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24. Sep 2019

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Business

„Sicherheit durch risikobewusstes Handeln“

Journalist: Armin Fuhrer

Interview mit Kriminaldirektor Heiko Löhr, Leiter des Bereichs Lage, Analyse und Kooperationen des Bundeskriminalamts

„Cybercrime ist eine ernsthafte Bedrohung von Unternehmen. Die frühzeitige Kooperation mit der Polizei hilft“, sagt BKA-Experte Heiko Löhr.

 

Heiko Löhr, Kriminaldirektor und Leiter des Bereichs Lage, Analyse und Kooperationen des Bundeskriminalamts 
Foto: Presse

Wie sind die Zahlen und wie ist die Entwicklung der Cyber-Kriminalität?

In der zuletzt veröffentlichten polizeilichen Kriminalstatistik wurden über 350.000 Cybercrime-Straftaten erfasst. Bei rund 87.000 dieser Fälle handelte es sich um Delikte, bei denen Daten und Systeme angegriffen wurden. Wir sprechen hier von Cybercrime im engeren Sinne. In weiteren knapp 272.000 Fällen diente das Internet als Tatmittel, um „klassische“ Straftaten, wie z.B. den Handel mit Rauschgift, zu begehen. Die Anzahl der registrierten Cybercrime-Straftaten lag damit über dem Niveau des Vorjahres.

Wie groß ist die geschätzte Dunkelziffer?

Cybercrime ist ein sehr dynamisches und schnelllebiges Deliktsfeld. Die Dunkelziffer ist hier, verglichen mit anderen Deliktbereichen, überdurchschnittlich hoch. So kommen bei bestimmten Formen von Internetbetrug auf eine Strafanzeige bis zu 50 tatsächliche Straftaten.

Neben Privatpersonen sind Unternehmen von Cyberkriminalität betroffen. Wie können Sie sich schützen?

Grundsätzlich gilt für Behörden und Unternehmen dasselbe wie für Privatpersonen: Ein risikobewusstes Handeln trägt maßgeblich zur eigenen Sicherheit im Netz bei. Typische Angriffsvektoren sind auch weiterhin das Anklicken bösartiger Links oder das Öffnen maliziöser Anhänge. Eine Sensibilisierung der Internetnutzer ist daher ein entscheidender Erfolgsfaktor. Speziell für die Zielgruppe der Wirtschaftsunternehmen haben das BKA und die Landeskriminalämter „Zentrale Ansprechstellen Cybercrime“ etabliert. Diese Ansprechstellen stellen konkrete Handlungsempfehlungen zur Prävention zur Verfügung und sind polizeiliche Anlaufstelle bei einem digitalen Ernstfall, sprich: einem gezielten Angriff auf das Unternehmen. 

Wie hoch ist der Schaden für die deutsche Wirtschaft?

Die polizeiliche Kriminalstatistik kann nur einen Bruchteil der tatsächlichen Schäden erfassen. Zu unterscheiden sind direkte Schäden, z.B. durch Produktionsausfälle, und indirekte Schäden, z.B. bei Auswirkungen auf Lieferketten. Noch viel schwieriger zu beziffern sind Reputationsschäden. Während in der Vergangenheit in der Sorge um öffentliche Ansehensverluste mitunter der Grund für eine zurückhaltende Zusammenarbeit mit der Polizei gesehen wurde, hat hier in der jüngeren Vergangenheit ein Sinneswandel eingesetzt. Viele Unternehmen erkennen, dass eine frühzeitige und vertrauensvolle Kooperation mit den Cybercrime-Fachdienststellen im Interesse des Schutzes gefährdeter Kundendaten liegt und die Ermittlung der Täter eine Wiederholung von Angriffen auf das eigene oder andere Unternehmen verhindert.

Bedeutet die zunehmende Vernetzung von Maschinen und Geräten eine neue Gefahr?

Das Internet der Dinge, „Smart Home“ oder Industrie 4.0 bieten vielfältige kriminelle Handlungspotenziale. So sind viele sogenannte „IoT“-Geräte aufgrund mangelnder Sicherheitseinstellungen oder fehlender Updates leicht angreifbar.

Welche Rolle spielen digitale Währungen?

Digitale Finanzermittlungen sind von großer Bedeutung für eine erfolgreiche Bekämpfung von Cybercrime. Die Strafverfolgungsbehörden müssen daher in die Lage versetzt werden, auch grenzübergreifend die Spuren krimineller Geldströme zu verfolgen.

27. Jun 2025

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Wirtschaft

Nachhaltig, transparent und partnerschaftlich – Im Interview mit Barbara Frenkel, Vorstandsmitglied Porsche AG

**Warum bekommt die Beschaffung oft so wenig Aufmerksamkeit – obwohl so viel von ihr abhängt?** Weil Beschaffung meist im Hintergrund läuft – und erst dann in den Blickpunkt rückt, wenn etwas fehlt. Das kennt jeder aus dem Alltag: Fehlt beim Kochen eine Zutat oder beim Möbelaufbau eine Schraube, steht meist alles still. Im industriellen Maßstab kann das bedeuten: keine Teile, kein Auto. Unsere Lieferketten sind heute hochgradig komplex, global und auf Effizienz ausgelegt. Fällt ein einziges Teil aus, sei es durch eine Naturkatastrophe, einen Cyberangriff oder geopolitische Spannungen, kann dies die Produktion gefährden. Deshalb denken wir bei Porsche Beschaffung heute anders: vorausschauender, vernetzter und deutlich resilienter. **Welche Strategie verfolgen Sie, um Lieferketten auch in Krisenzeiten stabil und widerstandsfähig zu halten?** Entscheidend ist die Transparenz in der gesamten Lieferkette – also über unsere direkten Lieferanten hinaus. Uns interessiert: Wer sind die Partner dahinter? Wo haben sie ihre Standorte und welchen Risiken sind sie ausgesetzt? Dabei simulieren wir beispielsweise Wetterereignisse oder Cyberattacken. Wir bewerten globale Rohstoffverfügbarkeiten und identifizieren Single-Source-Situationen. Über allem steht die Frage: Wo könnte ein möglicher Ausfall besonders kritisch für uns sein? **Und welche konkreten Maßnahmen ergreifen Sie, um Risiken zu minimieren?** Hier braucht es ein ganzes Maßnahmenbündel. Als vergleichsweise kleiner Hersteller können wir nicht überall auf eine Zwei-Lieferanten-Strategie setzen. Stattdessen überlegen wir uns etwa, wo wir bei kritischen Materialien gezielt Lagerbestände in Werksnähe aufbauen. Oder wir beauftragen zusätzliche Werkzeugsätze, die bei Bedarf schnell aktiviert werden können. **Wie wählen Sie Lieferanten aus, welche Kriterien sind dabei besonders wichtig?** Die Auswahl unserer Lieferanten ist immer Teamwork. Beschaffung, Entwicklung und Produktion arbeiten eng zusammen. Häufig entwickeln wir die Lösungen gemeinsam mit unseren Lieferanten. Hierbei spielt die technische Bewertung in enger Abstimmung mit unserer Entwicklung eine wichtige Rolle. Die Produktion wiederum achtet sehr stark auf die Logistik. Jeder potenzielle Partner durchläuft ein umfassendes Auditverfahren. Dabei geht es um Qualitäts- und Machbarkeitsaudits. Aber auch um eine umfassende Risikoanalyse. Ein fester Bestandteil bei der Auswahl sind zudem Kriterien bei der Nachhaltigkeit. Also rechtliche, ethische und ökologische Standards. >Viele unserer Fahrzeuge sind stark individualisiert – das erfordert flexible, anpassungsfähige Partner. Viele Mittelständler aus Deutschland bieten genau diese Qualität. **Wie wichtig ist Ihnen die Einbindung mittelständischer Lieferanten in Ihrer Lieferkette?** Viele unserer Fahrzeuge sind stark individualisiert – das erfordert flexible, anpassungsfähige Partner. Viele Mittelständler aus Deutschland bieten genau diese Qualität. Vor allem, wenn sie sich in unmittelbarer Werksnähe befinden. Vorteile sind kurze Wege und schnelle Reaktionszeiten. Als in Deutschland verwurzeltes Unternehmen ist uns zudem daran gelegen, die heimische und europäische Lieferkette zu stärken. **Sie haben die Nachhaltigkeit bereits angesprochen. Nochmals konkret: Wie integrieren Sie diese Kriterien in den Beschaffungsprozess?** Wie gesagt, wir denken hier ganzheitlich und in drei Dimensionen: ökologisch, sozial und ethisch. Im ökologischen Bereich legen wir besonderen Wert auf den CO₂-Fußabdruck in der Lieferkette. Hier entscheiden der Energiemix, die verwendeten Rohstoffe und der Anteil an recyceltem Material. Auch der Wasserverbrauch wird immer wichtiger. Soziale und ethische Aspekte sind ebenfalls von Bedeutung. Wir erwarten, dass internationale Arbeitsstandards eingehalten und faire Löhne gezahlt werden. **Wie haben Sie Einkaufprozesse bzw. das Lieferantenmanagement erfolgreich verbessert?** Rund 80 Prozent der Wertschöpfung entsteht bei uns in der Lieferkette. Entsprechend hoch ist die Bedeutung eines effizienten und partnerschaftlich ausgerichteten Lieferantenmanagements. Deshalb setzen wir bewusst früh an: Bereits in der Entwicklungsphase binden wir Lieferanten eng in unsere Prozesse ein. Gemeinsam können wir Kosten optimieren, die Umsetzung garantieren und verlässliche Qualität reproduzieren. Über diesen engen Austausch entstehen belastbare Partnerschaften – von Anfang an. **Wie reagieren Sie auf regionale Marktanforderungen?** Angesichts fragmentierter Märkte gewinnt die regionale Verankerung an Bedeu-tung. In China arbeiten wir beispielsweise gezielt mit starken lokalen Partnern zusammen. Mit dem Ziel, marktgerechte Lösungen zu entwickeln – etwa beim Infotainment. Auch regulatorische Anforderungen erfordern spezifische Lösungen, das Aufspüren innovativer Technologien und innovativer Partner. Immer mehr handelt es sich dabei auch um Start-ups aus branchenfremden Bereichen, etwa beim autonomen Fahren, der Konnektivität oder Software. >Bereits in der Entwicklungsphase binden wir Lieferanten eng in unsere Prozesse ein. Gemeinsam können wir Kosten optimieren, die Umsetzung garantieren und verlässliche Qualität reproduzieren. ## Infos zur Person Barbara Frenkel: Als Kind wollte sie Astronautin werden. Heute leitet Barbara Frenkel das Vorstandsressort Beschaffung der Porsche AG. Frenkel war die erste Frau im Vorstand des Sportwagenherstellers. Sie blickt auf eine mehr als 20-jährige Managementkarriere bei Porsche zurück. Zuvor war sie bei verschiedenen Automobilzulieferern tätig. Barbara Frenkel (62) scheidet zum 19. August 2025 auf eigenen Wunsch aus dem Porsche-Vorstand aus und übergibt ihre Verantwortung an Joachim Schar-nagl (49), der ihre Nachfolge antritt. Privat genießt sie Ausfahrten mit ihrem Oldtimer, einem 911 G-Modell. Sie ist begeisterte Taucherin und unternimmt gerne Ausflüge mit ihrem Hund in die Natur.