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4. Jun 2024

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Gesellschaft

Neue Fasern für neue (Outdoor-)Bekleidung

Biobasierte Faserforschung auf Grundlage von Algen, Pilzen, Milchsäure und Holz ist ein interdisziplinäres Forschungsgebiet, an dem neben Herstellern von Outdoorbekleidung auch viele Universitäten forschen.

Sie wiegt oft fast nichts und nimmt wenig Platz weg, sie ist weich, kratzt und knittert nicht, sie trocknet schnell und ist billig in der Herstellung – Kleidung aus Polyester, Lycra, Nylon und Polyacryl hat so viele Vorteile, dass bis 2030 schätzungsweise zwei Drittel der weltweiten Faserproduktion aus synthetischen Fasern, also Kunststoffen, bestehen wird. Dabei sind die pflegeleichten Shirts, Hosen und Jacken nur auf den ersten Blick ein so praktisches und angenehmes Material, denn die dafür benötigten Fasern werden aus Erdöl, Erdgas und Kohle hergestellt und verbrauchen jährlich fast 100 Millionen Barrel Erdöl. Je mehr Kleidung produziert wird, desto höher ist der Ölbedarf. Synthetische Fasern zersetzen sich erst nach 100 Jahren und setzen dabei Chemikalien, Mikrofasern und Methan frei. Bei der Verbrennung entstehen Schwermetalle, giftige Gase und Dioxine, die Mensch und Umwelt über Jahrzehnte schädigen.

Viele Forschungsinstitute und Hersteller arbeiten daher an der Entwicklung biobasierter Fasern, die entsprechende Eigenschaften in Bezug auf Haltbarkeit, Trageeigenschaften und Pflegeleichtigkeit aufweisen. Diese Fasern müssen die hohen Anforderungen der Bekleidungsindustrie an Haltbarkeit, Tragekomfort und Pflegeleichtigkeit erfüllen, um mit herkömmlichen Materialien konkurrieren zu können. Die EU unterstützt verschiedene Projekte im Rahmen des Programms zur Förderung der „Industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF)“.

Unter den Universitäten beschäftigt sich das Institut für Textilmaschinen und Textile Hochleistungswerkstofftechnik (ITM) der Technischen Universität Dresden ebenso mit biobasierten Fasern wie das Institut für Textiltechnik (ITA) der RWTH Aachen. Auch an der Hochschule Niederrhein, der Universität Hohenheim, der niederländischen Wageningen University & Research, der Swedish School of Textiles, der belgischen Ghent University, der finnischen Aalto University und an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich wird an biobasierten Fasern geforscht. Das Aachen-Maastricht Institute for Biobased Materials (AMIBM) ist ein europäisches, grenzüberschreitendes Forschungsinstitut, das biobasierte Moleküle, Prozesse und Materialien entwickelt.

Neben dem Institut für Textiltechnik in Augsburg beschäftigt sich vor allem das Sächsische Textilforschungsinstitut e. V. (STFI) mit den Bereichen Technische Textilien, Vliesstoffrecycling, Carbonfaserrecycling und Recycling von Smart Textiles.

Die Deutschen Institute für Textil- und Faserforschung (DITF) in Denkendorf gelten als das größte zusammenhängende Textilforschungszentrum Europas. Im Jahr 2022 wurde das Kompetenzzentrum Biopolymere Werkstoffe der DITF mit dem ersten Preis des „Cellulose Fibre Innovation of the Year 2022 Award“ ausgezeichnet. Diesen Preis erhielten sie für ein patentiertes Verfahren, mit dem Carbonfasern auf eine neuartige und nachhaltige Weise aus Holz gewonnen werden können. In einem weiteren Projekt wurde erforscht, wie sich die nachwachsenden Rohstoffe Alginat, Cellulose und Chitosan für Textilbeschichtungen eignen, die am Ende ihrer Lebensdauer zusammen mit dem Textil kompostiert werden können. Besonders vielversprechend waren die entwickelten Beschichtungen auf Cellulose-Gel-Basis, da diese wässrigen Lösungen ohne toxische Substanzen auskommen.

Im März 2024 wurde im Schmelzspinntechnikum der DITF eine neue Anlage für die biobasierte Faserforschung in Betrieb genommen. Diese Anlage soll die Entwicklung leistungsfähiger Spinnverfahren und die Funktionalisierung nachhaltiger Fasern aus Biopolymeren vorantreiben, um erdölbasierte Polymere zu ersetzen.

Eine innovative Entwicklung ist die Herstellung von Polyethylenfuranoat (PEF)-Fasern, die eine biobasierte Alternative zu PET-Fasern darstellen. Polymilchsäure (PLA) ist eine der am häufigsten verwendeten biobasierten Fasern in der Bekleidungsindustrie. Sie wird aus fermentiertem Pflanzenzucker, meist aus Maisstärke, gewonnen und ist biologisch abbaubar. Eine weitere umweltfreundliche Faser ist Lyocell, auch bekannt als Tencel, die aus dem Zellstoff von Bäumen wie Eukalyptus hergestellt wird und eine nachhaltigere Alternative zu Viskose darstellt.

Darüber hinaus befinden sich Fasern aus Mikroalgen und Pilzmyzelien noch in der Entwicklungsphase, zeigen jedoch vielversprechendes Potenzial für die Zukunft der Textilindustrie. Paradoxerweise ist Funktionsbekleidung für Natur- und Bergliebhaber besonders umweltschädlich. Deshalb setzen Marken wie The North Face verstärkt auf biobasierte Materialien. Das Chemieunternehmen Evonik hat für den Sportbekleidungshersteller Vaude eine biobasierte Kunststofffaser aus dem Öl der Rizinuspflanze entwickelt. Diese Faser, bekannt als VESTAMID® Terra, bietet bessere Trageeigenschaften als herkömmliches Polyamid und reduziert den CO2-Ausstoß bei der Herstellung. Zudem lässt sie sich bei niedrigen Temperaturen gut färben.

Schnell trocknende, leichte und angenehme Kleidung kann also auch gesund für Mensch und Natur sein – und außerdem biologisch abbaubar.

9. Jul 2025

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Gesellschaft

Die Herausforderungen des Wohnens heute und morgen – ein Beitrag vin Dr. Christine Lemaitre

Kaum ein Bereich des Lebens ist so individuell und emotional behaftet wie das Wohnen. Die Gestaltung des eigenen Zuhauses spiegelt unsere Persönlichkeit wider, zeigt, worauf wir Wert legen und was wir bereits erlebt haben. Die eigenen vier Wände bieten Sicherheit und sind Orte der Entspannung. Nun rückt das Thema Wohnen in der aktuellen Debatte immer wieder in den Fokus. Es herrscht ein Mangel insbesondere an bezahlbarem Wohnraum und das in allen Schichten der Gesellschaft. Gründe dafür gibt es viele, darunter der Bevölkerungswachstum, Binnenwanderung und gestiegene Baukosten. Lösungsansätze sind vorhanden, die nicht nur angesichts der politischen Klimaziele im Einklang mit Nachhaltigkeit und Klimaschutz umgesetzt werden müssen. Denn die Auswirkungen des Klimawandels sind längst spürbar. Die Baubranche steht als einer der Hauptverursacher klar in der Pflicht, Gebäude und Außenräume wieder für den Menschen zu planen und auf eine langfristige, qualitätsvolle Nutzung auszulegen. Das größte Potenzial, um Ressourcen und CO2 einzusparen, bieten der Erhalt und bei Bedarf die Umnutzung bestehender Gebäude, wodurch auch gleich die baukulturelle Identität des Ortes bewahrt wird. Gerade in Städten, wo der Wohnraum besonders knapp ist, stehen Flächen leer deren ursprünglich vorgesehene Nutzung nicht mehr benötigt wird. Durch Offenheit und Mut kann hier etwas ganz Besonderes entstehen. Nachhaltige Strategien wie Suffizienz und Lowtech bieten sowohl im Neubau als auch im Bestand reizvolles Innovationspotenzial. Mit dem Suffizienz-Gedanken geht die Frage einher, wie viel genug ist. Sie sollte immer wieder gestellt werden, um abzuwägen, was bezüglich Fläche, Material und Gebäudetechnik wirklich gebraucht wird. Wer hier einspart, übernimmt Verantwortung. Das gesparte Geld lässt sich an anderer Stelle beispielsweise zugunsten einer hohen Qualität und guter Gestaltung sinnvoll investieren. Ein weiterer wichtiger Punkt ist Flexibilität, um auf sich ändernde Lebenssituationen reagieren zu können. Diese Ansätze sind wie geschaffen für einen neuen, zukunftsweisenden Trend beim Planen, Bauen und Erhalten von Gebäuden. Hilfestellung zur Umsetzung kann das speziell für kleine Wohngebäude entwickelte Zertifizierungssystem der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen geben. Neben Klimaschutz, Kreislauf- und Zukunftsfähigkeit stehen bei der Planung, beim Bau und bei der Sanierung nachhaltiger Wohngebäude der akustische, thermische und visuelle Komfort, sprich die Wohnqualität und das Wohlbefinden der Nutzenden im Mittelpunkt. Neben dem ganz eigenen, individuellen Rückzugsraum, bestückt mit liebgewonnenen Möbelstücken und Accessoires, entsteht dadurch ein besonderer Wert, nämlich der der körperlichen und geistigen Gesundheit. >Neben Klimaschutz, Kreislauf- und Zukunftsfähigkeit stehen bei der Planung, beim Bau und bei der Sanierung nachhaltiger Wohngebäude der akustische, thermische und visuelle Komfort, sprich die Wohnqualität und das Wohlbefinden der Nutzenden im Mittelpunkt. Als Non-Profit-Verein setzen wir uns bei der DGNB für die nachhaltige Transformation der Bau- und Immobilienwirtschaft ein. Wir klären auf, leisten Hilfestellung und sensibilisieren für ein verantwortungs- und qualitätvolles Bauen und Betreiben von Gebäuden. Das DGNB-Zertifizierungssystem verhilft dabei allen am Bau Beteiligten zu einem gemeinsamen Verständnis darüber, welche Möglich- aber auch Notwendigkeiten das nachhaltige Bauen mit sich bringt, um einen positiven Beitrag für Mensch, Umwelt und Wirtschaftlichkeit zu leisten.