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13. Nov 2020

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Gesellschaft

Stillstand als Fortschritt?

Journalist: Armin Fuhrer

Zwar hat Joe Biden das Rennen um die US-Präsidentschaftswahl für sich entschieden – für die Börsianer bleibt es aber erst einmal spannend.

Das Rennen um das Weiße Haus war überraschend spannend, doch nach einer zähen Auszählung hat der demokratische Kandidat Joe Biden die Wahl für sich gewonnen und soll nach den normalen amerikanischen Gepflogenheiten im Januar als 46. Amtsinhaber vereidigt werden. Mit dem Demokraten hat der Favorit der Börsianer gesiegt, und so kann es nicht überraschen, dass die Börsen ihn in Frankfurt, New York oder Tokio in den ersten Tagen nach der Bekanntgabe des Ergebnisses erst einmal mit steigenden Kursen begrüßten. 

Zwei Punkte sprachen in den Augen der Anleger für Biden. Erstens ist damit zu rechnen, dass die US-Politik wieder berechenbarer wird als bei dem sprung-haften Amtsinhaber Donald Trump. Und zweitens hat der Demokrat Biden umfangreiche staatliche Investitionen in die Infrastruktur und in der Klima- und Umweltpolitik angekündigt. Staatliche Investitionen bedeuten Aufträge für Unternehmen – das ist gut für die Wirtschaft und die Aktienkurse.

Andererseits hat Biden aber auch steuerpolitische Maßnahmen wie die Anhebung des Spitzensteuersatzes von derzeit 37 auf 40 Prozent und der Unternehmenssteuer von aktuell 21 auf 28 Prozent angekündigt, die den Börsianern nicht so gut schmecken. Deshalb hoffen viele von ihnen jetzt auf den Gridlock – den Stillstand. Der Begriff Gridlock wird in den USA für eine politische Lage verwendet, in der eine der beiden Parteien den Präsidenten stellt, die andere aber die Mehrheit im Kongress hält. Denn diese Pattsituation, die man auch als amerikanische Variante der Großen Koalition in Deutschland sehen kann, hat zur Folge, dass keine der beidenSeiten ihr Programm voll durchsetzen kann. Der Präsident ist von der gegnerischen Mehrheit im Kongress abhängig, dieser aber kann ohne den Präsidenten nichts durchsetzen – beide Seiten müssen Kompromisse eingehen.

Historisch gesehen sind diese Phasen des Gridlock oft identisch mit außergewöhnlich guten Börsenzeiten. Und folgt man dieser Sichtweise, so ist die Konstellation, zu der es in den USA für die nächsten vier Jahren kommen könnte, für Börsianer geradezu eine Traumsituation. Denn insbesondere die Mischung aus demokratischem Präsidenten und republikanischer Kongressmehrheit brachte den Anlegern in der Vergangenheit, gemessen am US-Leitindex S&P 500, durchschnittliche Steigerungen von 13 Prozent pro Jahr. Stillstand kann also aus Börsianer-Sicht durchaus Fortschritt sein.

Noch ist es aber nicht so weit. Denn im Bundestaat Georgia kommt es am 5. Januar zu einer Stichwahl, bei der es um zwei Sitze geht. Diese Wahlen entscheiden, ob Trumps Republikaner die Mehrheit im Kongress behalten oder verlieren. Sollten die Demokraten als Sieger daraus hervorgehen, könnte Biden einen Durch-marsch machen und seine Politik ohne den Zwang zu Kompromissen durchziehen. Und das bedeutet, dass es wohl zu den angekündigten Steuererhöhungen kommen würde, weil die Republikaner sie nicht verhindern könnten.

Es bleibt also spannend. Gleichwohl dürfen Anleger, die ihr Geld ganz oder zumindest zu einem Teil in den USA machen, durchaus optimistisch in die Zukunft blicken. Das gilt unter anderem auch für Unternehmen, die ihr Geld mit Klimatechnik verdienen. 

23. Okt 2025

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Gesellschaft

„Bewusst Anlegen!“ – Ein Beitrag von Margarethe Honisch, Gründerin der Finanzplattform Fortunalista, Speakerin, Spiegel-Bestseller-Autorin und Finanzkomlumnistin

Die deutsche Anlagekultur könnte kaum vielfältiger sein. Während die Frage nach finanzieller Vorsorge drängender wird als je zuvor, klaffen die Herangehensweisen der Generationen weit auseinander. Generation Z zeigt sich offen, neugierig und digital. Sie informiert sich auf Social Media, tauscht sich auf Plattformen aus und wagt mutig erste Schritte in Richtung Investments, allerdings oft spontan und ohne langfristige Strategie. Die Boomer-Generation hingegen bleibt zögerlich. Viele scheuen das Risiko, vertrauen weiterhin auf altbewährte Sparmodelle oder haben Berührungsängste mit modernen Finanzthemen. Was jetzt zählt, ist ein neues, generationenübergreifendes Money Mindset. Ein Mindset, das nicht nur den Weg zur bewussten Geldanlage ebnet, sondern das Investieren selbst zur Normalität macht. Gerade junge Menschen zeigen dabei, dass Interessen und Hobbys auch ein Schlüssel zu klugen Investitionen sein können. E-Sports und Gaming sind längst keine Randerscheinung mehr, sondern ein globaler Wachstumsmarkt. Wer ohnehin Zeit mit Spielen, Streams oder Turnieren verbringt, kennt die großen Player, die Trends und die Dynamik. Dieses Wissen lässt sich nutzen, um bewusst zu investieren: Welche Hersteller haben die Marktmacht? Wo entwickelt sich der Markt hin? Wer hier reflektiert Entscheidungen trifft, verbindet Freizeit mit Vermögensaufbau und zeigt, dass Investieren dort beginnt, wo man sich auskennt. >Finanzielle Bildung darf kein Luxus sein und Geldanlage kein Thema für wenige Insider bleiben. Es braucht transparente Informationen, Aufklärung und den offenen Dialog, um Investieren für alle zugänglich zu machen. Doch das ist nur ein Beispiel. Die Realität ist: Finanzielle Bildung darf kein Luxus sein und Geldanlage kein Thema für wenige Insider bleiben. Es braucht transparente Informationen, Aufklärung und den offenen Dialog, um Investieren für alle zugänglich zu machen. Denn nur wer lernt, mit Geld reflektiert und strategisch umzugehen, kann echte finanzielle Unabhängigkeit erreichen – bewusst, nachhaltig und generationenübergreifend. Genau gilt es, Wissen zu teilen, Ängste abzubauen und Mut zu machen, den ersten Schritt zu gehen. Denn finanzielle Unabhängigkeit ist kein unerreichbares Ideal, sondern das Ergebnis vieler kleiner, bewusster Entscheidungen. Jede und jeder kann lernen, Verantwortung zu übernehmen für die eigene Zukunft und für die Gestaltung einer neuen, offenen Anlagekultur. Finanzen dürfen kein Tabuthema mehr sein. Wer heute beginnt, bewusst anzulegen, verändert nicht nur das eigene Leben, sondern auch die Perspektiven der nächsten Generation.

2. Okt 2025

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Gesellschaft

Lebensmittel sind weit mehr als bloße Konsumgüter – Ein Beitrag von René Püchner, Präsident Lebensmittelverband Deutschland

Sie sind Kultur, Identität, Genuss und Spiegel gesellschaftlicher Vielfalt. Sie vereinen jahrhundertealtes Handwerk mit modernster Technik, globale Lieferketten mit regionalem Bewusstsein, individuelle Lebensstile mit kollektiver Verantwortung. Wer über Lebensmittel spricht, spricht über auch über die Art und Weise, wie wir leben, genießen und gestalten wollen. Unsere aktuellen Umfragedaten zeigen eindrücklich: Eine überwältigende Mehrheit der Bevölkerung hält Lebensmittelvielfalt für wichtig. Zwischen dem 15. und 18. Juli 2025 befragte das Meinungsforschungsinstitut forsa im Auftrag unseres Verbandes 1.037 Menschen bundesweit. Das Ergebnis: 76 Prozent beurteilen Vielfalt als „wichtig“ oder „sehr wichtig“. Besonders deutlich ist die Haltung bei Jüngeren: 94 Prozent der 18- bis 29-Jährigen betonen, wie essenziell Vielfalt für sie ist. Für 81 Prozent ist sie Ausdruck kultureller Vielfalt, für 78 Prozent integraler Bestandteil moderner Ernährung. Und 77 Prozent probieren gern Gerichte aus anderen Kulturen – ein Ausdruck von Neugier und kulinarischer Offenheit. Diese Zahlen belegen eindrucksvoll: Vielfalt ist kein Luxus, sondern eine Erwartung. Ein Grundbedürfnis in einer dynamischen, global vernetzten Gesellschaft. Die Lebensmittelwirtschaft trägt Verantwortung, diese Erwartungen nicht nur zu erfüllen, sondern aktiv zu gestalten – durch Transparenz, Qualität und Innovation. >Der Wunsch nach gezielter Ernährung – sei es vegetarisch, proteinreich, bio oder funktional – wächst. Digitalisierung und Künstliche Intelligenz eröffnen neue Möglichkeiten, beispielweise mit Blick auf Lieferketten, Rückverfolgbarkeit und der Vermeidung von Lebensmittelverlusten. Mit Blick auf soziale Teilhabe und Integration richtet sich unser Blick auch auf strukturelle Vielfalt. So hat der Lebensmittelverband gemeinsam mit der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie das „What the Food“-Forum: Diversity in the Food Industry initiiert, das am 18. September 2025 in Berlin stattfand. Unter anderem unter dem Motto „Migration als Erfolgsfaktor in der Lebensmittelbranche“ beleuchteten wir Beiträge von Menschen mit Migrationsgeschichte, diskutierten Chancengleichheit und kulturelle Sensibilität und zeigten, wie Vielfalt gelebt wird und Mehrwert schafft. Die Herausforderungen, vor denen wir in der Lebensmittelwirtschaft stehen, sind durchaus komplex: Klimawandel und Ressourcenschutz erfordern neue Wege in Produktion, Logistik und Verpackung. Der Wunsch nach gezielter Ernährung – sei es vegetarisch, proteinreich, bio oder funktional – wächst. Digitalisierung und Künstliche Intelligenz eröffnen neue Möglichkeiten, beispielweise mit Blick auf Lieferketten, Rückverfolgbarkeit und der Vermeidung von Lebensmittelverlusten. Verbraucherinnen und Verbraucher erwarten Transparenz, verlässliche Qualität, klare Informationen. Zugleich wünschen sie Vielfalt, Inspiration und genussvolle Erfahrungen. Diesen hohen Anspruch erfüllen wir. Wir setzen in Produktion, Entwicklung und Kommunikation auf qualitativ hochwertige Zutaten, klimafreundliche Verfahren, ressourcenschonende Verpackungen und kultursensible Ansätze. Als Lebensmittelverband Deutschland verstehen wir uns als Brücke: Zwischen Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Gesellschaft. Wir bieten Orientierung durch fundiertes Wissen, begleiten Trends faktenbasiert und fördern den Dialog über die Ernährung von morgen.