14. Nov 2024
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Wirtschaft
Journalist: Silja Ahlemeyer
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Foto: Presse
Hubertus Paetow, Präsident der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG) und Landwirt, zur Nachwuchs-Situation in der Branche.
Herr Paetow, in einer Prognose erläuterte die Bundesregierung im Dezember 2023, dass sie bei landwirtschaftlichen Fachkräften bis 2027 keine Engpässe erwarte. Profis aus der Praxis schätzen das ganz anders ein. Wie sehen Sie das Thema Fachkräftemangel?
Das steht und fällt ja mit der Definition. Blickt man auf die aktuellen Zahlen bei Ausbildung und Studium für den landwirtschaftlichen Bereich, wird deutlich, dass gerade im Bereich Ausbildung immer weniger Nachwuchskräfte zu Verfügung stehen. Etwas pauschal kann man außerdem sehen, dass es unterschiedliche Anforderungen je nach Region gibt. Im Westen gibt es viele kleinere Familienbetriebe mit Familienarbeitskräften. Hingegen sind die großen Betriebe, die überwiegend in den östlichen Bundesländern wirtschaften, auf gut ausgebildetes Fachpersonal angewiesen.
Was sind die Hauptursachen für den Fachkräftemangel?
Naja, man weiß ja seit Jahren, dass unsere Bevölkerung immer älter wird und die Nachwuchskräfte weniger werden. Der Trend zu einer immer stärkeren Work-Life-Balance ist für Branchen wie die praktische Landwirtschaft natürlich eine zusätzliche Herausforderung. Wir arbeiten mit und in der Natur und mit Tieren. Im Ackerbau gibt meist das Wetter die Aufgaben vor und das hält sich nicht an Wochenenden oder Feiertage. In der Landwirtschaft reicht der monetäre Reiz für den Beruf nicht, da spielt die Leidenschaft immer auch eine Rolle. Und das ist sehr schwer zu vermitteln, vor allem an junge Menschen, die damit bisher keine Berührungspunkte hatten. Und: Die Tätigkeiten, die in unserem Beruf gebraucht werden, haben sich in den letzten Jahren sehr stark verändert. Zur fachlichen Praxis ist auch technisches Know-how immer mehr gefragt.
Der Trend zu einer immer stärkeren Work-Life-Balance ist für Branchen wie die praktische Landwirtschaft natürlich eine zusätzliche Herausforderung. Wir arbeiten mit und in der Natur und mit Tieren.
Hat die Situation heute bereits Auswirkungen auf die Versorgungssicherheit in Deutschland?
Ad hoc nicht. Allerdings ist es absehbar, dass sehr arbeitsintensive Produktionsverfahren zurückgedrängt werden. Zum Beispiel im Obst- und Gemüseanbau. Diese Produktionszweige wandern immer mehr in Länder ab, in denen die Arbeitskraft günstiger ist und die Menschen zu körperlicher Arbeit noch mehr bereit sind. Damit schaffen wir uns in eine Abhängigkeit dieser Produkte.
Wie können die Arbeitsbedingungen auf den Höfen verbessert werden?
In vielen Bereichen ist es dank des technischen Fortschritts bereits möglich, handarbeitsintensive Tätigkeiten durch Maschinen zu ersetzen oder zu vereinfachen. Vor allem junge Menschen lassen sich für Technik und moderne Maschinen begeistern. So ein Schlepper-Sitz ist heute schon genauso komfortabel wie das Sofa. Dank der Technik lässt sich auch vieles, z. B. die Getreidetrocknung, über eine App überwachen und bindet kein Personal an die Beaufsichtigung vor Ort. Wie in anderen Branchen auch ist es wichtig, die Mitarbeitenden regelmäßig zu schulen und weiterzubilden, sie bei betrieblichen Veränderungen mitzunehmen. Und wenn Betriebe personell gut aufgestellt sind, dann kann man auch über Schichtmodelle nachdenken.
Wie in anderen Branchen auch ist es wichtig, die Mitarbeitenden regelmäßig zu schulen und weiterzubilden, sie bei betrieblichen Veränderungen mitzunehmen.
Welche neuen Technologien können Arbeitsprozesse zusätzlich vereinfachen?
Das sind gerade solche, die die Handarbeit im Pflanzenbau und in der Tierhaltung erleichtern. Zum Beispiel Roboter bei der vollautomatischen Spargelernte! Tatsächlich ist es schon heute so, dass Robotik den Menschen auf dem Feld in vielen Fällen ersetzt. Das sehen wir bei der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft übrigens sehr positiv.
Gibt es Mentoring-Programme für Landwirte?
Immer schon! Oft zieht ja – gerade in Westdeutschland – ein Lehrling während der Ausbildung zu seinem Landwirt ins Haus. Da lernt er oder sie dann die Unternehmerfamilie von innen kennen. Ein besseres Mentoring gibt es doch nicht! Sowohl der Deutsche Bauernverband als auch die DLG bieten nicht nur regelmäßig Fortbildungs-Seminare an, zum Beispiel zum Thema Betriebsleitung, sondern auch fachliche Mentoringprogramme. Die 10 Nominees des Young Talent Awards der DLG erhalten nicht nur eine Sichtbarkeit und Bühne, sondern bekommen auch einen Mentor zur Seite gestellt, der sich mit ihnen über Zukunft und Interessensschwerpunkte austauscht und dann Kontakte herstellt zu interessanten Persönlichkeiten aus der Branche. So entsteht ein umfangreiches Netzwerk, welches für die berufliche oder betriebliche Weiterentwicklung hervorragend ist.
Nach einem anstrengenden Tag auf den Feldern oder in verschiedenen Gremien entspannt Hubertus Paetow sich beim gemeinsamen Essen mit der ganzen Familie und den Praktikanten, die oft bei ihm auf dem Hof leben. Im Anschluss guckt er mit seinen Kindern gern einen Film. Nicht selten läuft dann etwas von Quentin Terentino.