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20. Sep 2022

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Gesellschaft

Schon ESG-konform?

Journalist: Julia Butz

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Foto: Presse/Catella Real Estate AG

Warum die ESG-Kriterien für Immobilienunternehmen und Investoren unvermeidbar sind: ein Interview mit Prof. Dr. Thomas Beyerle, Catella Real Estate AG.

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Prof. Dr. Thomas Beyerle, Catella Real Estate AG

Durch die ESG-Kriterien sollte die Wirtschaft in Bezug auf Umwelt, Soziales und Unternehmensführung ursprünglich einen freiwilligen Beitrag für eine nachhaltige Entwicklung leisten. Klar definierte Standards gab es allerdings nicht. Das hat sich 2021 mit dem Sustainable Finance Action Plan der EU geändert. Auch für Immobilienunternehmen und -investoren führt somit kein Weg mehr an der Berücksichtigung der ESG-Kriterien vorbei.

Herr Dr. Beyerle: Wie ist die Stimmung in der Branche?

Das Murren hat aufgehört, es hat sich neues Mindset entwickelt: Eine Investition in Nachhaltigkeit ist eine Investition in die Zukunft. Die ESG-Vorgaben nun umzusetzen, ist nur konsequent. Klare Richtlinien, an die sich alle halten, bringen da eine Vereinfachung mit sich. Und ein glasklarer Spielraum reduziert das Risiko, Geld an der falschen Stelle auszugeben. Man kann den EU-Aktionsplan nur begrüßen. Ich glaube nicht, dass sich die Immobilienbranche aufgrund der Normen Sorgen machen muss. Sorgen müssen sich nur die machen, die da nicht mitmarschieren.

Inwiefern?

Unabhängig von gesetzlichen Vorgaben findet ein Bewusstseinswandel statt. Der Druck auf Unternehmen, sich mit Umweltschutz, sozialer Gerechtigkeit und ethischer Unternehmensführung zu beschäftigen, kommt ja nicht nur von einigen Kunden oder den Medien, sondern aus der Gesellschaft, von den eigenen Mitarbeitern. Das ist kein kleiner Trend mehr. Die Nachfrage nach Investments, die die ESG-Kriterien erfüllen, steigt stetig und wird noch weiter steigen.

Wo liegen die Hürden und Risiken in der Umsetzung?

Die Schwierigkeiten liegen nicht im 1 % Neubau. Supergrüne Premiumobjekte zu bauen, die noch steigende Mieten erzielen, reichen allerdings nicht aus, um die CO2-Emissionen in den Griff zu bekommen. Dazu müssen die 99 % Bestand umgewidmet werden.

… die sich den rasant verändernden Marktbedingungen anpassen müssen.

Das ist die große Herausforderung. Ein Haus der Boomer-Generation gilt heute, 20, 30 Jahre nach seinem Bau als ökologisch fragwürdig. Immobilien, die noch vor vier, fünf Jahren im Standard entwickelt wurden, sind heute wenig attraktiv. Energieklasse A ist nun B. Und durch die neuen Arbeitswelten und Lebensgewohnheiten verändern sich die Anforderungen: 1. an den Raum, es geht wieder hin zum Großraumbüro, zu weiten Flächen, 2. an den Standort: Gefragt sind kurze Wege, Innenstadt- und zentrale Lagen gewinnen, Standorte auf der grünen Wiese verlieren, 3. an Immobilienkonzepte: Mixed-Use Properties, die Wohnen, Handel, Büros als Mischnutzung vereinen und durch breitere Streuung als risikoärmer gelten als Bürotürme, die langfristig einzelvermietet sind. Und 4. die Problematik einer überschaubaren Datentransparenz: Bei 90 % der Bestandsimmobilien gibt es Pläne und Zahlen nur auf Papier, es fehlt an der Softwareerfassung.

Die Anforderungen steigen auch in sozialen Fragen. Die ESG-Kriterien sehen einen Anteil preisgebundener Wohneinheiten vor.

Hier stoßen wir auf große Veränderungen in der Sozialstruktur. Wie schaffe ich den richtigen Mix in einem Gebäude oder der Quartiersentwicklung? Welche Folgen hat die soziale Durchmischung? Das sind Fragen, die noch niemand beantworten kann, das kann noch spannend werden.

Fakten: Mit der in 2021 von der EU beschlossenen Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) werden ab 2025 auch kleinere Unternehmen für das ESG-Reporting berichtspflichtig. Experten schätzen, dass dies rund 50.000 Unternehmen in der EU und gut 15.000 Unternehmen in Deutschland betrifft.

27. Jun 2025

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Gesellschaft

Wahlfach Informatik: Zu wenig für Europas digitale Souveränität – mit Christine Regitz

![ChristineRegitz_c_MikeAuerbach_online.jpg](https://cwbucket.fra1.digitaloceanspaces.com/Christine_Regitz_c_Mike_Auerbach_online_d5622666e2.jpg) ```Christine Regitz ist Präsidentin der Gesellschaft für Informatik e. V. (GI)``` Inmitten einer Zeitenwende, in der wirtschaftliche Stärke zunehmend durch digitale Kompetenz definiert wird, ist informatische Bildung ein entscheidender Hebel für Souveränität und Wirtschaftswachstum. Deutschland braucht nicht nur mehr IT-Fachkräfte – es braucht insgesamt eine digital gebildete Gesellschaft. Denn ohne breite informatische Grundbildung wird die digitale Transformation zur Abhängigkeit statt zur Chance. Informatikkompetenz ist kein Nice-to-have mehr, sondern Grundlage für wirtschaftliche Resilienz. Sie entscheidet darüber, ob wir technologische Entwicklungen mitgestalten oder ihnen hinterherlaufen. Das gilt auch für den Bereich der Künstlichen Intelligenz. Wer KI nur konsumiert, bleibt abhängig – von den Infrastrukturen, Werten und wirtschaftlichen Interessen anderer. Wenn Europa bei der Entwicklung eigener KI-Systeme den Anschluss verliert, verlieren wir mehr als nur Marktanteile: Wir verlieren unsere digitale Selbstbestimmung. Fachkräftesicherung beginnt nicht erst an der Hochschule, sondern bereits in der Grundschule. Informatik muss flächendeckend als Pflichtfach und praxisnah unterrichtet werden – nicht nur, um Lücken am Arbeitsmarkt zu schließen, sondern um die nächste Generation zum aktiven Gestalten zu befähigen. Nur so entsteht ein Arbeitsmarkt, der auf Augenhöhe mit der Technologie agiert. >Wenn Europa bei der Entwicklung eigener KI-Systeme den Anschluss verliert, verlieren wir mehr als nur Marktanteile: Wir verlieren unsere digitale Selbstbestimmung. Deshalb hat die Gesellschaft für Informatik e. V. die Allianz für informatische Bildung ins Leben gerufen. Unser Ziel: den Informatikunterricht flächendeckend stärken, auch schon im Primarbereich. Denn wer heute nicht in digitale Bildung investiert, riskiert morgen, dass Innovation, Wertschöpfung und technologische Kontrolle dauerhaft in Übersee stattfinden. Europa braucht eigene Modelle, eigene Infrastrukturen und vor allem: eigene Menschen, die sie bauen können.