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10. Okt 2023

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Business

Schleppende Digitalisierung rächt sich

Journalist: Dejan Kosmatin

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Foto: Christin Hume/unsplash

Das Bewusstsein über die Auswirkungen von Konsum und Wirtschaft auf Umwelt und Gesellschaft mit globalen Folgen für die Zukunft ist rapide gestiegen.

Unternehmen in Deutschland treffen nicht nur auf ein sich veränderndes Konsumverhalten, sondern auch auf strengere Regulierungen und Investorenanforderungen in puncto Nachhaltigkeit. Durch die steigenden Anforderungen von Kunden, Politik und Investoren, kommt der IT bei der Erreichung von mehr Nachhaltigkeit eindeutig eine Schlüsselrolle zu. Sie kann mittels Datenverarbeitung und -analysen sowohl Nachhaltigkeitsinitiativen effektiv begleiten als auch die Grundlage für neue innovative Prozesse und Produkte mit positiven Auswirkungen darauf sein. Die IT unterstützt also nicht nur die Umsetzung, sondern ermöglicht diese erst durch den Einsatz und Bereitstellung von neuen Technologien wie Cloud, IoT oder KI.

Die IDC-Studie „IT & Sustainability Deutschland 2022“ zeigt, dass Nachhaltigkeit hauptsächlich durch eine fehlende Transparenz über Prozesse und Daten ausgebremst werden. Zurückzuführen ist das auf einen niedrigen digitalen Reifegrad und der aktuellen Datenerfassung mit Kennzahlen (KPIs), die sich auf interne Prozesse fokussieren. Für ambitionierte Initiativen planen aber viele den Ausbau des gesamten Wertschöpfungssystems. So verschiebt sich der Schwerpunkt bei der Umsetzung von IT-Initiativen für nachhaltige Unternehmensprozesse, in Richtung Lieferketten und Zukunftstechnologien, wie IoT, Big Data & Analytics, RPA und Green Coding.

Bis 2030 wollen fast alle befragten Unternehmen ihre Nachhaltigkeitsziele erreicht haben. 38 Prozent geben an, über einen unternehmensweiten Ansatz zu verfügen und weitere 40 Prozent über einzelne Programme.

Die größten Treiber sind die Nachfrage nach umweltfreundlichen Produkten und Angeboten sowie die Verbesserung der Betriebs- bzw. Produktionseffizienz, neben der konsequenten Ausrichtung auf die Prinzipien der Kreislaufwirtschaft und die Zusammenarbeit mit Lieferanten und Partnern, die ihre Nachhaltigkeitsziele teilen. Das höchste Potenzial liegt in der eigenen Organisation, zum einen bei der Bereitstellung von ressourceneffizienter IT mit längeren Lebenszyklen.

Also entweder ein System mit nachhaltiger Hardware und eine regelmäßige Modernisierung der IT-Infrastruktur und Anwendungsumgebung oder eine nachhaltige Softwareentwicklung und -architektur. Und zum anderen bei der Einbindung und Bef higung der eigenen Beschäftigten, um auf operativer Ebene mit den neuen Systemen und Prozessen umgehen zu können.

In den heutigen stark vernetzten Wertschöpfungssystemen können viele Nachhaltigkeitsinitiativen jedoch erst dann wirklich erfolgreich werden, wenn Betriebe über die eigenen Unternehmensgrenzen hinaus aktiv werden. Ein umfassender und effizienter Datenaustausch mit Partnern in den Lieferketten und Business-Ökosystems ist dafür eine essenzielle Voraussetzung, und umso Erfolg bringender, je mehr Teilnehmer sich gegenseitig motivieren und fördern. IDC sieht hier vor allem die Anbieter in der Pflicht, sowohl ihr eigenes Business nachhaltig zu transformieren als auch ihr Angebotsportfolio unter diesem Blickwinkel zu überarbeiten und zu ergänzen und vor allem die Kunden bei ihren Nachhaltigkeitsmaßnahmen zu beraten und zu unterstützen.

27. Jun 2025

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Wirtschaft

Nachhaltig, transparent und partnerschaftlich – Im Interview mit Barbara Frenkel, Vorstandsmitglied Porsche AG

**Warum bekommt die Beschaffung oft so wenig Aufmerksamkeit – obwohl so viel von ihr abhängt?** Weil Beschaffung meist im Hintergrund läuft – und erst dann in den Blickpunkt rückt, wenn etwas fehlt. Das kennt jeder aus dem Alltag: Fehlt beim Kochen eine Zutat oder beim Möbelaufbau eine Schraube, steht meist alles still. Im industriellen Maßstab kann das bedeuten: keine Teile, kein Auto. Unsere Lieferketten sind heute hochgradig komplex, global und auf Effizienz ausgelegt. Fällt ein einziges Teil aus, sei es durch eine Naturkatastrophe, einen Cyberangriff oder geopolitische Spannungen, kann dies die Produktion gefährden. Deshalb denken wir bei Porsche Beschaffung heute anders: vorausschauender, vernetzter und deutlich resilienter. **Welche Strategie verfolgen Sie, um Lieferketten auch in Krisenzeiten stabil und widerstandsfähig zu halten?** Entscheidend ist die Transparenz in der gesamten Lieferkette – also über unsere direkten Lieferanten hinaus. Uns interessiert: Wer sind die Partner dahinter? Wo haben sie ihre Standorte und welchen Risiken sind sie ausgesetzt? Dabei simulieren wir beispielsweise Wetterereignisse oder Cyberattacken. Wir bewerten globale Rohstoffverfügbarkeiten und identifizieren Single-Source-Situationen. Über allem steht die Frage: Wo könnte ein möglicher Ausfall besonders kritisch für uns sein? **Und welche konkreten Maßnahmen ergreifen Sie, um Risiken zu minimieren?** Hier braucht es ein ganzes Maßnahmenbündel. Als vergleichsweise kleiner Hersteller können wir nicht überall auf eine Zwei-Lieferanten-Strategie setzen. Stattdessen überlegen wir uns etwa, wo wir bei kritischen Materialien gezielt Lagerbestände in Werksnähe aufbauen. Oder wir beauftragen zusätzliche Werkzeugsätze, die bei Bedarf schnell aktiviert werden können. **Wie wählen Sie Lieferanten aus, welche Kriterien sind dabei besonders wichtig?** Die Auswahl unserer Lieferanten ist immer Teamwork. Beschaffung, Entwicklung und Produktion arbeiten eng zusammen. Häufig entwickeln wir die Lösungen gemeinsam mit unseren Lieferanten. Hierbei spielt die technische Bewertung in enger Abstimmung mit unserer Entwicklung eine wichtige Rolle. Die Produktion wiederum achtet sehr stark auf die Logistik. Jeder potenzielle Partner durchläuft ein umfassendes Auditverfahren. Dabei geht es um Qualitäts- und Machbarkeitsaudits. Aber auch um eine umfassende Risikoanalyse. Ein fester Bestandteil bei der Auswahl sind zudem Kriterien bei der Nachhaltigkeit. Also rechtliche, ethische und ökologische Standards. >Viele unserer Fahrzeuge sind stark individualisiert – das erfordert flexible, anpassungsfähige Partner. Viele Mittelständler aus Deutschland bieten genau diese Qualität. **Wie wichtig ist Ihnen die Einbindung mittelständischer Lieferanten in Ihrer Lieferkette?** Viele unserer Fahrzeuge sind stark individualisiert – das erfordert flexible, anpassungsfähige Partner. Viele Mittelständler aus Deutschland bieten genau diese Qualität. Vor allem, wenn sie sich in unmittelbarer Werksnähe befinden. Vorteile sind kurze Wege und schnelle Reaktionszeiten. Als in Deutschland verwurzeltes Unternehmen ist uns zudem daran gelegen, die heimische und europäische Lieferkette zu stärken. **Sie haben die Nachhaltigkeit bereits angesprochen. Nochmals konkret: Wie integrieren Sie diese Kriterien in den Beschaffungsprozess?** Wie gesagt, wir denken hier ganzheitlich und in drei Dimensionen: ökologisch, sozial und ethisch. Im ökologischen Bereich legen wir besonderen Wert auf den CO₂-Fußabdruck in der Lieferkette. Hier entscheiden der Energiemix, die verwendeten Rohstoffe und der Anteil an recyceltem Material. Auch der Wasserverbrauch wird immer wichtiger. Soziale und ethische Aspekte sind ebenfalls von Bedeutung. Wir erwarten, dass internationale Arbeitsstandards eingehalten und faire Löhne gezahlt werden. **Wie haben Sie Einkaufprozesse bzw. das Lieferantenmanagement erfolgreich verbessert?** Rund 80 Prozent der Wertschöpfung entsteht bei uns in der Lieferkette. Entsprechend hoch ist die Bedeutung eines effizienten und partnerschaftlich ausgerichteten Lieferantenmanagements. Deshalb setzen wir bewusst früh an: Bereits in der Entwicklungsphase binden wir Lieferanten eng in unsere Prozesse ein. Gemeinsam können wir Kosten optimieren, die Umsetzung garantieren und verlässliche Qualität reproduzieren. Über diesen engen Austausch entstehen belastbare Partnerschaften – von Anfang an. **Wie reagieren Sie auf regionale Marktanforderungen?** Angesichts fragmentierter Märkte gewinnt die regionale Verankerung an Bedeu-tung. In China arbeiten wir beispielsweise gezielt mit starken lokalen Partnern zusammen. Mit dem Ziel, marktgerechte Lösungen zu entwickeln – etwa beim Infotainment. Auch regulatorische Anforderungen erfordern spezifische Lösungen, das Aufspüren innovativer Technologien und innovativer Partner. Immer mehr handelt es sich dabei auch um Start-ups aus branchenfremden Bereichen, etwa beim autonomen Fahren, der Konnektivität oder Software. >Bereits in der Entwicklungsphase binden wir Lieferanten eng in unsere Prozesse ein. Gemeinsam können wir Kosten optimieren, die Umsetzung garantieren und verlässliche Qualität reproduzieren. ## Infos zur Person Barbara Frenkel: Als Kind wollte sie Astronautin werden. Heute leitet Barbara Frenkel das Vorstandsressort Beschaffung der Porsche AG. Frenkel war die erste Frau im Vorstand des Sportwagenherstellers. Sie blickt auf eine mehr als 20-jährige Managementkarriere bei Porsche zurück. Zuvor war sie bei verschiedenen Automobilzulieferern tätig. Barbara Frenkel (62) scheidet zum 19. August 2025 auf eigenen Wunsch aus dem Porsche-Vorstand aus und übergibt ihre Verantwortung an Joachim Schar-nagl (49), der ihre Nachfolge antritt. Privat genießt sie Ausfahrten mit ihrem Oldtimer, einem 911 G-Modell. Sie ist begeisterte Taucherin und unternimmt gerne Ausflüge mit ihrem Hund in die Natur.