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25. Mai 2022

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Wirtschaft

„Mehr Schatten als Licht“

Journalist: Armin Fuhrer

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Foto: Presse, unsplash

Die Transformation zum Industrial Internet of Things kommt nur langsam voran, erklärt Lynn-Kristin Thorenz, Associate Vice President bei IDC Deutschland.

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Lynn-Kristin Thorenz, Associate Vice President, Research & Consulting bei IDC Deutschland und der Schweiz

Die Pandemie hat der digitalen Transformation einen Schub gegeben. Gilt das auch für das Industrial Internet of Things, kurz IIOT?

Ja, auch mit Blick auf das IIOT kann man von einem solchen Schub sprechen. Aber er ist schwächer ausgefallen als bei der Entwicklung des Remote Work und des Homeoffice.

Woran liegt das?

Als die Pandemie begann, mussten die Unternehmen ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zunächst einmal ermöglichen, ihre Arbeit von zuhause aus zu erledigen. Die Unternehmen haben damals viel Geld in die Hand genommen. Das IIOT blieb da zwangsläufig ein wenig auf der Strecke, weil die Budgets unter Druck gerieten. Dazu kommen andere Unsicherheitsfaktoren wie die gestörten Lieferketten, die explodierenden Energiekosten und der Krieg in der Ukraine.

Und wie sind die Pläne der Unternehmen?

Unsere aktuelle Befragung vom Januar und Februar zeigt Licht, aber leider mehr Schatten. Es gibt eine Reihe sehr starker Vorreiter. Dabei handelt es sich in den allermeisten Fällen um solche Unternehmen, die schon sehr früh, also vor sechs, sieben Jahren und mehr, mit der Transformation angefangen haben, weil sie schon damals erkannt haben, dass mit der Digitalisierung sehr viele Neuerungen in der Produktion, Fertigung, im Design und im Engineering-Prozess auf sie zukommen. In unserer Umfrage lag ihr Anteil aber nur bei etwa zehn Prozent.

Und die anderen Unternehmen?

Es gibt ein Mittelfeld, in dem sich die Unternehmen finden, die durch ein isoliertes Probieren versuchen, den Anschluss zu finden. Aus solchen Versuchen kann sich durchaus etwas Gutes entwickeln. Unsere Studie hat aber ergeben, dass es einen Unterschied zwischen den großen Ambitionen, die viele Unternehmen vor ein oder zwei Jahren hatten, und der Umsetzung gibt, die leider deutlich zurückbleibt. Viele dieser Unternehmen stehen noch ganz am Anfang – das ist besser als nichts, reicht aber nicht aus.

Sorgen machen muss man sich um die Unternehmen, die gar nicht im Hinblick auf das IIOT aktiv sind. Sie drohen, im Konkurrenzkampf zurückzufallen, denn die Software für das IIOT steht weltweit allen Unternehmen zur Verfügung. Sie ist nicht an einen Standort gebunden wie eine Produktionsanlage. Das verändert die Wettbewerbssituation sehr stark. Das haben viele Unternehmen inzwischen auch erkannt, daher rechnen wir damit, dass hierzulande bis 2025 die Ausgaben in diesem Bereich jährlich um elf Prozent steigen werden.

Wie muss ein Unternehmen denn vorgehen, das die Transformation zum IIOT einleiten möchte?

Als erstes muss die Grundlage geschaffen werden: Eine Plattform mit allen Daten. Diese sind das A und O. Ohne Daten geht nichts, denn nur sie bieten die nötige Transparenz, mit deren Hilfe ein Unternehmen dann die notwendigen Stellschrauben drehen kann. Wichtig ist auch die Identifikation der Ziele, die das Unternehmen mit der Transformation verbindet. Und es braucht schlicht auch etwas unternehmerischen Mut.

Wie sieht es mit der Datensicherheit aus? 

Das ist ein wichtiger Punkt, wie wir immer wieder bei unseren Unternehmens-Befragungen feststellen. Hier gibt es Befürchtungen, denen man aber mit einer guten Sicherheitsstrategie entgegenwirken kann. Sie dürfen auf keinen Fall ein Unternehmen an der Einführung des IOT hindern.

1. Okt 2025

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Wirtschaft

Die nächsten 24 Monate entscheiden: Deutschland im Transformationsfenster – Ein Beitrag von Prof. Dr. Henning Wilts

An den Begriff „Kreislaufwirtschaft“ haben die meisten Unternehmen lange Zeit einen gedanklichen Haken gemacht: Die eigenen Abfälle werden fachmännisch entsorgt, man hatte seine Hausaufgaben gemacht. Mit der Zeitenwende als Reaktion auf den russischen Angriffskrieg und seitdem völlig veränderten geopolitischen Rahmenbedingungen hat sich jedoch auch das Verständnis von Kreislaufwirtschaft fundamental verändert: Von „Nice-to-have“ zur Schlüsselherausforderung eines auch mittel- und langfristig wettbewerbsfähigen Wirtschaftsstandorts, der sich schlagartig bewusst wurde, wie abhängig man doch ist von Rohstoffimporten – und der Bereitschaft vieler Länder, den Zugang zu diesen als strategisches Druckmittel zu nutzen. Dementsprechend gewinnen auch zirkuläre Geschäftsmodelle zunehmend an Bedeutung, die von Anfang an mitdenken, wie die Produkte – und damit auch die darin enthaltenen Rohstoffe – am Ende der Nutzungsphase wieder zurückkommen. Immer mehr Unternehmen experimentieren daher mit Pfandsystemen oder Leasingkonzepten – getrieben von der Idee, damit die Resilienz ihrer Rohstoffversorgung zu verbessern. Ein weiterer wichtiger Treiber sind die gesetzlichen Verpflichtungen der Unternehmen, ihre Prozesse klimaneutral aufzustellen – hier ist der Einsatz recycelter Rohstoffe natürlich nicht zum Nulltarif zu haben; auf lange Sicht sind die dafür notwendigen Technologien aber schon deutlich ausgereifter und die Kosten pro eingesparter Tonne CO2 bei entsprechender Skalierung niedriger. Aber obwohl das Thema Kreislaufwirtschaft damit immer stärker auch in den Strategieabteilungen der Unternehmen ankommt, faktisch fehlt es an einer selbsttragenden Innovationsdynamik. Noch immer beträgt das Verhältnis von recycelten Rohstoffen und Gesamtrohstoffbedarf gerade mal 13 Prozent; rechnerisch sind also 87 Prozent aller Rohstoffe noch immer Primärmaterial. Die dafür von vielen genannten Gründe sind einerseits rational: In wirtschaftlich schwierigen Zeiten fehlt es an finanziellen Ressourcen, um ausreichend in die Transformation zur zirkulären Wertschöpfung zu investieren. Gleichzeitig ist den meisten sehr bewusst, dass Deutschland damit droht, seine eigentliche hervorragende Ausgangsbedingungen in diesem zentralen Zukunftsmarkt zu verspielen. Die Bundesregierung hat vor diesem Hintergrund im Dezember 2024 ihre „Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie“ (NKWS) verabschiedet. Erklärtes Ziel ist es, die Transformation zur Kreislaufwirtschaft zu beschleunigen. Dafür benennt die Strategie ambitionierte Ziele, beispielsweise die faktische Halbierung des Bedarfs an primären Rohstoffen; im Kern aber vor allem über 130 konkrete Maßnahmen. Diese gehen weit über Abfallwirtschaft hinaus, sondern betreffen z. B. die fokussierte Digitalisierung im Recyclingsektor, innovative Finanzierungsmechanismen oder auch Mindestrezyklatquoten, um so einen sicheren Absatzmarkt für hochwertige Sekundärrohstoffe zu schaffen. Aber natürlich ist Papier geduldig und die eigentliche Herausforderung liegt in der jetzt anstehenden Umsetzung. Ein zentraler Schlüssel wird dabei sein, Allianzen zu schaffen – zwischen all den Akteuren, die in einer Kreislaufwirtschaft profitieren wollen von den erhofften positiven Effekten für Klimaschutz, einheimische Beschäftigung, Aufträgen für den Maschinenbau usw. Die in der NKWS angekündigte Plattform muss es daher schaffen, genau solche Allianzen zu bilden und sich nicht in endlosen Debatten über die 100 Prozent perfekte Lösung zu verlieren – denn die internationale Konkurrenz schläft nicht und es ist überhaupt nicht gegeben, dass die erhofften Vorteile tatsächlich am Standort Deutschland realisiert werden. Die nächsten 24 Monate werden daher maßgeblich darüber entscheiden, ob Deutschland am Ende zu den Gewinnern oder den Verlierern der zirkulären Transformation gehören wird.