansatz, um die Klimakrise zu bekämpfen, soziale Gerechtigkeit zu fördern und langfristige wirtschaftliche Stabilität zu gewährleisten. Wie ein Perspektivwechsel in diese Richtung gelingen kann, zeigen wir noch bis zum 28. Januar 2026 mit der ersten DGNB Ausstellung „What If: A Change of Perspective“ in der Berliner Architekturgalerie Aedes. Die Ausstellung fordert Besucherinnen und Besucher dazu auf, gewohnte Denkmuster zu hinterfragen und die Themenvielfalt des nachhaltigen Bauens neu und unvoreingenommen auf sich wirken zu lassen. >Nachhaltige Architektur bietet einen ganzheitlichen Ansatz, um die Klimakrise zu bekämpfen, soziale Gerechtigkeit zu fördern und langfristige wirtschaftliche Stabilität zu gewährleisten. Anhand gebauter Beispiele wird deutlich, dass viele Lösungen bereits existieren. So erfährt der Besuchende anschaulich, wie Gebäude klima- und ressourcenschonend geplant werden können, indem Materialien im Kreislauf geführt, Energie effizient genutzt oder sogar erzeugt wird und der gesamte Lebenszyklus eines Gebäudes berücksichtigt bleibt. Ebenso thematisiert werden Klimaanpassung und Resilienz: durch kluge Gestaltung, Begrünung und Freiräume können Gebäude und Städte besser mit Hitze, Starkregen oder Trockenperioden umgehen. Ein weiterer Fokus liegt auf dem Menschen. Nachhaltiges Bauen stellt das Wohlbefinden, die Gesundheit und das soziale Miteinander in den Mittelpunkt. Architektur kann Begegnung fördern, Identität stiften und bezahlbaren Wohnraum schaffen, ohne dabei die Umwelt aus dem Blick zu verlieren. Auch der verantwortungsvolle Umgang mit bestehenden Gebäuden spielt eine zentrale Rolle. Sanieren, Umnutzen und Weiterbauen im Bestand werden als Strategien gezeigt, um Flächen zu schützen und Ressourcen zu sparen. Nicht zuletzt wird klar, dass Nachhaltigkeit keine Kostenspirale sein muss. Ganzheitlich geplante Gebäude sind oft wirtschaftlicher, weil sie langfristig Betriebskosten senken, Risiken minimieren und ihren Wert erhalten oder steigern. Nachhaltiges Bauen ist kein abstraktes Expertenthema und schon gar keine Zukunftsvision, sondern eine konkrete Chance. Für lebenswerte Städte, für gesunde Räume und für eine gebaute Umwelt, die den Herausforderungen unserer Zeit gewachsen ist. Als inhaltlich getriebener Non-Profit-Verein begreifen wir das nachhaltige Bauen seit unserer Gründung vor 18 Jahren als gesellschaftliche Aufgabe, nach der wir unser Handeln ausrichten. Mit der Ausstellung laden wir jeden einzelnen ein, genauer hinzusehen, weiterzudenken und selbst Teil des Wandels zu werden. Weitere Informationen gibt es unter www.dgnb.de/aedes