17. Mär 2023
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Gesellschaft
Journalist: Dr. Jens Libbe
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Foto: Presse
Dr. Jens Libbe, Bereichsleiter des Forschungsbereichs Infrastruktur, Wirtschaft und Finanzen am Deutschen Institut für Urbanistik (difu)
Beim Versuch, sich einen Eindruck darüber zu verschaffen, was die Stadt der Zukunft kennzeichnet, stößt man unweigerlich auf eine Vielzahl von Bildern - angefangen von futuristischen Bauten ohne Menschen bis hin zu Bildern stark durchmischter Strukturen mit viel städtischem Grün.
Das Nachdenken über die Stadt der Zukunft war schon immer verbunden mit ganz grundsätzlichen Idealvorstellungen gesellschaftlicher Entwicklung. Dies zeigen nicht zuletzt die urbanen Utopien der Vergangenheit. Zu denken ist an die Gartenstadt von 1898 (Howard) mit dem Ideal des gegliederten Stadtwachstums am Stadtrand oder die Ville Contemporaine von 1922 (Corbusier) mit der Trennung städtischer Funktionen oder auch sozialer Schichten und einer vertikalen Architektur.
Urbane Utopien spiegeln stets den Geist ihrer Zeit wider. Zugleich sind sie zum Zeitpunkt ihrer Entstehung nicht zu unterschätzende Orientierungspunkte für künftige Entwicklungen im Rahmen gesellschaftlicher, technologischer, ökologischer und ökonomischer Entwicklungs- und Gestaltungspotentiale. Auch wenn sie nicht zur Umsetzung kommen, so können Utopien Entwicklungen und städtebauliche Praktiken inspirieren.
Eine Stadt lässt sich nicht ideal planen und ihre Entwicklung wird niemals abgeschlossen sein. Es gibt nicht die eine urbane Zukunft, sondern viele mögliche Entwicklungen. Diese Pluralität gilt es anzuerkennen. Umso wichtiger ist es in einem demokratischen Gemeinwesen zu fragen, in welcher Stadt wir eigentlich leben wollen? Mit dieser Frage weitet sich der Blick vom Städtebau auf die grundsätzliche Frage einer erstrebenswerten Zukunft. Letztere lässt sich nicht allein städtebaulich oder architektonisch setzen, sondern bedarf gesellschaftlicher Übereinkunft. Es geht um diskursiv zu erschließende Zukunftsbilder, die von möglichst vielen Teilen der der Stadtbevölkerung getragen sind. Die Wirkung der Zukunftsbilder entfaltet sich dabei nicht allein über die Vision oder ein dahinterliegendes Narrativ, sondern vor allem über den partizipativen Prozess ihrer Entwicklung. Darüber hinaus geht es um die Verbindung mit übergeordneten Leitvorstellungen. Vor allem zu nennen sind die international vereinbarten Ziele nachhaltiger Entwicklung und die Vereinbarungen der Neuen Leipzig-Charta mit ihrer Betonung einer abgewogenen Berücksichtigung aller Belange, die für die gemeinwohlorientierte Stadtentwicklung relevant sind.
Die Smart City bewegt sich zwischen den Polen einer durch Informations- und Kommunikationstechnologien getriebenen Stadtentwicklung einerseits, der Verpflichtung gegenüber den übergeordneten Zielvorstellungen andererseits. Konzepte der Smart City werden heute in Deutschland ganz überwiegend unter Mitwirkung von Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft entwickelt. Ihr tatsächlicher Beitrag zur nachhaltigen und gemeinwohlorientierten Stadtentwicklung lässt sich seriös noch nicht bemessen. Aktuell geht es vor allem um den Aufbau von Organisationsstrukturen, Datenstrategien und personellen Kompetenzen. Maßnahmen zielen insbesondere auf die Bereiche Energie, Mobilität und Verwaltungsmodernisierung ab. Der eigentliche Städtebau wird derzeit eher indirekt über die Ausrüstung von öffentlichen Räumen oder Gebäuden mit Sensorik für die Steuerung von Prozessen adressiert. Offen ist, ob die Smart City die baulich-räumlichen Strukturen von Städten dauerhaft verändern wird. Prägenden Einfluss haben hier eher übergreifende Entwicklungen, wie Dezentralisierung der Energieversorgungsstrukturen oder Autarkie von Quartieren und Gebäuden, die Anpassungen an den Klimawandel sowie die notwendige städtebauliche Dichte zur Behebung des Wohnraummangels.
„Die Smart City bewegt sich zwischen den Polen einer durch Informations- und Kommunikationstechnologien getriebenen Stadtentwicklung einerseits, der Verpflichtung gegenüber den übergeordneten Zielvorstellungen andererseits.“