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2. Sep 2022

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Gesellschaft

Nachhaltigkeit muss Chefsache sein

Journalist: Thomas Soltau

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Foto: Presse

Das Thema New Work hat viele Facetten: Nachhaltigkeit und Diversity etwa, aber auch das Problem des Fachkräftemangels. Rechtsanwältin Anahita Thoms ist nicht nur Partnerin bei Baker McKenzie in Düsseldorf, sondern auch Expertin für New Work und Nachhaltigkeit. Im Interview erklärt sie, warum ein Umdenken wichtig ist und worauf Unternehmen achten sollten.

Frau Thoms, Sie gelten als Vordenkerin im Bereich Nachhaltigkeitsberatung. Was fasziniert sie an diesem Thema?

Es ist die Vielschichtigkeit, die mich an dem Thema Nachhaltigkeit fasziniert. Für mich bedeutet die Auseinandersetzung einen stetigen Lernprozess, vor allem bei der Frage, wie wir das Thema Nachhaltigkeit ganzheitlich betrachten können. Die 17 Sustainable Development Goals der Vereinten Nationen sind gleichrangig, auch wenn einige mehr im Fokus der Öffentlichkeit stehen als andere. Wir müssen jetzt unsere Anstrengungen verstärken, um sie in der ganzen Breite bis 2030 umzusetzen. Und natürlich treibt mich an, dass das Thema trotz seiner immensen Relevanz so lange Zeit unterschätzt worden ist und uns weiterhin die Zeit davonläuft.

Welche Rolle spielt Nachhaltigkeit Ihrer Auffassung nach für Unternehmen, und hat sich die Einstellung in der Wirtschaft bemerkbar verändert? Warum sind die Themen wie Nachhaltigkeit – besonders in Bezug auf New Work – so wichtig?

Nachhaltigkeit hat sich zu einem zentralen Thema entwickelt. Dies liegt zum einen an der rechtlichen Entwicklung, zum anderen an dem gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Druck. Während sich Regelungen zur Nachhaltigkeit in der Vergangenheit aus sogenannten Soft-Law-Instrumenten wie Empfehlungen und Leitlinien ergaben, existieren heute zunehmend verbindliche Rechtsvorschriften wie etwa das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz.

Zudem stehen Themen wie ökologische Nachhaltigkeit und Diversität immer mehr im Fokus diverser Stakeholder, von Investor:innen, Konsument:innen und auch Arbeitnehmer:innen. So beziehen Investoren vermehrt die Nachhaltigkeitsperformance in ihre Investitionsentscheidungen ein.

In Bezug auf New Work ist Nachhaltigkeit auch von großer Bedeutung: Gerade die jüngere Generation stellt an ihre Arbeitgeber hohe Anforderungen in Bezug auf unternehmerische Werte. Sie achten allgemein sehr darauf, ob Unternehmen ihrer gesellschaftlichen Verantwortung gerecht werden. Außerdem können New-Work-Modelle auch einen wichtigen Beitrag zur Nachhaltigkeitsstrategie leisten, indem durch mehr Flexibilität und Digitalisierung etwa Geschäftsreisen reduziert werden.

Was ist Ihre Einschätzung: Wo stehen wir in der Umsetzung von Nachhaltigkeit?

Auch wenn die Energiekrise die Umsetzung manch einer Nachhaltigkeitsstrategie verzögert, steht das Thema weiterhin oben auf der Agenda. Manche Unternehmen sind bereits weit in ihrer Nachhaltigkeitsstrategie, andere sind noch am Anfang ihrer Reise. Die effektive Umsetzung einer Nachhaltigkeitsstrategie ist aber nur dann möglich, wenn das Thema Nachhaltigkeit zur Chefsache gemacht wird! 

Stichwort Diversity: Was muss passieren, damit es mehr Frauen wie Sie nach ganz oben schaffen?

Nicht jede Frau muss, will oder kann eine Führungskraft werden. Aber zunächst sollten wir festhalten: Es können und wollen viel mehr Frauen – als es zurzeit möglich ist – nach oben schaffen. Das ist im Jahr 2022 sehr unbefriedigend. Wir brauchen bessere Rahmenbedingungen, klarere Kommunikation, Prozesse und Ziele. Wir benötigen auch einen gelasseneren Umgang mit Teilzeitmodellen und mobilem Arbeiten. Der War for Talents spitzt sich weiter zu. Arbeitgeber können sich schlicht nicht mehr leisten, auf einige der besten Kräfte zu verzichten. Um weiterhin die besten Talente für sich zu gewinnen, muss die Wirtschaft kreativer werden und sich mit den neuen Erwartungen an Arbeitgeber besser auseinandersetzen.

Wie kann New Work Frauen in der Karriere, aber auch Diversity in Unternehmen, fördern?

Berater preisen das Konzept von New Work als Wundermittel im Kampf um Talente und Innovationen. Doch in der Praxis scheitern viele Firmen. Warum?

New Work ist per se kein Allheilmittel, kann aber eine Win-Win-Situation in vielen Bereichen für Unternehmen und Beschäftigte darstellen: Das fängt an beim Homeoffice, geht über flexible Arbeitszeiten bis zum Job-Sharing oder digitalem Nomadentum – was insbesondere, aber nicht nur die Generation Z besonders anspricht. Flexibilität ist besonders für Frauen wichtig, die in unserer Gesellschaft immer noch einen Großteil der Care-Arbeit übernehmen.

Was es braucht, um erfolgreich zu sein? New Work setzt auch New Leadership voraus, das heißt eine Vertrauenskultur, Selbstreflexion und Empathie auf Managementebene. Wir brauchen inspirierende, kommunikative Personen in den Führungsebenen, die mit modernem Führungsstil die gesamte Belegschaft abholen und es schaffen, neue Konzepte entscheidungsfreudig und praxistauglich auf allen Ebenen im Unternehmen umzusetzen.

In den nächsten Jahren droht ein massiver Fachkräftemangel. Mit welchen Anreizen lassen sich Talente für den Markt gewinnen?

Beschäftigten ist heutzutage einerseits viel wichtiger, dass ihre Arbeit sinnstiftend ist, dass sie wertgeschätzt werden, sie sich mit dem Unternehmen identifizieren können und sich dazugehörig fühlen. Andererseits legen sie auch mehr Wert auf flexiblere Arbeitsmodelle als früher. Unternehmen, die es schaffen, eine Unternehmenskultur zu entwickeln, die beides vereint, werden im Wettbewerb um Talente in Zeiten des Fachkräftemangels das Rennen für sich entscheiden.

Fakten: Anahita Thoms leitet bei Baker McKenzie die deutsche Außenwirtschaftsrechts- und Nachhaltigkeitspraxis. Ehrenamtliches Engagement ist ihr sehr wichtig. Sie engagiert sich u. a. im Vorstand der Atlantikbrücke, als Beirätin bei Startup Teens und als Nationales-Komitee-Mitglied bei UNICEF Deutschland. Sie ist verheiratet und Mutter zweier Kinder.

23. Okt 2025

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Gesellschaft

„Bewusst Anlegen!“ – Ein Beitrag von Margarethe Honisch, Gründerin der Finanzplattform Fortunalista, Speakerin, Spiegel-Bestseller-Autorin und Finanzkomlumnistin

Die deutsche Anlagekultur könnte kaum vielfältiger sein. Während die Frage nach finanzieller Vorsorge drängender wird als je zuvor, klaffen die Herangehensweisen der Generationen weit auseinander. Generation Z zeigt sich offen, neugierig und digital. Sie informiert sich auf Social Media, tauscht sich auf Plattformen aus und wagt mutig erste Schritte in Richtung Investments, allerdings oft spontan und ohne langfristige Strategie. Die Boomer-Generation hingegen bleibt zögerlich. Viele scheuen das Risiko, vertrauen weiterhin auf altbewährte Sparmodelle oder haben Berührungsängste mit modernen Finanzthemen. Was jetzt zählt, ist ein neues, generationenübergreifendes Money Mindset. Ein Mindset, das nicht nur den Weg zur bewussten Geldanlage ebnet, sondern das Investieren selbst zur Normalität macht. Gerade junge Menschen zeigen dabei, dass Interessen und Hobbys auch ein Schlüssel zu klugen Investitionen sein können. E-Sports und Gaming sind längst keine Randerscheinung mehr, sondern ein globaler Wachstumsmarkt. Wer ohnehin Zeit mit Spielen, Streams oder Turnieren verbringt, kennt die großen Player, die Trends und die Dynamik. Dieses Wissen lässt sich nutzen, um bewusst zu investieren: Welche Hersteller haben die Marktmacht? Wo entwickelt sich der Markt hin? Wer hier reflektiert Entscheidungen trifft, verbindet Freizeit mit Vermögensaufbau und zeigt, dass Investieren dort beginnt, wo man sich auskennt. >Finanzielle Bildung darf kein Luxus sein und Geldanlage kein Thema für wenige Insider bleiben. Es braucht transparente Informationen, Aufklärung und den offenen Dialog, um Investieren für alle zugänglich zu machen. Doch das ist nur ein Beispiel. Die Realität ist: Finanzielle Bildung darf kein Luxus sein und Geldanlage kein Thema für wenige Insider bleiben. Es braucht transparente Informationen, Aufklärung und den offenen Dialog, um Investieren für alle zugänglich zu machen. Denn nur wer lernt, mit Geld reflektiert und strategisch umzugehen, kann echte finanzielle Unabhängigkeit erreichen – bewusst, nachhaltig und generationenübergreifend. Genau gilt es, Wissen zu teilen, Ängste abzubauen und Mut zu machen, den ersten Schritt zu gehen. Denn finanzielle Unabhängigkeit ist kein unerreichbares Ideal, sondern das Ergebnis vieler kleiner, bewusster Entscheidungen. Jede und jeder kann lernen, Verantwortung zu übernehmen für die eigene Zukunft und für die Gestaltung einer neuen, offenen Anlagekultur. Finanzen dürfen kein Tabuthema mehr sein. Wer heute beginnt, bewusst anzulegen, verändert nicht nur das eigene Leben, sondern auch die Perspektiven der nächsten Generation.

2. Okt 2025

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Gesellschaft

Lebensmittel sind weit mehr als bloße Konsumgüter – Ein Beitrag von René Püchner, Präsident Lebensmittelverband Deutschland

Sie sind Kultur, Identität, Genuss und Spiegel gesellschaftlicher Vielfalt. Sie vereinen jahrhundertealtes Handwerk mit modernster Technik, globale Lieferketten mit regionalem Bewusstsein, individuelle Lebensstile mit kollektiver Verantwortung. Wer über Lebensmittel spricht, spricht über auch über die Art und Weise, wie wir leben, genießen und gestalten wollen. Unsere aktuellen Umfragedaten zeigen eindrücklich: Eine überwältigende Mehrheit der Bevölkerung hält Lebensmittelvielfalt für wichtig. Zwischen dem 15. und 18. Juli 2025 befragte das Meinungsforschungsinstitut forsa im Auftrag unseres Verbandes 1.037 Menschen bundesweit. Das Ergebnis: 76 Prozent beurteilen Vielfalt als „wichtig“ oder „sehr wichtig“. Besonders deutlich ist die Haltung bei Jüngeren: 94 Prozent der 18- bis 29-Jährigen betonen, wie essenziell Vielfalt für sie ist. Für 81 Prozent ist sie Ausdruck kultureller Vielfalt, für 78 Prozent integraler Bestandteil moderner Ernährung. Und 77 Prozent probieren gern Gerichte aus anderen Kulturen – ein Ausdruck von Neugier und kulinarischer Offenheit. Diese Zahlen belegen eindrucksvoll: Vielfalt ist kein Luxus, sondern eine Erwartung. Ein Grundbedürfnis in einer dynamischen, global vernetzten Gesellschaft. Die Lebensmittelwirtschaft trägt Verantwortung, diese Erwartungen nicht nur zu erfüllen, sondern aktiv zu gestalten – durch Transparenz, Qualität und Innovation. >Der Wunsch nach gezielter Ernährung – sei es vegetarisch, proteinreich, bio oder funktional – wächst. Digitalisierung und Künstliche Intelligenz eröffnen neue Möglichkeiten, beispielweise mit Blick auf Lieferketten, Rückverfolgbarkeit und der Vermeidung von Lebensmittelverlusten. Mit Blick auf soziale Teilhabe und Integration richtet sich unser Blick auch auf strukturelle Vielfalt. So hat der Lebensmittelverband gemeinsam mit der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie das „What the Food“-Forum: Diversity in the Food Industry initiiert, das am 18. September 2025 in Berlin stattfand. Unter anderem unter dem Motto „Migration als Erfolgsfaktor in der Lebensmittelbranche“ beleuchteten wir Beiträge von Menschen mit Migrationsgeschichte, diskutierten Chancengleichheit und kulturelle Sensibilität und zeigten, wie Vielfalt gelebt wird und Mehrwert schafft. Die Herausforderungen, vor denen wir in der Lebensmittelwirtschaft stehen, sind durchaus komplex: Klimawandel und Ressourcenschutz erfordern neue Wege in Produktion, Logistik und Verpackung. Der Wunsch nach gezielter Ernährung – sei es vegetarisch, proteinreich, bio oder funktional – wächst. Digitalisierung und Künstliche Intelligenz eröffnen neue Möglichkeiten, beispielweise mit Blick auf Lieferketten, Rückverfolgbarkeit und der Vermeidung von Lebensmittelverlusten. Verbraucherinnen und Verbraucher erwarten Transparenz, verlässliche Qualität, klare Informationen. Zugleich wünschen sie Vielfalt, Inspiration und genussvolle Erfahrungen. Diesen hohen Anspruch erfüllen wir. Wir setzen in Produktion, Entwicklung und Kommunikation auf qualitativ hochwertige Zutaten, klimafreundliche Verfahren, ressourcenschonende Verpackungen und kultursensible Ansätze. Als Lebensmittelverband Deutschland verstehen wir uns als Brücke: Zwischen Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Gesellschaft. Wir bieten Orientierung durch fundiertes Wissen, begleiten Trends faktenbasiert und fördern den Dialog über die Ernährung von morgen.