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1. Sep 2023

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Business

Mobilität von Morgen

Journalist: Nadine Wagner

Die voranschreitende Urbanisierung führt zu einem steigenden Mobilitätsbedarf. Gleichzeitig sollen private Pkw im Zuge einer nachhaltigen Verkehrswende zunehmend aus Innenstädten verschwinden.

Der Straßenverkehr gilt als größte Lärmquelle in Deutschland. In vielen Städten führt das hohe Verkehrsaufkommen zudem zu Staus, Platzproblemen und reduzierten Fahrtgeschwindigkeiten. So beträgt die durchschnittliche Geschwindigkeit in deutschen Großstädten in der Regel 30 km/h; in München sind es im Mittel sogar nur 18 km/h. Hinzu kommt, dass viele Autos rund 23 Stunden pro Tag unbenutzt herumstehen. Die Reduktion von privaten Fahrzeugen in städtischen Gebieten steht daher im Fokus vieler Städte und Kommunen, doch die bisherige Verteuerung des Parkraums sowie der ersatzlose Abbau von Pkw-Stellplätzen führt lediglich zu Unmut unter zahlreichen Autofahrenden. Es braucht neue Angebote und unterschiedliche Mobilitätsformen, um die Zukunft des Stadtverkehrs zu gestalten. Hierbei ist es wichtig zu erkennen, dass Elektrifizierung und Abschaffung von Verbrennern allein nicht ausreichen, sondern vielfältige, heterogene Lösungen gefunden werden müssen.

Um die Nachfrageverlagerungen vom Pkw auf alternative Verkehrsmittel aufnehmen zu können, muss mitunter der öffentliche Nahverkehr weiter systematisch ausgebaut werden. Vorreiter in dieser Hinsicht ist Oslo. Die norwegische Hauptstadt plant, dass alle Einwohner künftig vollständig durch den ÖPNV abgefangen werden können. Ferner werden finanzielle Anreize wie Zuschüsse für den Kauf von elektrischen Lastenrädern geschaffen. Eine solche Förderung von alternativen Fortbewegungsmitteln kann dazu führen, dass das Auto öfter in der Garage bleibt.    

Bis zum Jahr 2030 sollen sämtliche Verbrennungsmotoren aus dem Stadtkern verbannt werden.

Die pulsierende Metropole Paris plant eine Zukunft, in der der Verkehrsraum hauptsächlich den Radfahrenden und Fußgängern vorbehalten sein wird. Unter Bürgermeisterin Anne Hidalgo wurde das Radwegenetz bereits um 1.000 Kilometer erweitert. Gleichzeitig erfährt auch das Metronetz einen massiven Ausbau, um in den kommenden Jahren eine bessere Anbindung des Umlands zu gewährleisten. In ähnlicher Weise wie in der Münchner Innenstadt, wo seit Jahresbeginn ein Fahrverbot für alle Dieselfahrzeuge mit Euro 4 und schlechter gilt, hat Paris ambitionierte Ziele: Bis zum Jahr 2030 sollen sämtliche Verbrennungsmotoren aus dem Stadtkern verbannt werden. Diese wegweisenden Maßnahmen verdeutlichen Pariser Engagements für eine umweltfreundliche und lebenswerte Stadt für kommende Generationen.

Barcelona setzt unterdessen auf sogenannte „Superblocks“, die Teil des Konzepts für eine nachhaltige Mobilität sind, an welchem die Stadt seit 2016 arbeitet. Sechs solcher verkehrsberuhigten Zonen wurden bisher geschaffen, drei weitere befinden sich zurzeit in der Umsetzung. Fußgänger und Radfahrer prägen das dortige Stadtbild; es gibt bepflanzte Hochbeete, Blumentöpfe und schattenspendende Bäume. Trotz anfänglicher Skepsis vieler Geschäftsinhaber, verzeichnen diese mittlerweile einen Anstieg ihrer Verkaufszahlen, da viele Menschen entspannt durch die Gassen schlendern und dabei neue Geschäfte für sich entdecken. Insgesamt will Barcelona mehr als 500 solcher Superblocks errichten – und bis zu 60 Prozent der heute von Fahrzeugen genutzten Flächen umwandeln.

In Deutschland liegt der Fokus in der Mobilitätswende aktuell auf der Elektrifizierung der Fahrzeuge. Dieser wichtige Schritt wird jedoch nicht allein die Mobilität 2030 gestalten. Die Vielzahl der Lösungsansätze und Beispiele weltweit zeigt, dass eine nachhaltige urbane Mobilität machbar ist, wenn Innovation, Anpassungsfähigkeit und soziales Miteinander im Fokus stehen.

27. Jun 2025

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Wirtschaft

Nachhaltig, transparent und partnerschaftlich – Im Interview mit Barbara Frenkel, Vorstandsmitglied Porsche AG

**Warum bekommt die Beschaffung oft so wenig Aufmerksamkeit – obwohl so viel von ihr abhängt?** Weil Beschaffung meist im Hintergrund läuft – und erst dann in den Blickpunkt rückt, wenn etwas fehlt. Das kennt jeder aus dem Alltag: Fehlt beim Kochen eine Zutat oder beim Möbelaufbau eine Schraube, steht meist alles still. Im industriellen Maßstab kann das bedeuten: keine Teile, kein Auto. Unsere Lieferketten sind heute hochgradig komplex, global und auf Effizienz ausgelegt. Fällt ein einziges Teil aus, sei es durch eine Naturkatastrophe, einen Cyberangriff oder geopolitische Spannungen, kann dies die Produktion gefährden. Deshalb denken wir bei Porsche Beschaffung heute anders: vorausschauender, vernetzter und deutlich resilienter. **Welche Strategie verfolgen Sie, um Lieferketten auch in Krisenzeiten stabil und widerstandsfähig zu halten?** Entscheidend ist die Transparenz in der gesamten Lieferkette – also über unsere direkten Lieferanten hinaus. Uns interessiert: Wer sind die Partner dahinter? Wo haben sie ihre Standorte und welchen Risiken sind sie ausgesetzt? Dabei simulieren wir beispielsweise Wetterereignisse oder Cyberattacken. Wir bewerten globale Rohstoffverfügbarkeiten und identifizieren Single-Source-Situationen. Über allem steht die Frage: Wo könnte ein möglicher Ausfall besonders kritisch für uns sein? **Und welche konkreten Maßnahmen ergreifen Sie, um Risiken zu minimieren?** Hier braucht es ein ganzes Maßnahmenbündel. Als vergleichsweise kleiner Hersteller können wir nicht überall auf eine Zwei-Lieferanten-Strategie setzen. Stattdessen überlegen wir uns etwa, wo wir bei kritischen Materialien gezielt Lagerbestände in Werksnähe aufbauen. Oder wir beauftragen zusätzliche Werkzeugsätze, die bei Bedarf schnell aktiviert werden können. **Wie wählen Sie Lieferanten aus, welche Kriterien sind dabei besonders wichtig?** Die Auswahl unserer Lieferanten ist immer Teamwork. Beschaffung, Entwicklung und Produktion arbeiten eng zusammen. Häufig entwickeln wir die Lösungen gemeinsam mit unseren Lieferanten. Hierbei spielt die technische Bewertung in enger Abstimmung mit unserer Entwicklung eine wichtige Rolle. Die Produktion wiederum achtet sehr stark auf die Logistik. Jeder potenzielle Partner durchläuft ein umfassendes Auditverfahren. Dabei geht es um Qualitäts- und Machbarkeitsaudits. Aber auch um eine umfassende Risikoanalyse. Ein fester Bestandteil bei der Auswahl sind zudem Kriterien bei der Nachhaltigkeit. Also rechtliche, ethische und ökologische Standards. >Viele unserer Fahrzeuge sind stark individualisiert – das erfordert flexible, anpassungsfähige Partner. Viele Mittelständler aus Deutschland bieten genau diese Qualität. **Wie wichtig ist Ihnen die Einbindung mittelständischer Lieferanten in Ihrer Lieferkette?** Viele unserer Fahrzeuge sind stark individualisiert – das erfordert flexible, anpassungsfähige Partner. Viele Mittelständler aus Deutschland bieten genau diese Qualität. Vor allem, wenn sie sich in unmittelbarer Werksnähe befinden. Vorteile sind kurze Wege und schnelle Reaktionszeiten. Als in Deutschland verwurzeltes Unternehmen ist uns zudem daran gelegen, die heimische und europäische Lieferkette zu stärken. **Sie haben die Nachhaltigkeit bereits angesprochen. Nochmals konkret: Wie integrieren Sie diese Kriterien in den Beschaffungsprozess?** Wie gesagt, wir denken hier ganzheitlich und in drei Dimensionen: ökologisch, sozial und ethisch. Im ökologischen Bereich legen wir besonderen Wert auf den CO₂-Fußabdruck in der Lieferkette. Hier entscheiden der Energiemix, die verwendeten Rohstoffe und der Anteil an recyceltem Material. Auch der Wasserverbrauch wird immer wichtiger. Soziale und ethische Aspekte sind ebenfalls von Bedeutung. Wir erwarten, dass internationale Arbeitsstandards eingehalten und faire Löhne gezahlt werden. **Wie haben Sie Einkaufprozesse bzw. das Lieferantenmanagement erfolgreich verbessert?** Rund 80 Prozent der Wertschöpfung entsteht bei uns in der Lieferkette. Entsprechend hoch ist die Bedeutung eines effizienten und partnerschaftlich ausgerichteten Lieferantenmanagements. Deshalb setzen wir bewusst früh an: Bereits in der Entwicklungsphase binden wir Lieferanten eng in unsere Prozesse ein. Gemeinsam können wir Kosten optimieren, die Umsetzung garantieren und verlässliche Qualität reproduzieren. Über diesen engen Austausch entstehen belastbare Partnerschaften – von Anfang an. **Wie reagieren Sie auf regionale Marktanforderungen?** Angesichts fragmentierter Märkte gewinnt die regionale Verankerung an Bedeu-tung. In China arbeiten wir beispielsweise gezielt mit starken lokalen Partnern zusammen. Mit dem Ziel, marktgerechte Lösungen zu entwickeln – etwa beim Infotainment. Auch regulatorische Anforderungen erfordern spezifische Lösungen, das Aufspüren innovativer Technologien und innovativer Partner. Immer mehr handelt es sich dabei auch um Start-ups aus branchenfremden Bereichen, etwa beim autonomen Fahren, der Konnektivität oder Software. >Bereits in der Entwicklungsphase binden wir Lieferanten eng in unsere Prozesse ein. Gemeinsam können wir Kosten optimieren, die Umsetzung garantieren und verlässliche Qualität reproduzieren. ## Infos zur Person Barbara Frenkel: Als Kind wollte sie Astronautin werden. Heute leitet Barbara Frenkel das Vorstandsressort Beschaffung der Porsche AG. Frenkel war die erste Frau im Vorstand des Sportwagenherstellers. Sie blickt auf eine mehr als 20-jährige Managementkarriere bei Porsche zurück. Zuvor war sie bei verschiedenen Automobilzulieferern tätig. Barbara Frenkel (62) scheidet zum 19. August 2025 auf eigenen Wunsch aus dem Porsche-Vorstand aus und übergibt ihre Verantwortung an Joachim Schar-nagl (49), der ihre Nachfolge antritt. Privat genießt sie Ausfahrten mit ihrem Oldtimer, einem 911 G-Modell. Sie ist begeisterte Taucherin und unternimmt gerne Ausflüge mit ihrem Hund in die Natur.