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21. Mär 2023

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Business

Miteinander statt gegeneinander in der Mobilität

Journalist: Jürg Wittwer

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Foto: Presse

Jürg Wittwer, Generaldirektor Touring Club Schweiz

Es gibt kaum einen Lebensbereich, in dem die Meinungen so stark auseinanderdriften wie in der Mobilität. Die einen wollen Velowege, die anderen Parkplätze. Für die einen ist Rotlicht bloss optional, für andere ein röhrender Motor Mittel der Selbstentfaltung. In der urbanen Mobilität prallen diese Gegensätze aufeinander und entladen sich mit Stinkfinger auf der Strasse und gehässigen Wortgefechten in der Politik. Dabei wird vergessen, dass unsere Gesellschaft ohne Mobilität nicht überlebensfähig ist – zumindest nicht mit dem heutigen Anspruch auf Komfort. Essen, Kleider, Möbel, Medikamente – nichts davon lässt sich ohne Waren- und Personenmobilität produzieren. Es gibt keine «umweltfreundliche» Mobilität. Auch ein Carbon-Rahmen für ein Velo hat einen ökologischen Fussabdruck. Eine voll beheizte Tram, die die ganze Nacht passagierlos ihre 60 Tonnen hin und her bewegt ist ebenfalls nicht «umweltfreundlich». Und ein Elektroauto ist zwar «umweltfreundlicher» als sein Pendant mit Verbrennungsmotor, aber deswegen noch lange nicht «unschädlich».

Alle sind sich einig, dass die Umwelt geschützt werden muss. Ebenso ist unbestritten, dass die Mobilität ein wichtiger Faktor für die fortschreitende Verschmutzung ist. Gerade darum brauchen wir in der Mobilität mehr Pragmatismus und Kooperation, mit anderen Worten: Miteinander statt gegeneinander.

Die verkehrspolitische Debatte ist immer noch von einer althergebrachten Dichotomie der Verkehrsträger geprägt. Der progressive Verfechter des öffentlichen und langsamen Verkehrs im Namen der Ökologie steht dem unbeugsamen Autofahrer gegenüber, der wirtschaftliche Effizienz verteidigt. Diesen Graben gilt es zu überwinden. Das gegenseitige Ausspielen der Verkehrsträger macht weder ökologisch noch ökonomisch Sinn. Die Verkehrspolitik muss sich von Einzelinteressen und politischen Überzeugungen lösen und ein Miteinander aller Verkehrsträger anstreben. Miteinander statt gegeneinander.

Grundlage dieses Miteinanders bildet neben dem politischen Willen auch die rasante technologische Entwicklung im Verkehrssektor. Elektrifizierung und Automatisierung sind die grossen «Enabler» des neuen Miteinanders im Verkehr. Diese Entwicklung macht ein Miteinander zur ökologischen und ökonomischen Notwendigkeit. Es braucht den ÖV – unbestritten. Aber er muss den Widerspruch zwischen hoher Verfügbarkeit und tiefer Belegung besser lösen. Dazu braucht es Konzepte, die die Integration zwischen ÖV und Auto fördern. Miteinander statt gegeneinander. Es braucht das Auto – unbestritten. Die Elektromobilität ebnet den Weg zu ökologischeren Autos. Die Automobilbranche tut gut daran, auf Elektromobilität und eine bessere Integration in die urbane Mobilitätswelt zu setzen. Und es braucht den Velofahrer – unbestritten. Auch er muss aber lernen, «sein» Territorium mit Fussgängern und e-Trottinetts zu teilen. Letztere sind heute das ökologischste motorisierte Verkehrsmittel, fristen aber in der Schweiz ein trauriges Dasein, weil sich niemand für sie einsetzt. Miteinander statt gegeneinander.

Der TCS ist die einzige Organisation, die sich schweizweit für die Mobilität einsetzt, ohne an einen Verkehrsträger gebunden zu sein. Wir wurden von Velofahrern gegründet, haben den Aufstieg des Autos mitgetragen und mitgeprägt und vereinen heute unter unserem Dach auch überzeugte ÖV-Benutzer. Als Generaldirektor gehöre ich dazu. Miteinander statt gegeneinander.

27. Jun 2025

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Wirtschaft

Nachhaltig, transparent und partnerschaftlich – Im Interview mit Barbara Frenkel, Vorstandsmitglied Porsche AG

**Warum bekommt die Beschaffung oft so wenig Aufmerksamkeit – obwohl so viel von ihr abhängt?** Weil Beschaffung meist im Hintergrund läuft – und erst dann in den Blickpunkt rückt, wenn etwas fehlt. Das kennt jeder aus dem Alltag: Fehlt beim Kochen eine Zutat oder beim Möbelaufbau eine Schraube, steht meist alles still. Im industriellen Maßstab kann das bedeuten: keine Teile, kein Auto. Unsere Lieferketten sind heute hochgradig komplex, global und auf Effizienz ausgelegt. Fällt ein einziges Teil aus, sei es durch eine Naturkatastrophe, einen Cyberangriff oder geopolitische Spannungen, kann dies die Produktion gefährden. Deshalb denken wir bei Porsche Beschaffung heute anders: vorausschauender, vernetzter und deutlich resilienter. **Welche Strategie verfolgen Sie, um Lieferketten auch in Krisenzeiten stabil und widerstandsfähig zu halten?** Entscheidend ist die Transparenz in der gesamten Lieferkette – also über unsere direkten Lieferanten hinaus. Uns interessiert: Wer sind die Partner dahinter? Wo haben sie ihre Standorte und welchen Risiken sind sie ausgesetzt? Dabei simulieren wir beispielsweise Wetterereignisse oder Cyberattacken. Wir bewerten globale Rohstoffverfügbarkeiten und identifizieren Single-Source-Situationen. Über allem steht die Frage: Wo könnte ein möglicher Ausfall besonders kritisch für uns sein? **Und welche konkreten Maßnahmen ergreifen Sie, um Risiken zu minimieren?** Hier braucht es ein ganzes Maßnahmenbündel. Als vergleichsweise kleiner Hersteller können wir nicht überall auf eine Zwei-Lieferanten-Strategie setzen. Stattdessen überlegen wir uns etwa, wo wir bei kritischen Materialien gezielt Lagerbestände in Werksnähe aufbauen. Oder wir beauftragen zusätzliche Werkzeugsätze, die bei Bedarf schnell aktiviert werden können. **Wie wählen Sie Lieferanten aus, welche Kriterien sind dabei besonders wichtig?** Die Auswahl unserer Lieferanten ist immer Teamwork. Beschaffung, Entwicklung und Produktion arbeiten eng zusammen. Häufig entwickeln wir die Lösungen gemeinsam mit unseren Lieferanten. Hierbei spielt die technische Bewertung in enger Abstimmung mit unserer Entwicklung eine wichtige Rolle. Die Produktion wiederum achtet sehr stark auf die Logistik. Jeder potenzielle Partner durchläuft ein umfassendes Auditverfahren. Dabei geht es um Qualitäts- und Machbarkeitsaudits. Aber auch um eine umfassende Risikoanalyse. Ein fester Bestandteil bei der Auswahl sind zudem Kriterien bei der Nachhaltigkeit. Also rechtliche, ethische und ökologische Standards. >Viele unserer Fahrzeuge sind stark individualisiert – das erfordert flexible, anpassungsfähige Partner. Viele Mittelständler aus Deutschland bieten genau diese Qualität. **Wie wichtig ist Ihnen die Einbindung mittelständischer Lieferanten in Ihrer Lieferkette?** Viele unserer Fahrzeuge sind stark individualisiert – das erfordert flexible, anpassungsfähige Partner. Viele Mittelständler aus Deutschland bieten genau diese Qualität. Vor allem, wenn sie sich in unmittelbarer Werksnähe befinden. Vorteile sind kurze Wege und schnelle Reaktionszeiten. Als in Deutschland verwurzeltes Unternehmen ist uns zudem daran gelegen, die heimische und europäische Lieferkette zu stärken. **Sie haben die Nachhaltigkeit bereits angesprochen. Nochmals konkret: Wie integrieren Sie diese Kriterien in den Beschaffungsprozess?** Wie gesagt, wir denken hier ganzheitlich und in drei Dimensionen: ökologisch, sozial und ethisch. Im ökologischen Bereich legen wir besonderen Wert auf den CO₂-Fußabdruck in der Lieferkette. Hier entscheiden der Energiemix, die verwendeten Rohstoffe und der Anteil an recyceltem Material. Auch der Wasserverbrauch wird immer wichtiger. Soziale und ethische Aspekte sind ebenfalls von Bedeutung. Wir erwarten, dass internationale Arbeitsstandards eingehalten und faire Löhne gezahlt werden. **Wie haben Sie Einkaufprozesse bzw. das Lieferantenmanagement erfolgreich verbessert?** Rund 80 Prozent der Wertschöpfung entsteht bei uns in der Lieferkette. Entsprechend hoch ist die Bedeutung eines effizienten und partnerschaftlich ausgerichteten Lieferantenmanagements. Deshalb setzen wir bewusst früh an: Bereits in der Entwicklungsphase binden wir Lieferanten eng in unsere Prozesse ein. Gemeinsam können wir Kosten optimieren, die Umsetzung garantieren und verlässliche Qualität reproduzieren. Über diesen engen Austausch entstehen belastbare Partnerschaften – von Anfang an. **Wie reagieren Sie auf regionale Marktanforderungen?** Angesichts fragmentierter Märkte gewinnt die regionale Verankerung an Bedeu-tung. In China arbeiten wir beispielsweise gezielt mit starken lokalen Partnern zusammen. Mit dem Ziel, marktgerechte Lösungen zu entwickeln – etwa beim Infotainment. Auch regulatorische Anforderungen erfordern spezifische Lösungen, das Aufspüren innovativer Technologien und innovativer Partner. Immer mehr handelt es sich dabei auch um Start-ups aus branchenfremden Bereichen, etwa beim autonomen Fahren, der Konnektivität oder Software. >Bereits in der Entwicklungsphase binden wir Lieferanten eng in unsere Prozesse ein. Gemeinsam können wir Kosten optimieren, die Umsetzung garantieren und verlässliche Qualität reproduzieren. ## Infos zur Person Barbara Frenkel: Als Kind wollte sie Astronautin werden. Heute leitet Barbara Frenkel das Vorstandsressort Beschaffung der Porsche AG. Frenkel war die erste Frau im Vorstand des Sportwagenherstellers. Sie blickt auf eine mehr als 20-jährige Managementkarriere bei Porsche zurück. Zuvor war sie bei verschiedenen Automobilzulieferern tätig. Barbara Frenkel (62) scheidet zum 19. August 2025 auf eigenen Wunsch aus dem Porsche-Vorstand aus und übergibt ihre Verantwortung an Joachim Schar-nagl (49), der ihre Nachfolge antritt. Privat genießt sie Ausfahrten mit ihrem Oldtimer, einem 911 G-Modell. Sie ist begeisterte Taucherin und unternimmt gerne Ausflüge mit ihrem Hund in die Natur.