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7. Sep 2023

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Gesellschaft

Mehr Weiblichkeit in die Wirtschaft

Journalist: Kirsten Schwieger

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Foto: Sapna Richter, LinkedIn Sales Solution/unsplash

Frauennetzwerk-Gründerin Melly Schütze über strukturelle Schieflagen, Fachkräftemangel, Chancengerechtigkeit und warum sie langsam die Geduld verliert.

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Melanie (Melly) Schütze, Gründerin des Female Business Netzwerks nushu

Ist Ihr Ruf nach mehr Weiblichkeit in der Wirtschaft auch die Lösung für den Fachkräftemangel?
Oh ja! Deswegen müssen wir ganz dringend an die Strukturen ran. Vieles hat mit Prägung und Sozialisation zu tun. Die Wirtschaft ist in vielen Bereichen noch extrem männlich dominiert. Es existieren kulturelle Rahmenbedingungen, in denen sich viele Frauen nicht wohlfühlen und nicht ihr komplettes Potenzial entfalten können. Unsere Gesellschaft muss viel mehr aus weiblicher Perspektive denken und Strukturen schaffen, in denen Frauen sich voll entfalten können. Es geht darum weibliche Vorbilder zu zeigen, das Narrativ zu verändern. Beispielsweise Mädchen an MINT heranzuführen, neue Formen der Lehre zuzulassen. Fachkräftemangel betrifft uns alle. Umso wichtiger, dass wir das auch als Gesellschaft anpacken!

Was verbirgt sich hinter der Teilzeitfalle?
Das größte Potenzial auf dem Arbeitsmarkt sind Frauen in Teilzeit, die gerne mehr arbeiten würden. Viele klagen jedoch über Hürden, die es für sie wenig attraktiv oder gar unmöglich macht, (mehr) zu arbeiten. Dazu gehören fehlende Ganztageskitaplätze, aber auch das Ehegattensplitting. In vielen Bereichen ist Vereinbarkeit von Job und Familie immer noch nicht gegeben, das finde ich skandalös. 

Hat die Politik versagt?
Die noch immer völlig unzureichende Infrastruktur bei Kitas und Schulen trägt dazu bei, dass Frauen ihr Erwerbspotenzial nicht ausschöpfen können. Ganz besonders fehlt es an Ganztagesplätzen. Wir haben zwar einen Anspruch auf Kitaplätze, aber es passiert so wenig. Das Ehegattensplitting führt zudem dazu, dass Erwerbsarbeit sich für viele Frauen nicht wirklich lohnt. 

Wie ist die Unternehmensseite gefordert?
Hier ist ein Mentalitätswandel nötig, Teilzeit darf kein Karrierehindernis mehr sein. Zudem ist mehr Flexibilität in Sachen Vereinbarkeit gefragt. Auch die große Gender-Pay-Gap ist nicht nur dem hohen Teilzeitanteil von Frauen geschuldet. Zwar gibt es mittlerweile eine gesetzliche Grundlage für größere Unternehmen. Allerdings werden die Zahlen eher selten abgefragt. Es ist an den Unternehmen, zu evaluieren und analysieren, wo es Ungleichbehandlung gibt. Um dann ins Doing zu kommen mit dem Ziel, wirklich etwas ändern zu wollen.

Finden Frauen zu wenig Gehör?
Wir Frauen müssen lauter werden und noch viel klarer formulieren und auch fordern, was wir brauchen. Beispielsweise die Transparenz von Löhnen und Gehältern und dass wir natürlich für die gleiche Arbeit das gleiche Geld haben wollen. Ich persönlich bin allerdings erstaunt, seit wie vielen Jahren wir all diese Forderungen und Fragestellungen schon haben. Die Probleme sind erkannt und eigentlich sollten wir hierzulande längst in der aktiven Lösungsgestaltung sein, anstatt noch auf der Makroebene zu diskutieren.

Welche Rolle spielen Frauennetzwerke wie nushu?
Eine große: Auf der einen Seite finden wir einen safe space, auf der anderen Seite nochmal die Rückversicherung „Hey, das ist nicht nur bei mir so, sondern das sind strukturelle Themen!“ Daraus erwächst dann ein anderes Selbstbewusstsein. Es gibt da draußen unzählige gut ausgebildete, ambitionierte weibliche Fachkräfte. Viele kämpfen allerdings mit dem „Imposter Syndrom“. Dieses Gefühl, nicht genug zu sein für die jeweilige Position oder Rolle sitzt total tief. Aber wir brauchen Frauen, die sich trauen, diese Wirtschaft nachhaltig zu verändern. Dafür kämpfe ich.

Nur etwa 35 Prozent der Frauen im erwerbstätigen Alter arbeiten in Vollzeit, 66 Prozent der erwerbstätigen Mütter arbeiten Teilzeit. Würden dieses 2,5 Millionen derzeitigen Teilzeit-Mütter ihre Wochenarbeitszeit um jeweils eine Stunde erhöhen, entspräche das rund 70.000 Vollzeit-Stellen.
Quelle: Statistisches Bundesamt + Prognos

9. Jul 2025

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Gesellschaft

Die Herausforderungen des Wohnens heute und morgen – ein Beitrag vin Dr. Christine Lemaitre

Kaum ein Bereich des Lebens ist so individuell und emotional behaftet wie das Wohnen. Die Gestaltung des eigenen Zuhauses spiegelt unsere Persönlichkeit wider, zeigt, worauf wir Wert legen und was wir bereits erlebt haben. Die eigenen vier Wände bieten Sicherheit und sind Orte der Entspannung. Nun rückt das Thema Wohnen in der aktuellen Debatte immer wieder in den Fokus. Es herrscht ein Mangel insbesondere an bezahlbarem Wohnraum und das in allen Schichten der Gesellschaft. Gründe dafür gibt es viele, darunter der Bevölkerungswachstum, Binnenwanderung und gestiegene Baukosten. Lösungsansätze sind vorhanden, die nicht nur angesichts der politischen Klimaziele im Einklang mit Nachhaltigkeit und Klimaschutz umgesetzt werden müssen. Denn die Auswirkungen des Klimawandels sind längst spürbar. Die Baubranche steht als einer der Hauptverursacher klar in der Pflicht, Gebäude und Außenräume wieder für den Menschen zu planen und auf eine langfristige, qualitätsvolle Nutzung auszulegen. Das größte Potenzial, um Ressourcen und CO2 einzusparen, bieten der Erhalt und bei Bedarf die Umnutzung bestehender Gebäude, wodurch auch gleich die baukulturelle Identität des Ortes bewahrt wird. Gerade in Städten, wo der Wohnraum besonders knapp ist, stehen Flächen leer deren ursprünglich vorgesehene Nutzung nicht mehr benötigt wird. Durch Offenheit und Mut kann hier etwas ganz Besonderes entstehen. Nachhaltige Strategien wie Suffizienz und Lowtech bieten sowohl im Neubau als auch im Bestand reizvolles Innovationspotenzial. Mit dem Suffizienz-Gedanken geht die Frage einher, wie viel genug ist. Sie sollte immer wieder gestellt werden, um abzuwägen, was bezüglich Fläche, Material und Gebäudetechnik wirklich gebraucht wird. Wer hier einspart, übernimmt Verantwortung. Das gesparte Geld lässt sich an anderer Stelle beispielsweise zugunsten einer hohen Qualität und guter Gestaltung sinnvoll investieren. Ein weiterer wichtiger Punkt ist Flexibilität, um auf sich ändernde Lebenssituationen reagieren zu können. Diese Ansätze sind wie geschaffen für einen neuen, zukunftsweisenden Trend beim Planen, Bauen und Erhalten von Gebäuden. Hilfestellung zur Umsetzung kann das speziell für kleine Wohngebäude entwickelte Zertifizierungssystem der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen geben. Neben Klimaschutz, Kreislauf- und Zukunftsfähigkeit stehen bei der Planung, beim Bau und bei der Sanierung nachhaltiger Wohngebäude der akustische, thermische und visuelle Komfort, sprich die Wohnqualität und das Wohlbefinden der Nutzenden im Mittelpunkt. Neben dem ganz eigenen, individuellen Rückzugsraum, bestückt mit liebgewonnenen Möbelstücken und Accessoires, entsteht dadurch ein besonderer Wert, nämlich der der körperlichen und geistigen Gesundheit. >Neben Klimaschutz, Kreislauf- und Zukunftsfähigkeit stehen bei der Planung, beim Bau und bei der Sanierung nachhaltiger Wohngebäude der akustische, thermische und visuelle Komfort, sprich die Wohnqualität und das Wohlbefinden der Nutzenden im Mittelpunkt. Als Non-Profit-Verein setzen wir uns bei der DGNB für die nachhaltige Transformation der Bau- und Immobilienwirtschaft ein. Wir klären auf, leisten Hilfestellung und sensibilisieren für ein verantwortungs- und qualitätvolles Bauen und Betreiben von Gebäuden. Das DGNB-Zertifizierungssystem verhilft dabei allen am Bau Beteiligten zu einem gemeinsamen Verständnis darüber, welche Möglich- aber auch Notwendigkeiten das nachhaltige Bauen mit sich bringt, um einen positiven Beitrag für Mensch, Umwelt und Wirtschaftlichkeit zu leisten.