12. Nov 2021
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Gesellschaft
Journalist: Thomas Soltau
Norwegen und andere Länder sichern das soziale System über die Renditen eines Staatsfonds. Das könnte auch ein gutes Modell für Deutschland sein.
Laut World Happiness Report 2021 steht Norwegen auf Platz sechs der glücklichsten Nationen. Dafür mag es viele Gründe geben: Die schöne Landschaft, das gedrosselte Arbeitstempo und der norwegische Staatsfonds gehören bestimmt zu den entscheidenden Faktoren. Der Staatsfonds ist nicht nur ein Stützpfeiler Norwegens – er ist auch eine Erfolgsgeschichte. So bringt er etwa eine höhere Rendite als der DAX, nur bei weniger Risiko. Und das funktioniert so: Der Fonds investiert Einnahmen des norwegischen Staates aus der Öl- und Gasproduktion in mehr als 9.100 Unternehmen weltweit. Investiert wird zu 72 Prozent in Aktien, zu 25 Prozent in Anleihen und zu 3 Prozent in Immobilien. Sein breiter Mix ermöglicht eine gute Performance, die sich in einem aktuellen Wert des Fonds von rund 1,2 Billionen Euro widerspiegelt. Wie die norwegische Bank mitteilte, lag die Rendite allein im ersten Halbjahr 2021 bei 9,4 Prozent. Das entspricht gut 100 Milliarden Euro. Umgerechnet auf jeden Norweger und jede Norwegerin sind dies etwa 17.000 Euro für jeden.
Die Idee zum Staatsfonds entstand in den 1990er-Jahren. Seine Wirkkraft ist dreifach: Er soll die Wirtschaft gegen Schwankungen bei den Ölpreisen schützen, die Leistungen des Sozialstaats decken und als Versicherung für künftige Generationen dienen, wenn Öl und Gas einmal versiegen. Die Zentralbank investiert im Auftrag des Finanzministeriums unter anderem in Großkonzerne der Tech-Branche. Die Norweger:innen sind nicht die einzigen mit einem finanz-starken Instrument – aber die größten von rund 80 Staatsfonds. Der norwegische Staatsfonds dient für viele als Vorbild. Er ist nicht nur erfolgreich, seine Strategie ist auch sinnvoll und nachvollziehbar. Immer weniger Arbeitnehmer:innen müssen immer mehr Rentenbeziehende finanziell tragen. Da helfen nur wirksame Finanzmodelle, die auch in Krisenzeiten noch genügend Rendite erwirtschaften.
Was für Norwegen taugt, kann für Deutschland nicht schlecht sein. Forderungen, dass die Rentenkassen stärker an die Kapitalmärkte angebunden werden sollten, sind in letzter Zeit häufiger zu vernehmen. Für Professor Volker Brühl, Geschäftsführer des Center for Financial Studies (CFS) in Frankfurt, könnte ein Staatsfonds langfristig einen wichtigen Beitrag leisten, um das Rentensystem nachhaltiger auszurichten. Ein Teil des Bruttoeinkommens könnte etwa in eine gesetzliche Aktienrente fließen – oder durch die Abschaffung des Solidaritätszuschlages gesichert werden. Doch bislang sind keine ernsthaften Bemühungen zu erkennen, die einen Staatsfonds nach norwegischem Vorbild vorantreiben. Ohne neue Modelle werden die künftigen Herausforderungen kaum zu schaffen sein: Die Nachhaltigkeit voranzutreiben und einen Beitrag zur Erfüllung des europäischen Klimapaktes zu leisten – das kostet viel Geld.
Natürlich gibt es keine Rendite ohne Risiko, das gilt auch für den norwegischen Staatsfonds. Im Jahr 2008 brach der Fonds um 23 Prozent ein. Auch 2018, 2011, 2002 und 2001 gab es Verluste. Ein Schicksal, das die meisten Anlegenden am Aktienmarkt teilen. Dazu könnten welt-weit steigende Preise durch Inflation große Verluste nach sich ziehen. Darauf weist Fonds-Chef Nicolai Tangen hin. Aber: Selbst im Corona-Krisenjahr konnte der Fonds ein Plus von etwa 102 Milliarden Euro verzeichnen. Ein Geldregen, der Deutschland guttun würde.