21. Dez 2020
|
Gesellschaft
Journalist: Jakob Bratsch
Fördermittel, Digitalisierung, feste Bau-Teams: So gelingt die klimaneutrale Sanierung unserer Wohngebäude – im Gespräch mit dem Experten Ronald Meyer vom Bundesverband Gebäudemodernisierung e.V..
15 Millionen Dächer, ebenso viele Heizungen und über 50 Millionen Fenster sind zu erneuern, um die notwendigen Klimaschutzziele bis 2050 zu erreichen. Emissionen verringern und den Klimaschutz erhöhen – und dabei darf das seniorengerechte Wohnen für die Babyboomer-Generation nicht vergessen werden. Handwerksbetriebe müssen sich neu erfinden und müssen ihr Tempo nahezu um den Faktor drei erhöhen. Nur so ist diese Herausforderung zu stemmen.
„Klimaneutral wohnen“ bedeutet, dass ein Wohngebäude in der Jahresbilanz keine CO2-Emissionen verursacht. Heute ist der deutsche Gebäudebestand noch für über 25 Prozent der deutschen CO2-Emissionen verantwortlich.
Mindestens 80 Prozent der deutschen Gebäude müssen bis 2050 saniert werden. Was man dabei in puncto Klimaschutz beachten muss, ist schnell erzählt: Das Dach ist 24 Zentimeter dick zu dämmen, die Fassade 16 cm, die Kellerwände
10 cm. Die neuen Fenster müssen eine Dreifachverglasung haben, die effiziente Heizung läuft mit der Kraft der Sonne. Experten kürzen das mit dem Code „24.16.10.3.S“ ab.
„Doch Deutschland wäre nicht Deutschland, wenn man diesen einfachen Bauplan nicht bis zur letztmöglichen Nachkommastelle in Vorschriften und Reglementierungen meißelt. So basiert das rund siebzigseitige Gebäudeenergiegesetz (GEG), das seit dem 1. November dieses Jahres gilt, vorsichtig geschätzt auf über 10.000 Seiten DIN-Normen, Verordnungen und technischen Datenblättern“, so Ronald Meyer.
Die Möglichkeiten der Digitalisierung plus die Bildung regionaler, immer gleicher Bau-Teams, die zunehmend routinierter ein Haus nach dem anderen modernisieren, ist ein praktikabler Ansatz. Nicht zu vergessen, dass es hohe Zuschüsse von der KfW-Förderbank gibt.
„Die Digitalisierung ist zwar mit umfangreichen Lernprozessen für alle Beteiligte verbunden, die für viele Planer und Handwerksbetriebe noch zu kompliziert sind“, meint Meyer: „Dennoch schlummert gerade dort notwendiges Optimierungspotenzial mit großen Chancen für alle. Tragisch wäre es, in der alten Zeit zu verharren.
Dann werden Oberflächen weiterhin bestenfalls nur angestrichen, nicht aber gedämmt. Bewohner sanierter Gebäude wissen jedoch: Gerade die Dämmung ist interessant, der Aufwand lohnt sich, die erzielbare Energieeinsparung ist hoch, die Behaglichkeit spürbar verbessert.“
Ronald Meyer hat noch ein anderes Beispiel für die kosten- und zeitsparende Optimierung von Bauprozessen: „Wenn man eine Pizza für 10 Euro im Internet bestellen und sich innerhalb von 60 Minuten anliefern lassen kann, dann geht das auch kostendeckend mit einer Packung Schrauben. Wie oft müssen Handwerker stundenlang die Baustelle verlassen, um fehlendes Material oder Werkzeug zu organisieren? So kosten ein paar fehlende Schrauben schnell über 100 Euro. Die Baustoff-Lieferando-App wird es sicher bald geben.“
Die millimetergenaue Laserscanner-3D-Vermessung ist dagegen längst Realität. Aus diesen Daten lassen sich zusätzlich zu allen Planungsunterlagen inklusive 3D-Modell und exakten Detailskizzen automatisch auch Leistungsverzeichnisse, Bautagesberichte, Angebotstexte und Rechnungen generieren. So werden lästige Prozesse am Bau vereinheitlicht und beschleunigt. Das spart Zeit, Geld und Nerven.
Über 15 Millionen Gebäude dürfen saniert werden, damit alle in den Genuss des klimaneutralen Wohnens kommen. Die Bausteine des hierfür notwendigen Transformationsprozesses der Baubranche sind bekannt. Ein gelungener Modernisierungsstart ist also zum Greifen nah.