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10. Dez 2024

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Business

Neue Unternehmerhelden braucht das Land - ein Beitrag von Frank Thelen

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Foto: eyecatchme.de

Frank Thelen, Gründer & CEO, Freigeist Capital

Deutschland steht vor einer seiner größten Herausforderungen: dem digitalen und technologischen Wandel. Unsere Welt verändert sich schneller als je zuvor, und die traditionellen Industrien, auf denen unser Wohlstand beruht, drohen, den Anschluss zu verlieren.

Um den Innovationsstandort Deutschland wieder zu reanimieren, brauchen wir ein gemeinsames Ziel: Technologien, die uns ein nachhaltiges Leben im Einklang mit unserem Planeten ermöglichen, ohne dabei auf unseren Lebensstandard und unsere Flexibilität zu verzichten.

Welchen Effekt ein solches „Moonshot-Projekt“ haben kann, sieht man in den USA: Das Silicon Valley ist eine Folge des größten staatlich geförderten Entwicklungsprojekts aller Zeiten: der Mondlandung. Die Köpfe, die an dieser Mission beteiligt waren, haben das „Unmögliche“ möglich gemacht – und so ein 10x-Mindset entwickelt. Viele der wertvollsten Unternehmen aus dem Silicon Valley weisen eine direkte Linie zum Projekt Mondlandung auf. Ihre Gründer haben wiederum in andere Unternehmen investiert und sie als Mentoren begleitet.

So ist eines der mächtigsten Ökosysteme der Welt entstanden: viel Kapital, Technologieexpertise und vor allem viele Pioniere sind im Silicon Valley auf engem Raum versammelt. Ein solches Flywheel brauchen wir auch am Standort Deutschland: Wir haben herausragende Universitäten, viel Grundlagenforschung und nach wie vor führende Ingenieurskunst. Was uns aktuell oftmals noch fehlt, ist der Mut und das Kapital, um die Entwicklungen von den Laboren und Forschungszentren auf die Straße zu bringen und international relevante Unternehmen aufzubauen. Hier sehe ich neben der Forschung auch die Wirtschaft und Politik in der Verantwortung: Wir müssen die richtigen Rahmenbedingungen schaffen und den Zugang zu Kapital ermöglichen. Anstelle von einem pauschalen „Das haben wir schon immer so gemacht“ brauchen wir einen „First Principles Thinking“-Ansatz.

Die gute Nachricht: Es gibt Lichtblicke. München ist auf dem besten Weg, mit Unternehmen wie dem eVTOL-Pionier Lilium und dem Robotik-Unternehmen RobCo zu einem relevanten Zukunftsstandort zu werden. Die Köpfe hinter diesen Unternehmen – Daniel Wiegand und Roman Hölzl – sind für mich zwei deutsche Pioniere, die Hoffnung machen. Sie bauen an dem nächsten Porsche oder Miele und könnten in den nächsten Dekaden Arbeitsplätze und Kapital für Deutschland sichern.

Wir haben herausragende Universitäten, viel Grundlagenforschung und nach wie vor führende Ingenieurskunst. Was uns aktuell oftmals noch fehlt, ist der Mut und das Kapital, um die Entwicklungen von den Laboren und Forschungszentren auf die Straße zu bringen und international relevante Unternehmen aufzubauen.

Denn erst, wenn wir Innovation als Chance begreifen und die mutigen Köpfe in unserem Land in ihrem Vorhaben unterstützen, kann es uns gelingen, zu den USA und China aufzuschließen und eine aktive Rolle im Wandel unserer Welt einzunehmen. Das Rennen um die großen KI-Modelle haben wir durch zu hohe Energiepreise und fehlende Chips bereits verloren – aber es gibt noch viele weitere, wichtige neue Industrien und kluge Köpfe in unserem Land, die unsere Unterstützung brauchen.

Also: Lasst uns große Visionen ernst nehmen, gemeinsame Ziele verfolgen und vor allem: uns gegenseitig unterstützen und nicht jeden mutigen Schritt nach vorne direkt im Keim ersticken. Wir sollten Erfolge feiern, Scheitern zur Reflexion nutzen und die Pioniere in unserem Umfeld unterstützen. Nur so bleibt Europa ein bedeutender Standort und darf international mit entscheiden.

27. Jun 2025

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Wirtschaft

Nachhaltig, transparent und partnerschaftlich – Im Interview mit Barbara Frenkel, Vorstandsmitglied Porsche AG

**Warum bekommt die Beschaffung oft so wenig Aufmerksamkeit – obwohl so viel von ihr abhängt?** Weil Beschaffung meist im Hintergrund läuft – und erst dann in den Blickpunkt rückt, wenn etwas fehlt. Das kennt jeder aus dem Alltag: Fehlt beim Kochen eine Zutat oder beim Möbelaufbau eine Schraube, steht meist alles still. Im industriellen Maßstab kann das bedeuten: keine Teile, kein Auto. Unsere Lieferketten sind heute hochgradig komplex, global und auf Effizienz ausgelegt. Fällt ein einziges Teil aus, sei es durch eine Naturkatastrophe, einen Cyberangriff oder geopolitische Spannungen, kann dies die Produktion gefährden. Deshalb denken wir bei Porsche Beschaffung heute anders: vorausschauender, vernetzter und deutlich resilienter. **Welche Strategie verfolgen Sie, um Lieferketten auch in Krisenzeiten stabil und widerstandsfähig zu halten?** Entscheidend ist die Transparenz in der gesamten Lieferkette – also über unsere direkten Lieferanten hinaus. Uns interessiert: Wer sind die Partner dahinter? Wo haben sie ihre Standorte und welchen Risiken sind sie ausgesetzt? Dabei simulieren wir beispielsweise Wetterereignisse oder Cyberattacken. Wir bewerten globale Rohstoffverfügbarkeiten und identifizieren Single-Source-Situationen. Über allem steht die Frage: Wo könnte ein möglicher Ausfall besonders kritisch für uns sein? **Und welche konkreten Maßnahmen ergreifen Sie, um Risiken zu minimieren?** Hier braucht es ein ganzes Maßnahmenbündel. Als vergleichsweise kleiner Hersteller können wir nicht überall auf eine Zwei-Lieferanten-Strategie setzen. Stattdessen überlegen wir uns etwa, wo wir bei kritischen Materialien gezielt Lagerbestände in Werksnähe aufbauen. Oder wir beauftragen zusätzliche Werkzeugsätze, die bei Bedarf schnell aktiviert werden können. **Wie wählen Sie Lieferanten aus, welche Kriterien sind dabei besonders wichtig?** Die Auswahl unserer Lieferanten ist immer Teamwork. Beschaffung, Entwicklung und Produktion arbeiten eng zusammen. Häufig entwickeln wir die Lösungen gemeinsam mit unseren Lieferanten. Hierbei spielt die technische Bewertung in enger Abstimmung mit unserer Entwicklung eine wichtige Rolle. Die Produktion wiederum achtet sehr stark auf die Logistik. Jeder potenzielle Partner durchläuft ein umfassendes Auditverfahren. Dabei geht es um Qualitäts- und Machbarkeitsaudits. Aber auch um eine umfassende Risikoanalyse. Ein fester Bestandteil bei der Auswahl sind zudem Kriterien bei der Nachhaltigkeit. Also rechtliche, ethische und ökologische Standards. >Viele unserer Fahrzeuge sind stark individualisiert – das erfordert flexible, anpassungsfähige Partner. Viele Mittelständler aus Deutschland bieten genau diese Qualität. **Wie wichtig ist Ihnen die Einbindung mittelständischer Lieferanten in Ihrer Lieferkette?** Viele unserer Fahrzeuge sind stark individualisiert – das erfordert flexible, anpassungsfähige Partner. Viele Mittelständler aus Deutschland bieten genau diese Qualität. Vor allem, wenn sie sich in unmittelbarer Werksnähe befinden. Vorteile sind kurze Wege und schnelle Reaktionszeiten. Als in Deutschland verwurzeltes Unternehmen ist uns zudem daran gelegen, die heimische und europäische Lieferkette zu stärken. **Sie haben die Nachhaltigkeit bereits angesprochen. Nochmals konkret: Wie integrieren Sie diese Kriterien in den Beschaffungsprozess?** Wie gesagt, wir denken hier ganzheitlich und in drei Dimensionen: ökologisch, sozial und ethisch. Im ökologischen Bereich legen wir besonderen Wert auf den CO₂-Fußabdruck in der Lieferkette. Hier entscheiden der Energiemix, die verwendeten Rohstoffe und der Anteil an recyceltem Material. Auch der Wasserverbrauch wird immer wichtiger. Soziale und ethische Aspekte sind ebenfalls von Bedeutung. Wir erwarten, dass internationale Arbeitsstandards eingehalten und faire Löhne gezahlt werden. **Wie haben Sie Einkaufprozesse bzw. das Lieferantenmanagement erfolgreich verbessert?** Rund 80 Prozent der Wertschöpfung entsteht bei uns in der Lieferkette. Entsprechend hoch ist die Bedeutung eines effizienten und partnerschaftlich ausgerichteten Lieferantenmanagements. Deshalb setzen wir bewusst früh an: Bereits in der Entwicklungsphase binden wir Lieferanten eng in unsere Prozesse ein. Gemeinsam können wir Kosten optimieren, die Umsetzung garantieren und verlässliche Qualität reproduzieren. Über diesen engen Austausch entstehen belastbare Partnerschaften – von Anfang an. **Wie reagieren Sie auf regionale Marktanforderungen?** Angesichts fragmentierter Märkte gewinnt die regionale Verankerung an Bedeu-tung. In China arbeiten wir beispielsweise gezielt mit starken lokalen Partnern zusammen. Mit dem Ziel, marktgerechte Lösungen zu entwickeln – etwa beim Infotainment. Auch regulatorische Anforderungen erfordern spezifische Lösungen, das Aufspüren innovativer Technologien und innovativer Partner. Immer mehr handelt es sich dabei auch um Start-ups aus branchenfremden Bereichen, etwa beim autonomen Fahren, der Konnektivität oder Software. >Bereits in der Entwicklungsphase binden wir Lieferanten eng in unsere Prozesse ein. Gemeinsam können wir Kosten optimieren, die Umsetzung garantieren und verlässliche Qualität reproduzieren. ## Infos zur Person Barbara Frenkel: Als Kind wollte sie Astronautin werden. Heute leitet Barbara Frenkel das Vorstandsressort Beschaffung der Porsche AG. Frenkel war die erste Frau im Vorstand des Sportwagenherstellers. Sie blickt auf eine mehr als 20-jährige Managementkarriere bei Porsche zurück. Zuvor war sie bei verschiedenen Automobilzulieferern tätig. Barbara Frenkel (62) scheidet zum 19. August 2025 auf eigenen Wunsch aus dem Porsche-Vorstand aus und übergibt ihre Verantwortung an Joachim Schar-nagl (49), der ihre Nachfolge antritt. Privat genießt sie Ausfahrten mit ihrem Oldtimer, einem 911 G-Modell. Sie ist begeisterte Taucherin und unternimmt gerne Ausflüge mit ihrem Hund in die Natur.