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6. Feb 2020

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Business

Tankstelle im Wandel

Journalist: Christiane Meyer-Spittler

Tankstellen bieten heute schon weit mehr als nur den Verkauf von Treibstoff. Doch genügt ihr Angebot auch für die Zukunft?

Herr Wilhelm, welche Veränderungen, bzw. Herausforderungen, kommen auf die heutigen Tankstellen zu?

Die Tankstellen sind schon heute in einem neuen Mobilitätszeitalter. Der Verbrennungsmotor, der auch der Motor der Tankstellen ist, der Frequenzbringer, ist politisch unter großem Druck. Eine fast gänzlich ideologisiert zu nennende einseitige Versteifung auf E-Mobilität versperrt die Sicht auf sinnvolle Alternativen, die es erlauben, dass die Tankstelle bzw. die Tankstelleninfrastruktur am Leben bleibt. Somit ist eine große Verunsicherung gegeben. Wie soll ein junger Tankstellenbetreiber über seine Zukunft denken? Wer geht noch optimistisch an den Start? Auf der anderen Seite kann nicht erklärt werden, wie aus über 45 Millionen Verbrenner-PKW in Deutschland zig Millionen E-Autos gemacht werden sollen. Und das noch am Kunden vorbei, der trotz Subventionen nicht auf den E-Zug springt. Was immer wieder in den Raum gestellt werden muss: Ca. 14.000 Tankstellen versorgen heute in Stadt und Land den privaten und wirtschaftlichen Verkehr in Deutschland – an 365 Tagen, teilweise 24 Stunden am Tag. Die „Energiewende“ hat das nicht auf dem Schirm. Deutschland weiß immer nur, was es nicht will: Atom, Kohle, Gas, Verbrennungsmotoren. Wie der Ersatz vernünftig aussieht, sagt niemand.

 

Dr. jur. Jochen Wilhelm, Geschäftsführer des tiv Tankstellen-Interessenverbandes e. V., Foto: Presse

Wie muss sich die Tankstelle zukünftig verändern, um diesen gerecht zu werden?
Welche Ansprüche stellt der Kunde von morgen?

In diesem unsicheren Raum muss die Tankstelle – als Überlebensstrategie – sehen, wie sie weiter Frequenzstandort sein kann, um über ihre Fläche ein breites Portfolio an Waren und Dienstleistungen abzusetzen. Im ländlichen Raum ist sie heute bereits teilweise der letztverbliebene Nahversorger, die letzte Kommunikationsdrehscheibe – mit Shop, Gastro und täglichem Bedarf. Für die Tankstelle der Zukunft gibt es am Reißbrett einige Szenarien. Einmal als Logistik-Hub, einmal als Wellness-Oase mit Clubcharakter. Oder auch als vollautomatisierter Roboterstation. Dabei dreht sich natürlich sehr viel um die Frage, wie der Kunde von morgen aussieht. Selbst wenn das heutige Wohlstandsniveau gehalten werden soll, was, angesichts der politischen Turbulenzen, ganz und gar nicht so sicher ist, wird der Tankstellenkunde wenig Zeit haben, er wird viel auf einmal erledigen wollen. Er will dann bestimmt „Umwelt“ und „Bio“ und „Digital“ sein. Es wird auch darauf ankommen, was die Automobilindustrie als bislang fundamentaler Tankstellenzulieferer zukünftig für „Lifestyle“-Angebote gerade für jüngere Fahrer macht. Auf all das wird „Tankstelle“ antworten müssen, wenn sie eine Zukunft haben will.

Heißt es dann noch “Tankstelle“? 

Deutschland hat mit der Stadtapotheke in Wiesloch/Nordbaden 1888 und mit dem Benz-Motorwagen 1886, der dort „tankte“, weltweit die älteste Tankstelle und das älteste Auto. Die Automobilindustrie und ihre Zulieferer sind das wirtschaftliche Rückgrat der Bundesrepublik. Das ist – ob man will oder nicht – unsere wirtschaftliche und mobile DNA. Davon hängt weiterhin viel ab. Es wird jetzt gerade auch darauf ankommen, wie dieses traditionelle Tandem sich weiterhin befruchtet. An „Tankstellen“ kann im übertragenen Sinn viel „getankt“ werden. Auch im „Retrodesign“. Die Tankstelle muss weiterhin ein Frequenzstandort sein. Und „Tankstelle“ wird es wohl weiter heißen; denn schon heute ist ja von Strom-Zapfsäulen und von Strom-Tankstellen die Rede.

Werden sich Tankstellen von Stadt zu Land unterscheiden?

Auch hier wieder politisch: Deutschland muss grundsätzlich aufpassen, dass es nicht in eine noch größere Spaltung zwischen Stadt und Land abdriftet. Die Leute auf dem Land wollen sich von einer städtischen Elite nicht vorschreiben lassen, was sie fahren und essen sollen. Die Mobilität im ländlichen Raum ist ein Politikum. Die Tankstelle ist hierbei ein Kristallisationspunkt. Selbstredend spielen städtische und ländliche Gepflogenheiten auch an Tankstellen eine Rolle. So wird Sushi eher in Düsseldorf als in Schwarzheide gegessen, auch wenn beider Orts Diesel getankt wird. Für die Tankstelle im ländlichen Raum wird und muss es eigene Konzepte geben.

27. Jun 2025

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Wirtschaft

Nachhaltig, transparent und partnerschaftlich – Im Interview mit Barbara Frenkel, Vorstandsmitglied Porsche AG

**Warum bekommt die Beschaffung oft so wenig Aufmerksamkeit – obwohl so viel von ihr abhängt?** Weil Beschaffung meist im Hintergrund läuft – und erst dann in den Blickpunkt rückt, wenn etwas fehlt. Das kennt jeder aus dem Alltag: Fehlt beim Kochen eine Zutat oder beim Möbelaufbau eine Schraube, steht meist alles still. Im industriellen Maßstab kann das bedeuten: keine Teile, kein Auto. Unsere Lieferketten sind heute hochgradig komplex, global und auf Effizienz ausgelegt. Fällt ein einziges Teil aus, sei es durch eine Naturkatastrophe, einen Cyberangriff oder geopolitische Spannungen, kann dies die Produktion gefährden. Deshalb denken wir bei Porsche Beschaffung heute anders: vorausschauender, vernetzter und deutlich resilienter. **Welche Strategie verfolgen Sie, um Lieferketten auch in Krisenzeiten stabil und widerstandsfähig zu halten?** Entscheidend ist die Transparenz in der gesamten Lieferkette – also über unsere direkten Lieferanten hinaus. Uns interessiert: Wer sind die Partner dahinter? Wo haben sie ihre Standorte und welchen Risiken sind sie ausgesetzt? Dabei simulieren wir beispielsweise Wetterereignisse oder Cyberattacken. Wir bewerten globale Rohstoffverfügbarkeiten und identifizieren Single-Source-Situationen. Über allem steht die Frage: Wo könnte ein möglicher Ausfall besonders kritisch für uns sein? **Und welche konkreten Maßnahmen ergreifen Sie, um Risiken zu minimieren?** Hier braucht es ein ganzes Maßnahmenbündel. Als vergleichsweise kleiner Hersteller können wir nicht überall auf eine Zwei-Lieferanten-Strategie setzen. Stattdessen überlegen wir uns etwa, wo wir bei kritischen Materialien gezielt Lagerbestände in Werksnähe aufbauen. Oder wir beauftragen zusätzliche Werkzeugsätze, die bei Bedarf schnell aktiviert werden können. **Wie wählen Sie Lieferanten aus, welche Kriterien sind dabei besonders wichtig?** Die Auswahl unserer Lieferanten ist immer Teamwork. Beschaffung, Entwicklung und Produktion arbeiten eng zusammen. Häufig entwickeln wir die Lösungen gemeinsam mit unseren Lieferanten. Hierbei spielt die technische Bewertung in enger Abstimmung mit unserer Entwicklung eine wichtige Rolle. Die Produktion wiederum achtet sehr stark auf die Logistik. Jeder potenzielle Partner durchläuft ein umfassendes Auditverfahren. Dabei geht es um Qualitäts- und Machbarkeitsaudits. Aber auch um eine umfassende Risikoanalyse. Ein fester Bestandteil bei der Auswahl sind zudem Kriterien bei der Nachhaltigkeit. Also rechtliche, ethische und ökologische Standards. >Viele unserer Fahrzeuge sind stark individualisiert – das erfordert flexible, anpassungsfähige Partner. Viele Mittelständler aus Deutschland bieten genau diese Qualität. **Wie wichtig ist Ihnen die Einbindung mittelständischer Lieferanten in Ihrer Lieferkette?** Viele unserer Fahrzeuge sind stark individualisiert – das erfordert flexible, anpassungsfähige Partner. Viele Mittelständler aus Deutschland bieten genau diese Qualität. Vor allem, wenn sie sich in unmittelbarer Werksnähe befinden. Vorteile sind kurze Wege und schnelle Reaktionszeiten. Als in Deutschland verwurzeltes Unternehmen ist uns zudem daran gelegen, die heimische und europäische Lieferkette zu stärken. **Sie haben die Nachhaltigkeit bereits angesprochen. Nochmals konkret: Wie integrieren Sie diese Kriterien in den Beschaffungsprozess?** Wie gesagt, wir denken hier ganzheitlich und in drei Dimensionen: ökologisch, sozial und ethisch. Im ökologischen Bereich legen wir besonderen Wert auf den CO₂-Fußabdruck in der Lieferkette. Hier entscheiden der Energiemix, die verwendeten Rohstoffe und der Anteil an recyceltem Material. Auch der Wasserverbrauch wird immer wichtiger. Soziale und ethische Aspekte sind ebenfalls von Bedeutung. Wir erwarten, dass internationale Arbeitsstandards eingehalten und faire Löhne gezahlt werden. **Wie haben Sie Einkaufprozesse bzw. das Lieferantenmanagement erfolgreich verbessert?** Rund 80 Prozent der Wertschöpfung entsteht bei uns in der Lieferkette. Entsprechend hoch ist die Bedeutung eines effizienten und partnerschaftlich ausgerichteten Lieferantenmanagements. Deshalb setzen wir bewusst früh an: Bereits in der Entwicklungsphase binden wir Lieferanten eng in unsere Prozesse ein. Gemeinsam können wir Kosten optimieren, die Umsetzung garantieren und verlässliche Qualität reproduzieren. Über diesen engen Austausch entstehen belastbare Partnerschaften – von Anfang an. **Wie reagieren Sie auf regionale Marktanforderungen?** Angesichts fragmentierter Märkte gewinnt die regionale Verankerung an Bedeu-tung. In China arbeiten wir beispielsweise gezielt mit starken lokalen Partnern zusammen. Mit dem Ziel, marktgerechte Lösungen zu entwickeln – etwa beim Infotainment. Auch regulatorische Anforderungen erfordern spezifische Lösungen, das Aufspüren innovativer Technologien und innovativer Partner. Immer mehr handelt es sich dabei auch um Start-ups aus branchenfremden Bereichen, etwa beim autonomen Fahren, der Konnektivität oder Software. >Bereits in der Entwicklungsphase binden wir Lieferanten eng in unsere Prozesse ein. Gemeinsam können wir Kosten optimieren, die Umsetzung garantieren und verlässliche Qualität reproduzieren. ## Infos zur Person Barbara Frenkel: Als Kind wollte sie Astronautin werden. Heute leitet Barbara Frenkel das Vorstandsressort Beschaffung der Porsche AG. Frenkel war die erste Frau im Vorstand des Sportwagenherstellers. Sie blickt auf eine mehr als 20-jährige Managementkarriere bei Porsche zurück. Zuvor war sie bei verschiedenen Automobilzulieferern tätig. Barbara Frenkel (62) scheidet zum 19. August 2025 auf eigenen Wunsch aus dem Porsche-Vorstand aus und übergibt ihre Verantwortung an Joachim Schar-nagl (49), der ihre Nachfolge antritt. Privat genießt sie Ausfahrten mit ihrem Oldtimer, einem 911 G-Modell. Sie ist begeisterte Taucherin und unternimmt gerne Ausflüge mit ihrem Hund in die Natur.