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22. Dez 2022

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Gesellschaft

Sinn und Sinnlichkeit

Journalist: Kirsten Schwieger

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Foto: OTTO/PR

Design-Ikone Guido Maria Kretschmer über Konsumverhalten in der Rezession, zeitlose Masterpieces und Eyecatcher, die die Welt erzählen.

Inflation, Rezession, Wohlstandsverlust: Momentan spricht nicht wirklich viel für ein Make-Over der eigenen vier Wände. Dass die Rezession spürbaren Einfluss auf das Konsumverhalten der Menschen nimmt, beobachtet auch Styling-Ikone Guido Maria Kretschmer: „Ich glaube, dass Menschen sich jetzt mehr entscheiden, ob sie Dinge wirklich brauchen und, dass sie sinnvolle Dinge kaufen. Also besondere Pieces anstatt wahlloses Einkaufen.“ Sollte uns also im wahrsten Sinne des Wortes ein „besinnliches“ Weihnachtsfest bevorstehen? Kretschmer sieht die momentane Situation tatsächlich als wohltuende Konsolidierung: „Sich einfach darauf zu konzentrieren, was für das eigene Leben Sinn macht - das propagiere ich sowieso immer. Das wertzuschätzen, was da ist. Und sich bei den wirklich wichtigen Teilen, die lange bei einem bleiben, wie Sofa, Esstisch oder größere Anschaffungen wie Lampen, sehr genau überlegen: Ist das wirklich etwas, was mir gefällt, gehört das zu meiner Persönlichkeit?“

Unter diesen Vorzeichen, spielt natürlich auch Qualität eine Rolle. Möbel zum Vererben, anstatt sie nach ein paar Saisons zu entsorgen. „Ich sag immer, die besten Teile sind für mich die, die man den Kindern ins Kinderzimmer stellt und die dann beim Ausziehen mitgenommen werden, weil sie ein Teil von ihnen geworden sind. Solche Pieces schaffen Identität sowie Erinnerungen und vielleicht auch eine besondere Beziehung zu Dingen. Durch Wertschätzung lernt man auch lieben und das finde ich bei Einrichtung ganz, ganz wichtig“, verrät Kretschmer – um dann noch hinzufügen: „Ich glaube, die kommenden Jahre leben von den Masterpieces, die so ein bisschen zurückfinden zu einem Stil, in dem man eben nicht mehr wahllos alles mögliche macht, sondern bei dem es Wohnlandschaften gibt, die ihrem Namen auch gerecht werden. Möbel sind immer Ausdruck von Persönlichkeit, von Identität. Ich sage immer, die Mode ist die Haut der Seele und die Einrichtung ist der ganze Rest.“

Was aber, wenn die Seele nach Veränderung schreit? „Vielleicht reicht manchmal ein Umstellen schon aus. Solch ein Perspektivwechsel kostet überhaupt kein Geld und das würde sicher auch helfen, Veränderungen zuzulassen“, konstatiert Nachhaltigkeitsfan Kretschmer und ergänzt: „Manchmal reicht auch schon eine neue Wandfarbe. Inspiration fürs Neuarrangieren kann man sich überall holen: Aus Zeitungen, aus Tutorials, und dann entwickelt man sehr schnell vielleicht ein neues Gefühl zu seiner Einrichtung, obwohl sie von den Pieces her genauso geblieben ist.“ Auch für Second-Hand Möbel kann sich der Designer mit eigener Interiorkollektion erwärmen: „Allerdings setzt Upcycling natürlich auch voraus, dass man ein bisschen Kreativität in sich trägt. Wer das nicht hat, kann auch Vieles ruinieren.“

Für die beginnende Indoor-Saison hat der gebürtige Münsteraner natürlich auch ein paar (Herz)erwärmende Tipps auf Lager: „Je wärmer Farben sind, desto angenehmer und gemütlicher wird es. Kerzen schaffen das eigentlich auch ganz gut oder eine schöne Decke. Am besten Qualitäten auswählen, die eine große Haptik haben, also die Körperlichkeit erzählen, wie beispielsweise Flies.“ Natürlich lässt sich der Designer auch energiesparende Deko- und Modetipps nicht nehmen: „Kleine, warme Ecken mit gedimmtem Licht und einfach mit dem kuscheligen Pullover zu Hause zu sein, anstatt weiterhin im T-Shirt.“ Da überrascht auch nicht, dass der Wahlhamburger einen ganz eindeutigen, persönlichen Lieblingsraum für die kalte Jahreszeit hat: „Ich habe ein sehr schönes Lesezimmer mit Kamin. Auf dem Sofa davor liegen wir dann, eingekuschelt in eine warme Decke, neben unseren Hunden und schauen ins Feuer. Mein absolutes Winter-Highlight!“

Übrigens finden sich in seinem Zuhause in Blankenese auch diverse Stücke aus der eigenen Home & Living Kollektion bei OTTO. Beispielsweise das Bett Aivi, eines seiner All-time Favoriten. Auch einige der Eyercatcher-Herausforderungen in seinem wöchentlichen TV-Format Deko Queen stammen aus dieser Quelle. Die Wahl der Eyecatcher ist für Kretschmer jedes Mal etwas ganz Besonderes. „Manchmal kann man zeigen, dass man mit Kleinigkeiten eine ganze Welt erzählen kann. Also ein kleines Korbregal kann dir die Welt aufmachen, genauso wie das ein schönes großes Sofa kann oder ein Bett. Das ist so ein bisschen die Idee, etwas auszuprobieren, dass die Menschen triggert. Damit man mit einer Initialzündung etwas Neues anstoßen kann.“

9. Jul 2025

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Gesellschaft

Die Herausforderungen des Wohnens heute und morgen – ein Beitrag vin Dr. Christine Lemaitre

Kaum ein Bereich des Lebens ist so individuell und emotional behaftet wie das Wohnen. Die Gestaltung des eigenen Zuhauses spiegelt unsere Persönlichkeit wider, zeigt, worauf wir Wert legen und was wir bereits erlebt haben. Die eigenen vier Wände bieten Sicherheit und sind Orte der Entspannung. Nun rückt das Thema Wohnen in der aktuellen Debatte immer wieder in den Fokus. Es herrscht ein Mangel insbesondere an bezahlbarem Wohnraum und das in allen Schichten der Gesellschaft. Gründe dafür gibt es viele, darunter der Bevölkerungswachstum, Binnenwanderung und gestiegene Baukosten. Lösungsansätze sind vorhanden, die nicht nur angesichts der politischen Klimaziele im Einklang mit Nachhaltigkeit und Klimaschutz umgesetzt werden müssen. Denn die Auswirkungen des Klimawandels sind längst spürbar. Die Baubranche steht als einer der Hauptverursacher klar in der Pflicht, Gebäude und Außenräume wieder für den Menschen zu planen und auf eine langfristige, qualitätsvolle Nutzung auszulegen. Das größte Potenzial, um Ressourcen und CO2 einzusparen, bieten der Erhalt und bei Bedarf die Umnutzung bestehender Gebäude, wodurch auch gleich die baukulturelle Identität des Ortes bewahrt wird. Gerade in Städten, wo der Wohnraum besonders knapp ist, stehen Flächen leer deren ursprünglich vorgesehene Nutzung nicht mehr benötigt wird. Durch Offenheit und Mut kann hier etwas ganz Besonderes entstehen. Nachhaltige Strategien wie Suffizienz und Lowtech bieten sowohl im Neubau als auch im Bestand reizvolles Innovationspotenzial. Mit dem Suffizienz-Gedanken geht die Frage einher, wie viel genug ist. Sie sollte immer wieder gestellt werden, um abzuwägen, was bezüglich Fläche, Material und Gebäudetechnik wirklich gebraucht wird. Wer hier einspart, übernimmt Verantwortung. Das gesparte Geld lässt sich an anderer Stelle beispielsweise zugunsten einer hohen Qualität und guter Gestaltung sinnvoll investieren. Ein weiterer wichtiger Punkt ist Flexibilität, um auf sich ändernde Lebenssituationen reagieren zu können. Diese Ansätze sind wie geschaffen für einen neuen, zukunftsweisenden Trend beim Planen, Bauen und Erhalten von Gebäuden. Hilfestellung zur Umsetzung kann das speziell für kleine Wohngebäude entwickelte Zertifizierungssystem der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen geben. Neben Klimaschutz, Kreislauf- und Zukunftsfähigkeit stehen bei der Planung, beim Bau und bei der Sanierung nachhaltiger Wohngebäude der akustische, thermische und visuelle Komfort, sprich die Wohnqualität und das Wohlbefinden der Nutzenden im Mittelpunkt. Neben dem ganz eigenen, individuellen Rückzugsraum, bestückt mit liebgewonnenen Möbelstücken und Accessoires, entsteht dadurch ein besonderer Wert, nämlich der der körperlichen und geistigen Gesundheit. >Neben Klimaschutz, Kreislauf- und Zukunftsfähigkeit stehen bei der Planung, beim Bau und bei der Sanierung nachhaltiger Wohngebäude der akustische, thermische und visuelle Komfort, sprich die Wohnqualität und das Wohlbefinden der Nutzenden im Mittelpunkt. Als Non-Profit-Verein setzen wir uns bei der DGNB für die nachhaltige Transformation der Bau- und Immobilienwirtschaft ein. Wir klären auf, leisten Hilfestellung und sensibilisieren für ein verantwortungs- und qualitätvolles Bauen und Betreiben von Gebäuden. Das DGNB-Zertifizierungssystem verhilft dabei allen am Bau Beteiligten zu einem gemeinsamen Verständnis darüber, welche Möglich- aber auch Notwendigkeiten das nachhaltige Bauen mit sich bringt, um einen positiven Beitrag für Mensch, Umwelt und Wirtschaftlichkeit zu leisten.