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28. Sep 2023

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Wirtschaft

Nachhaltigkeit aufs Feld gebracht

Journalist: Thomas Soltau

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Foto: Asia Chang/unsplash

Die Biodiversitäts-Photovoltaik bietet eine Möglichkeit, landwirtschaftliche Flächen sowohl für ökologische Aufwertung als auch für die Energieerzeugung und Agrarwirtschaft zu nutzen.

Kartoffeln und Solaranlagen auf einem Feld – ein Bild, an das wir uns zukünftig gewöhnen sollten. Die Biodiversitäts-Photovoltaik oder Agri-Photovoltaik bezieht sich auf die Integration von Solarmodulen auf landwirtschaftlichen Flächen. Dabei werden die Bereiche zwischen den Solarmodulen gezielt für ökologische Zwecke genutzt. Dieser Ansatz ermöglicht es, landwirtschaftliche Flächen nicht nur für die Energieerzeugung, sondern auch für den Naturschutz und die nachhaltige Landwirtschaft zu nutzen. Energie und Ernährung decken damit auf einer Fläche zwei wichtige Grundbedürfnisse. So verschmelzen ökologischem Mehrwert, wirtschaftlich nachhaltiger Landwirtschaft und erneuerbarer Energieerzeugung.

GreenGo Energy sieht großes Wachstumspotenzial für die extensive Agri-PV. Ein neues Whitepaper des dänischen Greentech-Unternehmens identifiziert geeignete Flächenkulissen für eine an Biodiversität ausgerichtete Bauweise von Solarkraftwerken – und wie diese auf die übergeordneten umwelt-, agrar- und energiepolitischen Zielen der Bundesregierung einzahlen kann. Für die landwirtschaftlichen Betriebe kann die Photovoltaik ein entscheidendes Instrument zur Einkommens- und Ertragssicherung gegenüber vergleichbaren Einkommensquellen wie etwa Pachterlösen für die rein landwirtschaftliche Nutzung sein. Die Photovoltaik könne die Ertragslage je nach Betriebsform um 50 bis 70 Prozent im langjährigen Durchschnitt verbessern. So könne die Biodiversitäts-Photovoltaik auch einen signifikanten Beitrag zur Stärkung des ländlichen Raums leisten.

Die Wissenschaft hat das Potenzial der Doppelnutzung längst erkannt: „Agri-PV kann Schutz vor Hagel-, Frost- und Dürreschäden bieten und macht Schutzfolien und andere Materialien überflüssig. Auch kann eine Reduktion der Windlasten und der Sonneneinstrahlung zu einem geringeren Wasserverbrauch in der Landwirtschaft beitragen”, erklärt Max Trommsdorff vom Fraunhofer Institut für Solar Energiesysteme (ISE). Solaranlagen wandeln Sonnenlicht in elektrische Energie um, und dies ohne die Notwendigkeit von zusätzlichem Land, das für die Energiegewinnung genutzt werden müsste. Dieser Umstand trägt zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen bei und unterstützt die Umstellung auf saubere Energiequellen.

Die Schattenwirkung der Solarmodule trägt dazu bei, die Verdunstung von Wasser zu reduzieren sowie die Bodenfruchtbarkeit zu erhöhen.

Biodiversitäts-PV hat aber noch weiterer positive Auswirkungen für landwirtschaftliche Betriebe: Die Schattenwirkung der Solarmodule trägt dazu bei, die Verdunstung von Wasser zu reduzieren sowie die Bodenfruchtbarkeit zu erhöhen. Auch die Erhaltung der Artenvielfalt wird durch neue Lebensräume erhöht. Die Ertragslage verbessert sich je nach Betriebsform der Landwirtschaft im langjährigen Durchschnitt deutlich und reduziert gleichzeitig die Ertragsvolatilität – das ist die Erkenntnis aus dem Whitepaper von GreenGo Energy.

„Im Hitzesommer 2018 konnten wir in einem Pilotprojekt in Baden-Württemberg den Ertrag einer Kartoffelkultur unter einer PV-Anlage um elf Prozent steigern. Durch die Doppelnutzung stieg die Flächennutzungseffizienz sogar auf 186 Prozent. So können wir die Solarenergie sehr platzsparend ausbauen. Das hilft auch, die Klimaziele zu erreichen“, sagt Trommsdorff. Die Technologie ist ein Schlüssel zum nachhaltigen Wandel, die gleichzeitig im Einklang mit der Natur steht.

4. Jul 2025

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Wirtschaft

Chancen für die Zukunft der Versorgung – mit Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Jürgen Debus & Dr. Johannes Danckert

![Dr_Johannes_Danckert_Copyright_Kevin_Kuka_Vivantes_online.jpg](https://cwbucket.fra1.digitaloceanspaces.com/Dr_Johannes_Danckert_Copyright_Kevin_Kuka_Vivantes_online_6e3b6d01f5.jpg) ``` Dr. Johannes Danckert, Vorsitzender der Geschäftsführung, Vivantes – Netzwerk für Gesundheit GmbH ``` **Dr. Johannes Danckert, Vorsitzender der Geschäftsführung, Vivantes – Netzwerk für Gesundheit GmbH** Digitalisierung kann die Patientenversorgung schneller, besser und sicherer machen. Immer öfter werden dabei auch die traditionellen Grenzen zwischen ambulanten und stationären Bereichen sowie einzelnen Versorgungseinrichtungen abgebaut. So kann die ‚Patient Journey‘, also der gesamte Behandlungsweg eines Patienten von Diagnose bis Nachsorge, zu einer vernetzten Gesundheitsregion verbunden werden. Trotz deutlicher digitaler Fortschritte haben deutsche Krankenhäuser allerdings weiterhin erheblichen Entwicklungsbedarf, bedingt vor allem durch kleinteilige Strukturen und unzureichende Finanzierung. Denn die Implementierung innovativer Lösungen setzt bereits einen hohen Digitalisierungsgrad voraus. Bei Vivantes wurden zentrale Prozesse wie die Patientenkurve, Medikation, Pflegeprozesssteuerung sowie Anforderungs- und Befundungsprozesse digitalisiert. Auch große Teile der Medizintechnik sind eingebunden. KI-gestützte Systeme helfen uns, Frakturen und Embolien schneller zu erkennen oder warnen vor Komplikationen wie Delir oder Nierenversagen. Künstliche Intelligenz unterstützt uns auch dabei, Patientendaten direkt aus dem Rettungswagen in das Klinik-Informationssystem (KIS) zu übertragen, sodass die Krankenakte bei Ankunft bereits angelegt ist. Eine von uns entwickelte, interoperable Datenplattform ermöglicht zudem den automatisierten Datenaustausch von inzwischen 15 Klinikträgern in der Region Berlin-Brandenburg. Damit entstehen telemedizinische Versorgungskonzepte weit über Berlin hinaus. ![prof.dr.dr.jurgendebus_online.jpg](https://cwbucket.fra1.digitaloceanspaces.com/prof_dr_dr_jurgendebus_online_d7f732ea04.jpg) ``` Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Jürgen Debus, Vorstandsvorsitzender und Leitender Ärztlicher Direktor des Universitätsklinikums Heidelberg ``` **Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Jürgen Debus, Vorstandsvorsitzender und Leitender Ärztlicher Direktor Universitätsklinikum Heidelberg** Smarte Technologien und eine optimale Datennutzung verbessern den Klinikalltag und die Patientenversorgung. Das zukünftige Herzzentrum am Universitätsklinikum Heidelberg planen wir als Smart Hospital: Dort werden z. B. OPs gefilmt und das KI-System warnt automatisch bei Veränderungen des Patienten oder ungewöhnlichen Vorgängen. So werden Risiken früh erkannt und die Sicherheit erhöht. Dank verknüpfter Patientendaten und digitalem Terminmanagement läuft auch die Vorbereitung auf Eingriffe effizienter, da benötigte Ressourcen wie CT-Termine frühzeitig ersichtlich sind. Ein smartes Entlassmanagement stellt relevante Dokumente für den Patienten automatisch bereit und koordiniert Sozialdienst, Pflege und Medikamentenbedarf, sodass der Übergang in die weitere Versorgung optimal organisiert ist. In all diesen Algorithmen und Systemen steckt das gebündelte Wissen von Ärztinnen und Ärzten, Pflegepersonal und Forschenden. Die meisten KI-Anwendungen basieren auf maschinellen Lernmodellen, die mit Patientendaten trainiert werden, um Muster zu erkennen. Je größer der verfügbare Datensatz, desto exakter fallen Diagnosen und Prognosen aus – ein wichtiger Faktor angesichts des steigenden Versorgungsbedarfs bei gleichzeitig sinkender Zahl an Fachkräften. Smarte Technologien helfen, diese Lücke zu schließen und die Versorgung weiterhin auf hohem Niveau zu gewährleisten. Damit es nicht bei Insellösungen bleibt, treiben wir die übergreifende Datenintegration voran, ähnlich wie sie in der internationalen Forschung etabliert ist.

30. Jun 2025

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Wirtschaft

Krise als Chance: Wie KI und strategisches Supply Chain Management Europas Rolle stärken können – Ein Beitrag von Dr. Lars Kleeberg, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands für Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e.V. (BME)

Globale Lieferketten stehen unter massivem Druck. Handelskonflikte, Protektionismus und geopolitische Krisen haben die Weltwirtschaft grundlegend verändert – mit direkten Auswirkungen auf Produktion, Versorgungssicherheit und Wettbewerbsfähigkeit. Seit Trumps Zoll-Eskalationen ist klar: Lieferketten sind keine stille Infrastruktur im Hintergrund mehr – sie sind kritische Erfolgsfaktoren für Unternehmen und Volkswirtschaften. Just-in-time ist out, just-in-case-Konzepte sind jetzt notwendig. Es ist höchste Zeit, dass Deutschland und Europa ihre Abhängigkeiten hinterfragen und ihre Versorgungssicherheit neu denken. Politik und Wirtschaft sind gleichermaßen gefordert, die Schlüsselrolle von Einkauf, Logistik und Supply Chain Management strategisch anzuerkennen und aktiv zu stärken. Gerade Deutschland als Exportnation ist in besonderem Maße auf stabile, resiliente Lieferketten angewiesen. Steigende regulatorische Anforderungen wie CSRD, CSDDD, EUDR oder REACH verschärfen den Druck auf die Unternehmen zusätzlich: Einkauf, Supply Chain Management und Logistik müssen heute ökologische, soziale und wirtschaftliche Ziele gleichzeitig erfüllen – ein Spagat, der die Komplexität erheblich erhöht und insbesondere den Mittelstand herausfordert. In diesem Spannungsfeld wächst die Bedeutung von Künstlicher Intelligenz. Mithilfe von KI können Supply Chain-Manager Transparenz entlang globaler Lieferketten herstellen, Risiken frühzeitig erkennen, Compliance-Anforderungen effizienter erfüllen und Prozesse automatisieren. Doch trotz des enormen Potenzials sind KI- Anwendungen heute oft noch Pilotprojekte – gehemmt durch mangelnde Integration, rechtliche Unsicherheiten und zögerliche Entscheidungen in der Unternehmensführung. Es braucht deshalb eine klare Haltung in den Vorstandsetagen: Der strategische Einsatz von KI muss Chefsache werden. Nur, wer Technologie gezielt integriert und daraus neue Fähigkeiten entwickelt, sichert sich langfristige Wettbewerbsvorteile. Gleichzeitig müssen die politischen Entscheidungsträger in Berlin und Brüssel an einem Strang ziehen. Angesichts geopolitischer Spannungen, zunehmenden Protektionismus und wirtschaftlicher Entkopplung muss die EU mit einer Stimme zentrale Handelsabkommen und strategische Partnerschaften vorantreiben. Die neue Bundesregierung muss zügig die wirtschaftliche Resilienz unserer Unternehmen durch ein neues Außenwirtschaftsgesetz stärken und die versprochene Expertenkommission zur Risikoanalyse globaler Abhängigkeiten einsetzen. Europa kann gestärkt aus dieser Krise hervorgehen, wenn es gelingt, strategische Rohstoffe zu sichern, Handelsbeziehungen auf Augenhöhe auszubauen und ein level playing field – insbesondere im Verhältnis zu China – durchzusetzen. Ein strategischer Wandel ist unumgänglich. Insbesondere für Deutschland und Europa gilt: Versorgungssicherheit, Innovationsfähigkeit und wirtschaftliche Souveränität sind untrennbar mit robusten Lieferketten verbunden. Supply Chain Management, Einkauf und Logistik sind längst keine operativen Randfunktionen mehr – sie sind zentrale Erfolgsfaktoren in einer zunehmend fragmentierten Weltwirtschaft. Die internationale Wettbewerbsfähigkeit Europas entscheidet sich nicht in der nächsten Krise – sie entscheidet sich jetzt. >Angesichts geopolitischer Spannungen, zunehmenden Protektionismus und wirtschaftlicher Entkopplung muss die EU mit einer Stimme zentrale Handelsabkommen und strategische Partnerschaften vorantreiben.