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2. Sep 2022

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Gesellschaft

New Work: Den Ton gibt der Arbeitnehmer an

Journalist: Silja Ahlemeyer

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Foto: Oppo Find/unsplash

New Work ist das Stichwort einer Arbeitswelt im Wandel: Präsenzpflicht und Überstunden
sollen nach dem Wunsch vieler Arbeitnehmer der Vergangenheit angehören.

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Philipp Kolo, Partner und Associate Director bei der Boston Consulting Group; Foto: BCG

Das Verständnis von Arbeit wandelt sich derzeit. Grund sind unter anderem die
Erfahrungen während der beiden Corona-Lockdowns und die fortschreitende
Digitalisierung. Nach der Definition des Zukunftsinstitutes bedeutet „New Work“, dass
die Grenzen zwischen Leben und Arbeiten im Alltag nicht mehr klar zu ziehen ist. Als
Arbeit gilt somit künftig die Summe aller Beschäftigungen zu unterschiedlichen
Lebensphasen. Philipp Kolo, Partner und Associate Director bei der Boston Consulting
Group, teilt im Interview mit uns seine Gedanken dazu.


Herr Kolo, wie wirkt sich New Work auf die zukünftige Arbeitswelt aus?
Das Thema Personal wird fluider: Die Menschen werden insgesamt wechselwilliger, und
aufgrund des demographischen Wandels gibt es nicht mehr genug Arbeitskräfte. Daraus
resultiert ein Arbeitnehmermarkt. Die Arbeitgeber müssen darauf reagieren und ihren
Angestellten unter anderem mehr Freiraum einräumen. Wir werden auf jeden Fall in
hybriden Arbeitswelten bleiben, also nicht mehr zu dem Arbeitsleben vor COVID
zurückkehren.
Und: New Work hat natürlich auch Auswirkungen auf die Nachhaltigkeit. Die digitale
Transformation spielt hier eine große Rolle, vor allem bei Reisetätigkeiten sehen wir hier
starke Auswirkungen und umweltfreundliche Entwicklungen.

Etwa 30 Prozent der Firmen in Deutschland bieten allerdings gar kein hybrides Arbeiten
an, sondern haben eine Präsenzpflicht im Unternehmen. Diese Firmen müssen ihren
Mitarbeitenden jetzt andere gute Angebote mache, um sie zu halten.


Welche Vorteile hat das New Work-Konzept?
Die Flexibilität ist größer geworden, und zwar sowohl die örtliche als auch die zeitliche.
Arbeitnehmer profitieren dabei von einer viel freieren Zeiteinteilung als zuvor, bei der
sie sich gleichermaßen um die Arbeit wie auch beispielsweise um die Kinder kümmern
können. Der Nachteil dagegen ist oft eine fehlende Trennung von Privatem und
Beruflichem und damit einhergehend eine hohe mentale Belastung des Berufstätigen.


Welche Hürden waren bisher zu nehmen, um hierhin zu kommen? Welche wird es
in Zukunft noch geben?
Am Anfang, also im ersten Lockdown etwa, gab es noch keine richtige Balance zwischen
den verschiedenen Arbeits- und Lebensformen. Das ist jetzt besser geworden. Für die
Zukunft muss es klar sein, dass die Mitarbeiter vor Ort im Büro nicht bevorzugt werden
denen gegenüber, die im Homeoffice genauso gute Arbeit leisten.
Darauf müssen Vorgesetzte achten. Und auch die technischen Geräte müssen natürlich
remote funktionieren.


Hat das herkömmliche Büro jetzt ausgedient?
Nein. Es wird allerdings anders benutzt, nämlich in erster Linie für das kollaborative
Arbeiten. Das individuelle Arbeiten findet zuhause statt, das interaktive und kreative
Schaffen eher im Büro. Deswegen wandeln sich auch die Flächen weg von langen Fluren
mit Einzelbüros hin zu Interaktionsflächen.


Welchen Sinn machen Zeiterfassungssysteme jetzt noch?
Es muss schon Regeln geben, damit Privates und Berufliches nicht komplett miteinander
verschmilzt. Das klassische Ein- und Ausstempeln über die gesetzlichen Vorgaben hinaus
halte ich nicht mehr für sinnvoll, aber ebenso wenig sollten Mitarbeiter im „Always-On“-
Modus bleiben müssen.


Welche Auswirkungen hat New Work auf die Arbeitshierarchien?
Die hohe Präsenzkultur der früheren Jahre liegt an einem traditionellen Führungsstil.
Davon müssen Führende sich jetzt verabschieden. Das braucht viel Vertrauen, aber auch
emotionale Führung. Chefs sollten wissen, wie es einem Mitarbeiter im Homeoffice geht,
und auch viel nachfragen. Wir brauchen keine Hierarchie, die von oben nach unten geht,
sondern eine neue Mentalität, in der sich Führende noch mehr auf den Einzelnen
einstellen.


Wie kann die Care-Arbeit, also das Kümmern um Kinder oder pflegebedürftige
Verwandte, im Rahmen von New Work neu bewertet werden?
New Work hat in dieser Frage ganz klar neue Möglichkeiten eröffnet. Die Frage: „Wer
bleibt zuhause und kümmert sich“ muss aber zuerst einmal die Diskussion zwischen den
Eltern sein und sollte jetzt verstärkt geführt werden.


Welche Rolle spielt Künstliche Intelligenz (KI)?
KI ist ja nichts Neues, das gab es auch schon vor Corona. Sie kann Arbeit einfacher
machen, beispielsweise bei klassischen Routineaufgaben, und überall dort, wo es
Algorithmen gibt. Mehr als die Künstliche Intelligenz ist allerdings die Automatisierung das
größere Risiko, dass menschliche Jobs ersetzt werden.

Philipp Kolo (41) ist Vater von zwei Kindern, seine Frau ist auch in Vollzeit berufstätig. Er
selbst arbeitet am liebsten hybrid. Während der Pandemie war Kolo ausschließlich im
Homeoffice. Dabei hat er viele Vorteile zu schätzen gelernt, aber auch den Kontakt zu
Kunden und Kollegen vermisst.

 

30. Apr 2025

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Gesellschaft

Eine benutzerfreundliche Infrastruktur ist ein Muss für den Erfolg der Elektromobilität in Deutschland – mit Christian Heep, Vorstand im Bundesverband eMobilität (BEM)

![Christian Heep Vize-Präsident BEM Bundesverband eMobilität -Online.JPG](https://cwbucket.fra1.digitaloceanspaces.com/Christian_Heep_Vize_Praesident_BEM_Bundesverband_e_Mobilitaet_Online_14b581b45a.JPG) ``` Christian Heep, Vorstand im Bundesverband eMobilität (BEM) ``` **Welche strategischen Bereiche stehen derzeit im Fokus des BEM?** Wir setzen auf die systemische Transformation des Mobilitätssektors. Dabei liegt unser Augenmerk auf dem flächendeckenden Ausbau der Ladeinfrastruktur, der Verknüpfung mit erneuerbaren Energien, klaren regulatorischen Rahmenbedingungen und der Stärkung der industriellen Wettbewerbsfähigkeit in Deutschland. **Wie gestaltet sich der Ausbau der Ladeinfrastruktur?** Ein leistungsfähiges Ladenetz ist entscheidend für die Akzeptanz der Elektromobilität. Wir fördern eine interoperable und benutzerfreundliche Infrastruktur, die intelligente Netzintegration, bidirektionales Laden und Speicherlösungen umfasst. Bestehende Tankstellen sollen als multifunktionale Energiehubs umgerüstet werden. **In welcher Verbindung stehen E-Mobilität und erneuerbare Energien?** Elektromobilität ist nur dann nachhaltig, wenn der Strom aus Wind und Sonne kommt. Daher muss eine direkte Verbindung zwischen Ladeinfrastruktur und erneuerbaren Energien geschaffen werden – unterstützt durch intelligente Netzsteuerung, lokale Erzeugung und Speicherlösungen. Regulatorische Anreize sollen Betreibende und Nutzende dazu motivieren, verstärkt Grünstrom zu verwenden. >Die Verkehrswende ist ein zentraler Hebel, um CO₂-Emissionen zu senken und die Luftqualität zu verbessern. **Welche Rolle spielt die Verkehrswende im Klimaschutz?** Die Verkehrswende ist ein zentraler Hebel, um CO₂-Emissionen zu senken und die Luftqualität zu verbessern. Neben der Elektrifizierung des Straßenverkehrs setzen wir auf multimodale Verkehrskonzepte und die effiziente Nutzung vorhandener Infrastruktur. **Wie trägt E-Mobilität zur Stärkung der deutschen Wirtschaft bei?** Der Übergang zur Elektromobilität bietet Deutschland die Chance, sich von fossilen Technologien zu lösen und in Zukunftsbranchen zu investieren. Wichtige Bereiche sind hier die Forschung, Entwicklung und Produktion von Batterien, Ladeinfrastruktur und digitalen Mobilitätsdiensten – essenziell, um international wettbewerbsfähig zu bleiben. **Ist staatliche Förderung noch notwendig?** Ja, staatliche Förderungen bleiben essenziell, müssen aber zielgerichtet, degressiv und langfristig ausgerichtet sein. Sie sollen den Markthochlauf, den Infrastrukturausbau und die Forschung unterstützen – während gleichzeitig Subventionen für fossile Kraftstoffe reduziert werden müssen. >Statt Handelsbarrieren sollten wir unsere eigenen Stärken in der Elektromobilität ausbauen, um die Wertschöpfung in Europa zu erhöhen und langfristig eine nachhaltige Industriepolitik zu verfolgen. **Wie sollten staatliche Fördermaßnahmen gestaltet sein?** Es braucht eine Förderpolitik, die die Transformation gesamtheitlich betrachtet: Infrastruktur, Fahrzeugflotten, Speichertechnologien und Netzintegration. Gleichzeitig müssen regulatorische Hemmnisse abgebaut werden, etwa bei Netzentgelten oder Abgaben auf Eigenstromnutzung. Neben regulatorischen Rahmenbedingungen und politischer Lenkungswirkung sind sowohl monetäre als auch nicht-monetäre Förderungen notwendig. Jeder investierte Euro zahlt sich langfristig aus, indem er Innovationskraft, Arbeitsplätze, Wertschöpfung und Klimaschutz sichert. **Wie bewertet der BEM die erhöhten Zölle auf chinesische Elektroautos?** Protektionismus ist kein zielführender Ansatz. Statt Handelsbarrieren sollten wir unsere eigenen Stärken in der Elektromobilität ausbauen, um die Wertschöpfung in Europa zu erhöhen und langfristig eine nachhaltige Industriepolitik zu verfolgen. ## Factbox: **Christian Heep ist Vorstand beim BEM** und leitet Marketing, Medien, PR, Kommunikation, Politik, Messen und Events. Seine Leidenschaft für erneuerbare Energien und Elektromobilität inspiriert ihn zu innovativen Projekten für eine nachhaltige Mobilität.