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10. Mär 2021

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Business

OTTO: Der Versandriese und die Corona-Krise

Journalist: Jörg Wernien

Plötzlich war ein ganzer Konzern im Homeoffice. So stellte sich die Situation für den OTTO-Konzern zu Beginn der Pandemie da. Viel Arbeit für den CIO des Konzerns. Dr. Michael Müller-Wünsch ist der CIO der OTTO-Group, wir haben mit ihm über die Pandemie, die Folgen und natürlich auch die Zukunft des Konzerns gesprochen. 

Herr Dr. Müller-Wünsch, wie sind Sie persönlich bis jetzt durch die Pandemie gekommen? 

Für mich war es erstmal eine Umgewöhnung. Seit fast einem Jahr findet der Austausch mit KollegInnen nur virtuell statt, das verändert die Kommunikation enorm. Deshalb habe ich Routinen und Austauschformate eingeführt, um den Kontakt zu KollegInnen zu halten. Außerdem gewöhnte ich mir an, jeden Termin fünf Minuten früher enden zu lassen, sprich: Ende ist um 13.55 Uhr statt um 14 Uhr. Damit bleibt etwas Zeit, um sich zu bewegen und den Kopf fürs nächste Meeting frei zu bekommen.

Wie hat es die OTTO-Group geschafft, durch die Krise zu kommen? 

Wir standen wie alle vor dem Ungewissen, so etwas hatte noch keiner von uns erlebt. Der Wechsel ins Homeoffice mit knapp 5.000 MitarbeiterInnen lief aber mehrheitlich sehr positiv. OTTO arbeitet bereits seit mehr als zwei Jahren mit einer ortsunabhängigen Cloud-Infrastruktur auf Basis von Office 365. Das heißt, dass beispielsweise der Zugang zu Arbeitsdokumenten und Informationen von vornherein gegeben war und auch technische Kommunikationstools für das virtuelle Arbeiten bereits zur Verfügung standen. Zudem sind die Mitarbeiten-den mit mobilen Devices ausgestattet. Insofern waren wir bereits vor der Corona-Pandemie gut fürs mobile Arbeiten ausgestattet.

Sie haben schon sehr früh auf Online, Digitalisierung und Disruption gesetzt – was machen Sie anders als andere? 

Das mag daher gesagt klingen, aber Veränderung ist für OTTO seit jeher ein fester Bestandteil der Unternehmenskultur. Wir schauen uns den Markt sehr genau an und versuchen, die Bedürfnisse unserer KundInnen möglichst früh zu erkennen und zu bedienen.   

Corona hat in der Modebranche schon einige Opfer gefordert, Adler musste jetzt auch Insolvenz anmelden – haben sich Ihre Mitbewerber nicht auf die neue Zeit vorbereitet? 

Ich denke, dass kein Unternehmen mit solch einer Ausnahmesituation wie der Corona-Pandemie gerechnet hat. Im Januar 2020 hätte ich mir jedenfalls noch nicht vorstellen können, dass wir drei Monate später fast mit der gesamten Belegschaft von Zuhause arbeiten, nur noch mit Masken einkaufen gehen und unsere Kinder im Homeschooling lernen. Bei allen Überlegungen steht die Gesundheit der Menschen an erster Stelle. Die Aussicht auf Impfstoff gibt Hoffnung. Anschließend bleibt abzuwarten, wie schnell sich die deutsche Wirtschaft erholen wird.

Jetzt wäre die Zeit den Fokus neu zu setzen – welche Ratschläge können Sie geben?

Ratschläge zu geben ist schwierig, weil nicht jedes Unternehmen vor den gleichen Herausforderungen steht bzw. unterschiedliche Ausgangsvoraussetzungen hat. Bei uns klar im Fokus: Die Consumer Obsession. Darunter verstehen wir die User Experience unserer KundInnen, Partner, Lieferanten sowie unserer Mitarbeitenden. Dabei ist die Employee Experience der nachhaltige Baustein für eine wirksame Customer und Partner Experience. Deshalb ist es wichtig, dass wir unsere KollegInnen bestmöglich befähigen, auch unter herausfordernden Bedingungen ihre Potenziale und Ideen einbringen zu können.

Künstliche Intelligenz und der Versand-Onlinehandel – was passt und was passt nicht? 

Bei OTTO sind wir überzeugt, dass Künstliche Intelligenz (KI) gestaltbar ist. Dass KI das ist, was wir Menschen daraus machen. Deshalb haben wir ein Umfeld geschaffen, in dem KI verantwortungsvoll erdacht wird – immer verbunden mit der Leitfrage: Wie können neue Technologien unsere MitarbeiterInnen, KundInnen und Partner unterstützen. Wenn man sich als Organisation dieser ethischen Verantwortung bewusst ist, dann passen KI und Onlinehandel sehr gut zusammen.   

Setzen Sie KI schon ein, wenn ja, in welchen Feldern? 

OTTO nutzt Künstliche Intelligenz zum Beispiel, um KundInnen die für sie relevantesten Produkte auf otto.de zu empfehlen. Ein anderer Algorithmus erkennt automatisiert die häufigsten Aspekte der Bewertungen auf otto.de und identifiziert die Tonalität. KundInnen können die Kommentare dann nach den Aspekten sortieren, die andere NutzerInnen besonders häufig erwähnt haben – das sind nur ein paar Beispiele.

Stichwort Homeoffice – wie viele Ihrer Mitarbeiter arbeiten von Zuhause aus? 

Mobiles Arbeiten ist bei OTTO nicht neu gewesen, obwohl in unserem Unternehmen nie zuvor so viele Menschen langfristig von Zuhause gearbeitet haben. Von heute auf morgen waren fast alle 4.900 KollegInnen mobil tätig.

Bleibt das in den nächsten Jahren so und wenn ja, was machen Sie dann mit den leeren Büros?

Langfristiges Ziel von OTTO ist ein hybrides, aktivitätsbasiertes Arbeitsmodell, das die Vorteile von Campus- und mobiler Arbeit miteinander verbindet. Der Campus soll zukünftig vornehmlich für kollaboratives und kreatives Arbeiten sowie für die Vernetzung genutzt werden.

27. Jun 2025

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Wirtschaft

Nachhaltig, transparent und partnerschaftlich – Im Interview mit Barbara Frenkel, Vorstandsmitglied Porsche AG

**Warum bekommt die Beschaffung oft so wenig Aufmerksamkeit – obwohl so viel von ihr abhängt?** Weil Beschaffung meist im Hintergrund läuft – und erst dann in den Blickpunkt rückt, wenn etwas fehlt. Das kennt jeder aus dem Alltag: Fehlt beim Kochen eine Zutat oder beim Möbelaufbau eine Schraube, steht meist alles still. Im industriellen Maßstab kann das bedeuten: keine Teile, kein Auto. Unsere Lieferketten sind heute hochgradig komplex, global und auf Effizienz ausgelegt. Fällt ein einziges Teil aus, sei es durch eine Naturkatastrophe, einen Cyberangriff oder geopolitische Spannungen, kann dies die Produktion gefährden. Deshalb denken wir bei Porsche Beschaffung heute anders: vorausschauender, vernetzter und deutlich resilienter. **Welche Strategie verfolgen Sie, um Lieferketten auch in Krisenzeiten stabil und widerstandsfähig zu halten?** Entscheidend ist die Transparenz in der gesamten Lieferkette – also über unsere direkten Lieferanten hinaus. Uns interessiert: Wer sind die Partner dahinter? Wo haben sie ihre Standorte und welchen Risiken sind sie ausgesetzt? Dabei simulieren wir beispielsweise Wetterereignisse oder Cyberattacken. Wir bewerten globale Rohstoffverfügbarkeiten und identifizieren Single-Source-Situationen. Über allem steht die Frage: Wo könnte ein möglicher Ausfall besonders kritisch für uns sein? **Und welche konkreten Maßnahmen ergreifen Sie, um Risiken zu minimieren?** Hier braucht es ein ganzes Maßnahmenbündel. Als vergleichsweise kleiner Hersteller können wir nicht überall auf eine Zwei-Lieferanten-Strategie setzen. Stattdessen überlegen wir uns etwa, wo wir bei kritischen Materialien gezielt Lagerbestände in Werksnähe aufbauen. Oder wir beauftragen zusätzliche Werkzeugsätze, die bei Bedarf schnell aktiviert werden können. **Wie wählen Sie Lieferanten aus, welche Kriterien sind dabei besonders wichtig?** Die Auswahl unserer Lieferanten ist immer Teamwork. Beschaffung, Entwicklung und Produktion arbeiten eng zusammen. Häufig entwickeln wir die Lösungen gemeinsam mit unseren Lieferanten. Hierbei spielt die technische Bewertung in enger Abstimmung mit unserer Entwicklung eine wichtige Rolle. Die Produktion wiederum achtet sehr stark auf die Logistik. Jeder potenzielle Partner durchläuft ein umfassendes Auditverfahren. Dabei geht es um Qualitäts- und Machbarkeitsaudits. Aber auch um eine umfassende Risikoanalyse. Ein fester Bestandteil bei der Auswahl sind zudem Kriterien bei der Nachhaltigkeit. Also rechtliche, ethische und ökologische Standards. >Viele unserer Fahrzeuge sind stark individualisiert – das erfordert flexible, anpassungsfähige Partner. Viele Mittelständler aus Deutschland bieten genau diese Qualität. **Wie wichtig ist Ihnen die Einbindung mittelständischer Lieferanten in Ihrer Lieferkette?** Viele unserer Fahrzeuge sind stark individualisiert – das erfordert flexible, anpassungsfähige Partner. Viele Mittelständler aus Deutschland bieten genau diese Qualität. Vor allem, wenn sie sich in unmittelbarer Werksnähe befinden. Vorteile sind kurze Wege und schnelle Reaktionszeiten. Als in Deutschland verwurzeltes Unternehmen ist uns zudem daran gelegen, die heimische und europäische Lieferkette zu stärken. **Sie haben die Nachhaltigkeit bereits angesprochen. Nochmals konkret: Wie integrieren Sie diese Kriterien in den Beschaffungsprozess?** Wie gesagt, wir denken hier ganzheitlich und in drei Dimensionen: ökologisch, sozial und ethisch. Im ökologischen Bereich legen wir besonderen Wert auf den CO₂-Fußabdruck in der Lieferkette. Hier entscheiden der Energiemix, die verwendeten Rohstoffe und der Anteil an recyceltem Material. Auch der Wasserverbrauch wird immer wichtiger. Soziale und ethische Aspekte sind ebenfalls von Bedeutung. Wir erwarten, dass internationale Arbeitsstandards eingehalten und faire Löhne gezahlt werden. **Wie haben Sie Einkaufprozesse bzw. das Lieferantenmanagement erfolgreich verbessert?** Rund 80 Prozent der Wertschöpfung entsteht bei uns in der Lieferkette. Entsprechend hoch ist die Bedeutung eines effizienten und partnerschaftlich ausgerichteten Lieferantenmanagements. Deshalb setzen wir bewusst früh an: Bereits in der Entwicklungsphase binden wir Lieferanten eng in unsere Prozesse ein. Gemeinsam können wir Kosten optimieren, die Umsetzung garantieren und verlässliche Qualität reproduzieren. Über diesen engen Austausch entstehen belastbare Partnerschaften – von Anfang an. **Wie reagieren Sie auf regionale Marktanforderungen?** Angesichts fragmentierter Märkte gewinnt die regionale Verankerung an Bedeu-tung. In China arbeiten wir beispielsweise gezielt mit starken lokalen Partnern zusammen. Mit dem Ziel, marktgerechte Lösungen zu entwickeln – etwa beim Infotainment. Auch regulatorische Anforderungen erfordern spezifische Lösungen, das Aufspüren innovativer Technologien und innovativer Partner. Immer mehr handelt es sich dabei auch um Start-ups aus branchenfremden Bereichen, etwa beim autonomen Fahren, der Konnektivität oder Software. >Bereits in der Entwicklungsphase binden wir Lieferanten eng in unsere Prozesse ein. Gemeinsam können wir Kosten optimieren, die Umsetzung garantieren und verlässliche Qualität reproduzieren. ## Infos zur Person Barbara Frenkel: Als Kind wollte sie Astronautin werden. Heute leitet Barbara Frenkel das Vorstandsressort Beschaffung der Porsche AG. Frenkel war die erste Frau im Vorstand des Sportwagenherstellers. Sie blickt auf eine mehr als 20-jährige Managementkarriere bei Porsche zurück. Zuvor war sie bei verschiedenen Automobilzulieferern tätig. Barbara Frenkel (62) scheidet zum 19. August 2025 auf eigenen Wunsch aus dem Porsche-Vorstand aus und übergibt ihre Verantwortung an Joachim Schar-nagl (49), der ihre Nachfolge antritt. Privat genießt sie Ausfahrten mit ihrem Oldtimer, einem 911 G-Modell. Sie ist begeisterte Taucherin und unternimmt gerne Ausflüge mit ihrem Hund in die Natur.