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29. Sep 2022

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Wirtschaft

Neue Regeln für mehr Tierwohl

Journalist: Armin Fuhrer

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Foto: BMEL/Janine Schmitz/Photothek

Landwirtschaftsminister Özdemir geht die verpflichtende Kennzeichnung für die Tierhaltung an und verspricht den Betrieben finanzielle Unterstützung.

Die Bundesregierung plant eine umfassende Neuordnung der landwirtschaftlichen Tierhaltung in Deutschland. Das Ziel von Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) ist eine für alle landwirtschaftlichen Betriebe verpflichtende staatliche Tierschutzkennzeichnung, mit der Verbraucherinnen und Verbraucher erkennen können, unter welchen Bedingungen das Tier, von dem das Lebensmittel stammt, gehalten wurde. Damit kommt die Regierung dem Wunsch von immer mehr Menschen nach einer besseren Berücksichtigung des Tierwohls hierzulande entgegen, wie Umfragen zeigen.

Nachdem Özdemir im Juni die Eckpunkte der verpflichtenden Kennzeichnung vorgestellt hat, will er noch in diesem Jahr die rechtlichen Voraussetzungen dafür auf den Weg bringen. Die neue Tierhaltungskennzeichnung soll die gesetzliche Verpflichtung enthalten, bestimmte Lebensmittel tierischer Herkunft beim Kauf im Supermarkt, im Onlinehandel oder beim Fleischer so zu kennzeichnen, dass die Haltungsform klar erkennbar ist. Die Kennzeichnung soll neutral sein, es handelt sich also nicht um ein wertendes Label. Weil die Einführung der Verpflichtung ein komplexer Schritt ist, soll sie Schritt für Schritt vonstatten gehen. Zunächst wird das Fleisch von Schweinen gekennzeichnet, demnächst soll die Regelung auf weitere Tierarten ebenso ausgeweitet werden wie auf andere Verkaufsorte wie die Gastronomie. Auch verarbeitete Produkte sollen in die Verpflichtung aufgenommen werden.

Entscheidend für die Kennzeichnung ist die Haltung während des sogenannten produktiven Lebensabschnittes, also bei Fleisch die Mastzeit der Tiere. Dabei sind fünf Haltungsformen geplant. Die Stall-Haltung attestiert dem Landwirt, dass das Tier während der Mast entsprechend den gesetzlichen Mindestanforderungen gehalten wurde. Die Kennzeichnung „Stall + Platz“ bedeutet, dass den Schweinen mindestens 20 Prozent mehr Platz im Vergleich zum gesetzlichen Mindestabstand zu Verfügung stand und die Buchten durch verschiedene Elemente wie Trennwände oder unterschiedliche Ebenen strukturiert sind. Ein „Frischluftstall“ bedeutet, dass der Stall mindestens zu einer Seite hin offen ist. Die höchsten Kennzeichnungen „Auslauf/Freistall/Bio“ bedeuten, dass die Schweine sich mindestens acht Stunden pro Tag im Freien aufhalten können.

Minister Özdemir sieht in der verbindlichen staatlichen Haltungskennzeichnung einen zentralen Baustein einer zukunftsfesten landwirtschaftlichen Tierhaltung. „Kein Landwirt möchte seine Tiere so halten, dass es ihnen schlecht geht“, glaubt der Grünen-Politiker. Zugleich stünden die landwirtschaftlichen Betriebe aber unter einem großen ökonomischen Druck. Deshalb stelle die Bundesregierung eine Milliarde Euro zur Verfügung, um in der Startphase die notwendigen Umbauten finanziell zu unterstützen. Landwirtinnen und Landwirte bräuchten dringend die notwendige Planungssicherheit und erwarteten zu Recht, bei den Investitionen in eine artgerechte Tierhaltung und mehr Klimaschutz unterstützt zu werden. Sie könnten entsprechenden gesellschaftlichen Erwartungen nur dann gerecht werden, „wenn die Rahmenbedingungen es ihnen ermöglichen, mit ihrer wertvollen Arbeit auch ein gutes Einkommen für sich und ihre Familien erzielen zu können“. Denn, so betont Özdemir weiter, Landwirtinnen und Landwirte leisteten einen wichtigen Beitrag zur Ernährung der Bevölkerung.

Die Pläne des Ministers gehen noch weiter. Auch unabhängig von der Tierhaltungskennzeichnung sollen landwirtschaftliche Betriebe, die ihren Tieren besonders tiergerechte Haltungsbedingungen bieten und ihre Ställe dementsprechend umbauen, finanziell gefördert werden. Zusätzlich soll auch die Möglichkeit geschaffen werden, auch Lebensmittel aus EU-Staaten und Drittländern auf freiwilliger Basis zu kennzeichnen.

Özdemir geht davon aus, dass die Landwirtinnen und Landwirte die Kennzeichnung unterstützen werden. Viele hätten sich schon auf den Weg gemacht, um Tier- und Klimaschutz stärker zu berücksichtigen. „Viele weitere wollen ihnen folgen. Mit der Tierhaltungskennzeichnung machen wir diese wertvollen Leistungen unserer tierhaltenden Betriebe für alle sichtbar. Wir geben ihnen mit den klar definierten Haltungsformen die dringend notwendige Planungssicherheit, damit sie in den Mehrwert ihrer Erzeugnisse investieren und diesen geltend machen können.“

Für die Kontrolle sind die Behörden der Bundesländer zuständig. Sie legen für jede angezeigte Haltungseinrichtung eine Kennnummer fest, aus der die Haltungsform erkennbar ist, und teilen sie dem Betrieb mit. Bei Verstößen gegen die Regelungen des Tierhaltungskennzeichnungsgesetzes, die als Ordnungswidrigkeiten eingestuft werden, drohen Bußgelder.

4. Jul 2025

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Wirtschaft

Chancen für die Zukunft der Versorgung – mit Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Jürgen Debus & Dr. Johannes Danckert

![Dr_Johannes_Danckert_Copyright_Kevin_Kuka_Vivantes_online.jpg](https://cwbucket.fra1.digitaloceanspaces.com/Dr_Johannes_Danckert_Copyright_Kevin_Kuka_Vivantes_online_6e3b6d01f5.jpg) ``` Dr. Johannes Danckert, Vorsitzender der Geschäftsführung, Vivantes – Netzwerk für Gesundheit GmbH ``` **Dr. Johannes Danckert, Vorsitzender der Geschäftsführung, Vivantes – Netzwerk für Gesundheit GmbH** Digitalisierung kann die Patientenversorgung schneller, besser und sicherer machen. Immer öfter werden dabei auch die traditionellen Grenzen zwischen ambulanten und stationären Bereichen sowie einzelnen Versorgungseinrichtungen abgebaut. So kann die ‚Patient Journey‘, also der gesamte Behandlungsweg eines Patienten von Diagnose bis Nachsorge, zu einer vernetzten Gesundheitsregion verbunden werden. Trotz deutlicher digitaler Fortschritte haben deutsche Krankenhäuser allerdings weiterhin erheblichen Entwicklungsbedarf, bedingt vor allem durch kleinteilige Strukturen und unzureichende Finanzierung. Denn die Implementierung innovativer Lösungen setzt bereits einen hohen Digitalisierungsgrad voraus. Bei Vivantes wurden zentrale Prozesse wie die Patientenkurve, Medikation, Pflegeprozesssteuerung sowie Anforderungs- und Befundungsprozesse digitalisiert. Auch große Teile der Medizintechnik sind eingebunden. KI-gestützte Systeme helfen uns, Frakturen und Embolien schneller zu erkennen oder warnen vor Komplikationen wie Delir oder Nierenversagen. Künstliche Intelligenz unterstützt uns auch dabei, Patientendaten direkt aus dem Rettungswagen in das Klinik-Informationssystem (KIS) zu übertragen, sodass die Krankenakte bei Ankunft bereits angelegt ist. Eine von uns entwickelte, interoperable Datenplattform ermöglicht zudem den automatisierten Datenaustausch von inzwischen 15 Klinikträgern in der Region Berlin-Brandenburg. Damit entstehen telemedizinische Versorgungskonzepte weit über Berlin hinaus. ![prof.dr.dr.jurgendebus_online.jpg](https://cwbucket.fra1.digitaloceanspaces.com/prof_dr_dr_jurgendebus_online_d7f732ea04.jpg) ``` Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Jürgen Debus, Vorstandsvorsitzender und Leitender Ärztlicher Direktor des Universitätsklinikums Heidelberg ``` **Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Jürgen Debus, Vorstandsvorsitzender und Leitender Ärztlicher Direktor Universitätsklinikum Heidelberg** Smarte Technologien und eine optimale Datennutzung verbessern den Klinikalltag und die Patientenversorgung. Das zukünftige Herzzentrum am Universitätsklinikum Heidelberg planen wir als Smart Hospital: Dort werden z. B. OPs gefilmt und das KI-System warnt automatisch bei Veränderungen des Patienten oder ungewöhnlichen Vorgängen. So werden Risiken früh erkannt und die Sicherheit erhöht. Dank verknüpfter Patientendaten und digitalem Terminmanagement läuft auch die Vorbereitung auf Eingriffe effizienter, da benötigte Ressourcen wie CT-Termine frühzeitig ersichtlich sind. Ein smartes Entlassmanagement stellt relevante Dokumente für den Patienten automatisch bereit und koordiniert Sozialdienst, Pflege und Medikamentenbedarf, sodass der Übergang in die weitere Versorgung optimal organisiert ist. In all diesen Algorithmen und Systemen steckt das gebündelte Wissen von Ärztinnen und Ärzten, Pflegepersonal und Forschenden. Die meisten KI-Anwendungen basieren auf maschinellen Lernmodellen, die mit Patientendaten trainiert werden, um Muster zu erkennen. Je größer der verfügbare Datensatz, desto exakter fallen Diagnosen und Prognosen aus – ein wichtiger Faktor angesichts des steigenden Versorgungsbedarfs bei gleichzeitig sinkender Zahl an Fachkräften. Smarte Technologien helfen, diese Lücke zu schließen und die Versorgung weiterhin auf hohem Niveau zu gewährleisten. Damit es nicht bei Insellösungen bleibt, treiben wir die übergreifende Datenintegration voran, ähnlich wie sie in der internationalen Forschung etabliert ist.