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22. Dez 2021

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Gesellschaft

Nur die Bürokratie ist kompliziert

Journalist: Armin Fuhrer

Klimaneutrale Sanierung von Gebäuden wird massiv vom Staat gefördert, erklärt Bauingenieur Ronald Meyer vom Bundesverband Gebäudemodernisierung e.V.


Ronald Meyer, Bauingenieur vom Bundesverband Gebäudemodernisierung e.V.; Foto: Presse

Herr Meyer, was versteht man unter einer klimaneutralen Gebäudemodernisierung?

Der Begriff untergliedert sich in zwei Bereiche: Erstens in die Energieeffizienz und zweitens in die klimaneutrale Erzeugung der Raumwärme und des warmen Wassers. Die Energieeffizienz betrifft die Gebäudehülle, die gut gedämmt sein muss. Die Haustechnik ist der Bereich, mit dem wir über regenerative Energien – eine Alternative dazu gibt es nicht mehr.

Gibt es festgelegte Regeln, wann ein Gebäude als energieeffizient gilt?

Wir haben tausende von Sanierungen ausgewertet und erkannt, dass wir mit einer 24 Zentimeter dicken Dachdämmung, einer 16 Zentimeter dicken Fassadendämmung und zehn Zentimeter dicken Dämmung der Kellerdecke oder -wände sowie dreifach verglasten Fenstern und zusätzlich beispielsweise dem Anzapfen der Sonne klimaneutral sanieren können. Das ist so eine Art Faustregel, die sich in den vergangenen 20 Jahren herausgebildet hat. Mit diesem Ansatz kommt man in den förderfähigen Bereich der sogenannten Effizienzhäuser nach der neuen Bundesförderung für effiziente Gebäude, die seit dem 1. Juli 2021 gilt. 

Wenn es diese Faustregel gibt, warum benötigt ein Haus dann trotzdem einen individuellen Energieausweis?

Ehrlich gesagt: Das fragen wir uns auch. Ich halte das längst für übertrieben, denn der Energieberater weiß schon vor der Überprüfung, wie das Ergebnis am Ende aussehen wird: 24/16/10 plus Dreifachverglasung und Sonne anzapfen. Die ganzheitliche Sanierung ist eigentlich ganz einfach, doch viele private Bauherrn sind noch immer grundlos verunsichert.

Macht sich hier der typische deutsche Bürokratismus bemerkbar?

Ja, es existieren tatsächlich im Zusammenhang mit der energetischen Sanierung große bürokratische Anforderungen. Die Bürokratie ist das einzige, das bei der Sanierung wirklich kompliziert ist. Es gibt mehr als 6.000 Förderprogramme für das Sanieren und Bauen in Deutschland. Was für ein Wahnsinn. Ich vergleiche das gerne mit der Förderung der Automobilindustrie nach der Finanzkrise – damals gab es ein einziges Förderprogramm, nämlich die Abwrackprämie. Die konnte der Sprecher in zehn Sekunden in der Tagesschau erklären und die Leute sind losgelaufen und haben sich neue Autos gekauft. Wollte der Nachrichtensprecher die Förderprogramme fürs Bauen und Sanieren erklären, würde die Tagesschau zehn Tage dauern.

Was wäre Ihr Vorschlag?

Ganz einfach: Man reicht seine Rechnung vom ausführenden Fachbetrieb zum Beispiel beim Finanzamt ein und bekommt die Zuschüsse ausgezahlt. Fertig. So könnte man die ausufernde Bürokratie auf einfachste Strukturen herunterbrechen. 

Hinderlich ist übrigens auch, dass etwa bei der aktuellen „Leitstudie Aufbruch Klimaneutralität“ und beim „Energiewendekongress 2021“ der Deutschen Energieagentur noch die Öl-, Gas- und Kohlelobby einzahlte und bremst. Beide Titel sind eine Farce.

Wie beurteilen Sie insgesamt die Förderung in Deutschland?

Kompliziert, aber sehr hilfreich. Mit 24/16/10 kann man den „Effizienzhaus 70 EE“-Standard erreichen. Damit bekommt man vom Staat 45 Prozent Zuschuss auf die Sanierung. Das ist sehr gut. Die zweite Hälfte der Sanierungskosten wird anschließend über eingesparte Energiekosten finanziert. Nach rund 20 Jahren ist das Sanierungsdarlehen getilgt und man hat hierfür keinen einzigen Extra-Euro in die Hand genommen. 

30. Apr 2025

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Gesellschaft

Eine benutzerfreundliche Infrastruktur ist ein Muss für den Erfolg der Elektromobilität in Deutschland – mit Christian Heep, Vorstand im Bundesverband eMobilität (BEM)

![Christian Heep Vize-Präsident BEM Bundesverband eMobilität -Online.JPG](https://cwbucket.fra1.digitaloceanspaces.com/Christian_Heep_Vize_Praesident_BEM_Bundesverband_e_Mobilitaet_Online_14b581b45a.JPG) ``` Christian Heep, Vorstand im Bundesverband eMobilität (BEM) ``` **Welche strategischen Bereiche stehen derzeit im Fokus des BEM?** Wir setzen auf die systemische Transformation des Mobilitätssektors. Dabei liegt unser Augenmerk auf dem flächendeckenden Ausbau der Ladeinfrastruktur, der Verknüpfung mit erneuerbaren Energien, klaren regulatorischen Rahmenbedingungen und der Stärkung der industriellen Wettbewerbsfähigkeit in Deutschland. **Wie gestaltet sich der Ausbau der Ladeinfrastruktur?** Ein leistungsfähiges Ladenetz ist entscheidend für die Akzeptanz der Elektromobilität. Wir fördern eine interoperable und benutzerfreundliche Infrastruktur, die intelligente Netzintegration, bidirektionales Laden und Speicherlösungen umfasst. Bestehende Tankstellen sollen als multifunktionale Energiehubs umgerüstet werden. **In welcher Verbindung stehen E-Mobilität und erneuerbare Energien?** Elektromobilität ist nur dann nachhaltig, wenn der Strom aus Wind und Sonne kommt. Daher muss eine direkte Verbindung zwischen Ladeinfrastruktur und erneuerbaren Energien geschaffen werden – unterstützt durch intelligente Netzsteuerung, lokale Erzeugung und Speicherlösungen. Regulatorische Anreize sollen Betreibende und Nutzende dazu motivieren, verstärkt Grünstrom zu verwenden. >Die Verkehrswende ist ein zentraler Hebel, um CO₂-Emissionen zu senken und die Luftqualität zu verbessern. **Welche Rolle spielt die Verkehrswende im Klimaschutz?** Die Verkehrswende ist ein zentraler Hebel, um CO₂-Emissionen zu senken und die Luftqualität zu verbessern. Neben der Elektrifizierung des Straßenverkehrs setzen wir auf multimodale Verkehrskonzepte und die effiziente Nutzung vorhandener Infrastruktur. **Wie trägt E-Mobilität zur Stärkung der deutschen Wirtschaft bei?** Der Übergang zur Elektromobilität bietet Deutschland die Chance, sich von fossilen Technologien zu lösen und in Zukunftsbranchen zu investieren. Wichtige Bereiche sind hier die Forschung, Entwicklung und Produktion von Batterien, Ladeinfrastruktur und digitalen Mobilitätsdiensten – essenziell, um international wettbewerbsfähig zu bleiben. **Ist staatliche Förderung noch notwendig?** Ja, staatliche Förderungen bleiben essenziell, müssen aber zielgerichtet, degressiv und langfristig ausgerichtet sein. Sie sollen den Markthochlauf, den Infrastrukturausbau und die Forschung unterstützen – während gleichzeitig Subventionen für fossile Kraftstoffe reduziert werden müssen. >Statt Handelsbarrieren sollten wir unsere eigenen Stärken in der Elektromobilität ausbauen, um die Wertschöpfung in Europa zu erhöhen und langfristig eine nachhaltige Industriepolitik zu verfolgen. **Wie sollten staatliche Fördermaßnahmen gestaltet sein?** Es braucht eine Förderpolitik, die die Transformation gesamtheitlich betrachtet: Infrastruktur, Fahrzeugflotten, Speichertechnologien und Netzintegration. Gleichzeitig müssen regulatorische Hemmnisse abgebaut werden, etwa bei Netzentgelten oder Abgaben auf Eigenstromnutzung. Neben regulatorischen Rahmenbedingungen und politischer Lenkungswirkung sind sowohl monetäre als auch nicht-monetäre Förderungen notwendig. Jeder investierte Euro zahlt sich langfristig aus, indem er Innovationskraft, Arbeitsplätze, Wertschöpfung und Klimaschutz sichert. **Wie bewertet der BEM die erhöhten Zölle auf chinesische Elektroautos?** Protektionismus ist kein zielführender Ansatz. Statt Handelsbarrieren sollten wir unsere eigenen Stärken in der Elektromobilität ausbauen, um die Wertschöpfung in Europa zu erhöhen und langfristig eine nachhaltige Industriepolitik zu verfolgen. ## Factbox: **Christian Heep ist Vorstand beim BEM** und leitet Marketing, Medien, PR, Kommunikation, Politik, Messen und Events. Seine Leidenschaft für erneuerbare Energien und Elektromobilität inspiriert ihn zu innovativen Projekten für eine nachhaltige Mobilität.