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25. Mai 2022

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Gesellschaft

Nachhaltig denkende Mitarbeiter führen zu neuen Märkten und Kunden

Journalist: Katja Deutsch

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Foto: Presse

Bernhard Schaffrik, Principal Analyst bei dem unabhängigen Forschungsunternehmen Forrester, spricht über Nachhaltigkeitsziele in der Industrie.

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Bernhard Schaffrik, Principal Analyst bei Forrester

Forrester betreibt Marktforschung und berät Unternehmen in vielen Punkten der Zukunftsfähigkeit. Welchen Stellenwert hat hier Nachhaltigkeit?

Nachhaltigkeit wird für Unternehmen tatsächlich wichtig. Seit Anfang des Jahres drehen sich 50 Prozent der an mich gerichteten Anfragen von Führungskräften aus dem IT-Bereich um Fragen zur Nachhaltigkeit. Im Jahr 2021 war die Nachfrage nur halb so groß. Ich denke, sie wird zukünftig weiter steigen. 

Was sind die wichtigsten messbaren Stellschrauben und Strategien für mehr Nachhaltigkeit?

Um seinen Betrieb CO2-neutral zu gestalten, empfehlen wir in Bezug auf die Energieversorgung einen ganzheitlichen Ansatz, den wir „Forrester Technology Sustainability Framework“ nennen. Wenn man sich weder beim Design eines Gebäudes und des Betriebes Gedanken gemacht hat, noch bei Materialbeschaffung, Produktionsprozessen und Fuhrpark, können einzelne Technologien nur partiell Probleme lösen. Ein weiterer Punkt betrifft die gesamte Wertschöpfungskette: Wird alles einfach weggeworfen oder kann man Dinge auch upcyceln und recyceln?

Das sind sehr viele Bereiche. Können sich Unternehmen das alles leisten?

Sie müssen. Unser Ansatz betrifft den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes, eines Produktionsbetriebes, auch des IT-Betriebes. Damit muss man überlegen, was die besten Technologien und Verfahren sind, und wie man seine Mitarbeiter zu Verbesserungshinweisen bezüglich zu hohen Verschleißes und Energieverschwendung motivieren kann.

Natürlich geht nicht alles auf einmal, allein schon deshalb, weil in den meisten Betrieben die Expertise dazu fehlt. Aber in Afrika Baumpflanzprojekte zu unterstützen, um damit CO2-neutral zu werden, reicht nicht aus!

Warum ist ein Umdenken bei den Mitarbeitern genauso wie beim Einkauf jetzt zwingend erforderlich?

Auf die Mitarbeiter zu setzen führt zu einschneidenden Veränderungen in Arbeitsabläufen, Entscheidungs- und Beschaffungsprozessen. Das marktwirtschaftliche Grundprinzip des immer noch billigeren Einkaufs funktioniert nicht mehr, wenn ich nachhaltig wirtschaften möchte. Dieses Umdenken erfordert eine andere Strategie, führt aber auch zu neuen Märkten und neuen Kunden – die nicht unbedingt das Günstigste kaufen, sondern eben nachhaltige Produkte.

Wie könnte die Industrie ihren enormen Energiebedarf in Zukunft decken?

Kurzfristig, also die kommenden Wochen und Monate, haben wir ein Problem. Wir haben eingefahrene, partnerschaftliche Beziehungen zwischen Energielieferanten und -abnehmern. Mittelfristig, also im Zeitraum von einem bis drei Jahren, kann man überlegen, Teile der benötigten Energie selbst zu erzeugen. Kraftwerke, die direkt bei einem Produktionsbetrieb, Bürogebäude oder Dienstleister stehen, sind Alternativen, die mittelfristig die Energieabhängigkeit bestimmter, weit entfernter Energiequellen reduzieren könnten. Auch Einsparpotentiale müssen erkannt werden. Dabei spielen Innovationen genauso wie planerisches Vorgehen eine wichtige Rolle. 

Immer mehr Unternehmen schließen sich der Science Based Targets-Initiative an. Was bedeutet die Zugehörigkeit zu solch einer Initiative?

Es besteht offenkundig ein Interesse daran, sich selbst Nachhaltigkeitsziele zu setzen, diese zu messen und zu vergleichen. Primär haben sich Unternehmen aus Industrien mit sehr hohem Energiebedarf dieser Initiative angeschlossen. Die Initiative liefert für verschiedene Bereiche wissenschaftsbasierte Möglichkeiten, klimaschädliche Dinge wie Stickoxyde, CO2 oder auch giftige Flüssigkeiten zu reduzieren oder zu vermeiden und (Plastik-)Verpackungen in einen Wiederverwertbarkeitskreislauf zu bringen.

Wie steht es grundsätzlich um das Image von Nachhaltigkeit? Gerade bei „männlichen“ Produkten, z. B. Autos?

Nachhaltigkeit ist kein temporäres Problem, das bedient werden will. Auch die Autohersteller spüren den Druck. Das Problemfeld sehe ich eher beim Konsumenten. Wir machen dazu bei Forrester viele Studien und Erhebungen: Das Nachhaltigkeitsbedürfnis ist eine Funktion von Alter, Geschlecht und vielen weiteren Faktoren, und für Männer sind bei Fahrzeugen nach wie vor andere Attribute wichtig als für Frauen. So lange das so bleibt, ist es relativ schwierig, über nachhaltige Mobilitätskonzepte eine starke Durchdringung in den entsprechenden Märkten zu erreichen. Das ist ein Problem, das die Autohersteller nicht lösen können.

Viele Unternehmen haben sich ambitionierte Nachhaltigkeitsziele gesetzt, doch jetzt kommt der Krieg dazwischen. Inwieweit beeinflusst er deren Realisierung?

Zwei Szenarien sind hier möglich: Durch die Einschränkungen überlegen sich Unternehmen, wie sie am besten improvisieren können und ob alternative Energien infrage kommen. Einige werden hier fündig werden und somit nachhaltiger. Beim zweiten Szenario werden höchstwahrscheinlich Verzögerungen in der Nachhaltigkeitszielerreichung zu sehen sein. Was nicht bedeutet, dass die Nachhaltigkeit für immer aufgegeben wird, sondern dass nach dem ersten Schockmoment mehr Nachhaltigkeit als vorher erreicht wird. Ich glaube nicht, dass sich diese temporären Einflüsse insgesamt auf die Nachhaltigkeitsziele der nächsten fünf Jahre auswirken.

Wo möchten Sie uns in zehn Jahren sehen?

Ich wünsche mir auf der einen Seite Konsumenten, die mit ihrem Nachfrageverhalten das Angebot steuern, indem sie sich bewusst für nachhaltigere Produkte und Dienstleistungen entscheiden. Auf der anderen Seite wünsche ich mir Unternehmen, die ein gesellschaftliches Umdenken fördern, indem sie mehr und mehr nachhaltige Produkte anbieten. Zudem wünsche ich mir insgesamt mehr Konsumverzicht, denn wenn wir weithin so konsumieren wie bisher, wird keine noch so tolle Technologie imstande sein, unseren Planeten auch nur ein klein wenig nachhaltiger zu machen.

31. Mär 2025

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Wirtschaft

Nachhaltiges Bauen als Gemeinschaftsaufgabe verstehen – Dr. Christine Lemaitre, Geschäftsführender Vorstand DGNB e.V.

Wir beschäftigen uns seit 17 Jahren damit, das nachhaltige Bauen in sämtlichen Planungs- und Entscheidungsprozessen zu etablieren. Die Themen, die sich im Laufe der Jahre daraus ergeben haben, sind vielfältig. Einige haben sich bereits verstetigt und sind zum festen Bestandteil einer jeden Planung geworden. Das ist erfreulich und bestärkt unser Tun. Allerdings kommen auch immer neue Themen, mit denen es sich zu beschäftigen gilt, dazu. Das wird von vielen Beteiligten in der Bau- und Immobilienbranche als anstrengend und herausfordernd empfunden und das darf es auch sein. Wir plädieren dafür, die Chancen darin zu sehen, um ins Handeln zu kommen. Gerade in unserer eher trägen Branche tut es doch gut, Impulse wahrzunehmen, Abläufe zu überdenken und offen zu sein für Neues. Die Alternative wäre ein lähmender Stillstand, den wir uns gerade in der heutigen Zeit des allgemeinen Wandels nicht leisten können. Dass ein Umdenken stattfindet, merken wir eigentlich in allen Bereichen unseres Handelns. Der Zulauf in unserem Non-Profit-Verein ist groß, unsere Fort- und Weiterbildungsangebote sind ausgebucht und auch die Projektanmeldungen zur Gebäude- und Quartierszertifizierung haben sich vervielfacht. Nachhaltigkeit ist nicht mehr nur ein imageförderndes Beiwerk, sondern wird aus Überzeugung aber auch aus der Erkenntnis heraus angewandt, dass höher, schneller, weiter keine Option mehr darstellen. Die Transformation der Branche im Sinne einer zukunftsfähig-gebauten Umwelt ist in vollem Gange. Das hat zur Folge, dass sich immer mehr Menschen ernsthaft mit Themen wie Ökobilanzierung, Zirkularität, Suffizienz und Bestandserhalt auseinandersetzen, sprechfähig sind und in einen ernst gemeinten Dialog treten. >Nachhaltigkeit ist nicht mehr nur ein imageförderndes Beiwerk, sondern wird aus Überzeugung aber auch aus der Erkenntnis heraus angewandt, dass höher, schneller, weiter keine Option mehr darstellen. Die Transformation der Branche im Sinne einer zukunftsfähig-gebauten Umwelt ist in vollem Gange. Was bleibt, ist die Tatsache, dass die Prozesse beim Bauen lang sind. Umso wichtiger ist hier der fach- und gewerkeübergreifende Schulterschluss, um endlich schneller zu werden. Es sind bereits viele Lösungsansätze vorhanden und erprobt, die weitergedacht werden können. Wir plädieren stark dafür, das Rad nicht immer neu zu erfinden, sondern auf vorhandenem Wissen und vielleicht noch wichtiger, auf vorhandenen Erfahrungen aufzubauen um den wachsenden Herausforderungen, verursacht durch Klimawandel, Ressourcenknappheit, Biodiversitäts- und Energiekrise gerecht zu werden. Nachhaltigkeit muss von Anfang an und von allen Beteiligten mitgedacht werden. Hier hilft der integrale Planungsansatz bei dem nicht nur der gesamte Lebenszyklus eines Gebäudes von der Planung über den Bau bis hin zu Betrieb und Rückbau betrachtet werden, sondern auch sämtliche Fachplanerinnen und Fachplaner ab Projektstart an einem Tisch sitzen und auf Augenhöhe kommunizieren. Synergien werden dadurch erkannt und effizient sowie ohne Kostensteigerung umgesetzt. Apropos Kosten: Neben neuen Themen und Erkenntnissen treffen wir auch auf immer neue Zielgruppen. Aktuell ist es der Finanzsektor, der in die Verantwortung rückt, Geldströme zur Förderung nachhaltiger Investitionen zu lenken. Und so schließt sich einmal mehr der Kreis, in dem alle Beteiligten eingebunden werden müssen, um die Ziele des Pariser Klimaabkommens zu erreichen und eine lebenswerte Zukunft für alle Menschen auf der Erde zu garantieren.

1. Mär 2025

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Gesellschaft

Nachhaltige Verpackungen: Gesundheit, Umwelt und Innovation–ein Beitrag von Dr. Birgit Geueke, Senior Scientific Officer, Food Packaging Forum

Verpackungen sind aus unserem Alltag kaum wegzudenken – sie schützen Produkte, halten sie frisch und erleichtern den Transport. Doch es gibt auch Schattenseiten: Angesichts wachsender Umweltprobleme durch steigende Emissionen und schwindende Ressourcen wird der Ruf nach nachhaltigen Lösungen lauter. Nachhaltige Verpackungen bedeuten jedoch mehr als nur den Ersatz eines Materials durch ein anderes. Es betrifft auch die Chemikaliensicherheit, den unkritischen Gebrauch von Einwegmaterialien und die Entsorgung. In diesen Bereichen ist rasches und reflektiertes Handeln erforderlich. Es braucht ein neues Bewusstsein, das wir alle mittragen müssen. Nach oft kurzer Nutzung tragen Verpackungen zu den rund 150 kg Hauskehricht bei, die in der Schweiz pro Person und Jahr anfallen. Weit weniger sichtbar ist das Mikroplastik, das aus Kunststoffverpackungen in Mensch und Umwelt gelangen kann. Ebenso besorgniserregend sind die vielen Chemikalien, von denen manche aus der Verpackung in die Lebensmittel übergehen und so in den Körper gelangen. Hormonelle Störungen und ein erhöhtes Krebsrisiko gehören hier zu den möglichen gesundheitlichen Folgen. Weltweite Daten bestätigen, dass wir alle einen Cocktail aus Chemikalien in uns tragen, an dem auch Lebensmittelverpackungen massgeblich beteiligt sind. Daher ist es wichtig, dass bei nachhaltigen Verpackungen die Chemikaliensicherheit berücksichtigt und ausreichend getestet wird. Besonders kritisch ist der Einsatz recycelter Materialien, die nicht vollständig inert sind. Verfahren zum Recycling von Kunststoffen und papierbasierten Materialien sind oft nicht geeignet, chemische Verunreinigungen in ausreichendem Masse zu entfernen und so die Sicherheit zu gewährleisten. In der Schweiz wurde deshalb der direkte Einsatz von Recyclingpapier und -karton im Lebensmittelbereich bereits 2019 stark eingeschränkt. >Kosten sind eine der grössten Hürden, wenn es um nachhaltige und sichere Verpackungen geht. Jedoch darf nicht vergessen werden, dass jede Erkrankung, die durch Chemikalien verursacht wird, zu viel Leid führt – und unsere Gesundheit eines der wertvollsten Güter ist. Der wichtige Zielkonflikt zwischen der Verringerung von Abfall und dem Schutz der menschlichen Gesundheit ist nicht zu übersehen und zeigt, dass es nicht reicht, sich auf einzelne Aspekte eines Problems zu konzentrieren. Innovative Geschäftsmodelle können aber zu neuen Wegen führen. Mehrwegsysteme und Pfandlösungen haben bewiesen, dass Kreislaufwirtschaft funktioniert – vorausgesetzt die Infrastruktur ist vorhanden und die Materialien sind wirklich kreislauffähig und inert. Sobald solche Lösungen einfach und bequem in unseren Alltag integriert werden können, wird sich auch das Konsumverhalten anpassen. Kosten sind eine der grössten Hürden, wenn es um nachhaltige und sichere Verpackungen geht. Jedoch darf nicht vergessen werden, dass jede Erkrankung, die durch Chemikalien verursacht wird, zu viel Leid führt – und unsere Gesundheit eines der wertvollsten Güter ist. Auch eine zerstörte Umwelt lässt sich kaum durch Geld wiederherstellen. Langfristig lohnen sich daher Investitionen in Nachhaltigkeit – für unsere Gesundheit, den Planeten und die kommenden Generationen. Nachhaltige und sichere Verpackungen erfordern gemeinsames Handeln. Ob Detailhändler, Verbraucherinnen, Lebensmittelproduzenten und Politik – wir alle müssen an einem Strang ziehen, um Produkte sicher, ressourcenschonend und gesundheitsfreundlich zu verpacken.