25. Feb 2019
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Gesundheit
Journalist: Katja Deutsch
Frank Weber registriert einen zunehmend verantwortungslosen Umgang mit Tieren. Doch Tiere sind keine Sachen – sie sind Lebewesen!
Vor der Türe steht eine aufgebrachte Frau mit Katzenkorb. „Dieser Kater pinkelt ständig in die Wohnung – können wir den bei Ihnen abgeben?“ Frank Weber, Deutschlands bekanntester Tierfreund und Tierheimleiter des Franziskus-Tierheims in Hamburg überlegt kurz, ob die Kapazitäten in seinem Hause noch ausreichen, um einen weiteren Kater aufzunehmen. Denn gestern war auch schon eine Frau hier. Und vorgestern zwei Männer. Alle mit ihren Katzen, die jeweils übelriechende Hinterlassenschaften in der ganzen Wohnung verteilt hatten. Der Tierexperte sieht sich den grau getigerten Kater an und ahnt sofort zweierlei: Das schöne Tier wurde allein gehalten und hatte keinerlei Freigang. „Stimmt’s?“ Die Dame mit dem Katzenkorb nickt überrascht.
„Das geschilderte Verhalten ist eine typische Protestaktion einer entsetzlich gelangweilten Katze“, sagt Frank Weber. Katzen sollten entweder die Möglichkeit haben, nach draußen zu können (was in einer Wohnung in Innenstadtlage sehr schwierig zu handhaben ist) oder zu zweit gehalten werden. So können sie gemeinsam toben und miteinander spielen. Denn auch wenn Katzen wesentlich weniger Zeit mit einem Menschen benötigen als Hunde, ist die Annahme, dieses „Einzelgängertier“ könne doch problemlos den ganzen Tag mutterseelenallein sein, falsch. Denn ein Tier, das jeden Tag neun oder zehn Stunden lang ohne Sozialpartner ist, leidet. „Die meisten dieser vereinsamten Katzen, die hier bei mir landen, verhalten sich im Tierheim völlig unauffällig, sprich reinlich“, erläutert der Tierfreund. „Die Unsauberkeit ist eine Protesthandlung, so zeigen Katzen, dass ihnen etwas fehlt. Wenn wir die Tiere in ein passendes Zuhause weitervermitteln, machen sie in der Regel keine Probleme mehr.“
Frank Weber hat seine große Liebe zu allem, was vier Beine hat oder kreucht und fleucht zu seinem Beruf gemacht. Nach einer Anstellung auf Gut Aiderbichl in Österreich bewarb er sich auf die Stelle als Tierheimleiter im BMT (Bund gegen Missbrauch der Tiere)-Tierheim in Hamburg und nach einem Praktikum im Mau-Wau-Tierheim in Kassel bekam er die Stelle. Das war vor 15 Jahren, seitdem leitet er „sein“ Tierheim in der Nähe des Hamburger Tierparks Hagenbeck und ist seit einigen Jahren zweiter Vorsitzender des Gesamtvereins. Staatliche oder städtische Zuwendungen erhält er nicht, das Tierheim, das zum Bund gegen Missbrauch der Tiere e. V. gehört, finanziert sich ausschließlich über Spenden. Da nur fünf Prozent des Budgets in die Verwaltung fließen, kommen im Gegenzug 95 Prozent der Spenden direkt den Tieren zugute.
Trotzdem hat das Haus nicht unendliche Aufnahmekapazitäten, vor allem für große und schwierige Hunde findet man in der Großstadt nur schwer Adoptanten. Gleichzeitig entstehen durch Tiere, die lange im Tierheim verbleiben, hohe Kosten, für einen Hund muss das Tierheim mit rund 400 Euro pro Monat rechnen. „Normalerweise werden alle unsere Hunde und Katzen weitervermittelt“, erzählt Frank Weber, der durch seine Sendung „hundkatzemaus“ (VOX) mittlerweile einem breiten Publikum bekannt geworden ist. „Ein unkompliziertes und freundliches Tier sitzt bei uns hier gerade mal zwei Wochen. Bei Tieren mit Verhaltensproblemen dauert es wesentlich länger, manchmal dauert es Jahre, bis wir das geeignete Zuhause finden. Doch das Schöne ist: Jeder Topf findet irgendwann seinen Deckel.“
Der florierende Internethandel verstärke das Problem, nicht nur auf tierwelt.de, auch auf eBay boome der Handel mit Lebewesen, die den Besitzern dann doch zu anstrengend seien. Die Tiere werden im Internet gekauft und dort auch wieder verkauft. Finden sich aufgrund unterschiedlicher „Handicaps“ keine Käufer, landen sie im Tierheim. So werden die Tierheime immer öfter zur Endstation für Tiere, die weder für Rentner noch für Familien infrage kommen.
Doch wer sich dazu entscheidet, ein Tier zu kaufen, übernimmt die Verantwortung für dessen Leben. „Ein Tier ist keine Sache, es ist ein Lebewesen! Es ist nichts, was ich benutze und danach wegwerfe. Das Tier ist auf mich angewiesen, es kann leiden, es hat Gefühle und kann träumen. Und ja – es hat eine Seele! Denn Tiere geben Menschen so viel, besonders in unserer stressdominierten Zeit. Sie schenken uns Empathie und die Möglichkeit, zu sich selbst zu finden.“
Eltern sollten sich deshalb bewusst sein, dass sie die Verantwortung für ein Tier niemals auf ihr Kind abschieben können. Ein kleines Kind ist dazu schlichtweg nicht imstande, ein großes kommt in die Pubertät und verliert das Interesse. Dazu wird oft vergessen, dass Hunde auch nachts und bei Regenwetter raus müssen, dass sie krank werden können, dass sie neben viel Futter auch Impfungen benötigen und dass Hundesteuern anfallen. Deshalb überlässt der Leiter des Hamburger Franziskustierheims interessierten Tierhaltern erst nach mehrmaligen Besuchen eins seiner aufgenommenen Tiere, lässt sie Zeit mit dem Tier der Wahl verbringen und spricht mit den potenziellen Abnehmern.
„Wenn ich abends vor meinen Aquarien sitze und meine fünf Hunde streichle, gibt mir das sehr, sehr viel. In glänzende Hundeaugen zu blicken, erzeugt so eine große Nähe.“ Wer sich mit Tieren beschäftigt, stößt Glücks- und Bindungshormone aus. Denn wie kann man besser entspannen als beim Streicheln eines seidenweichen Fells?
Geschätzt über 13 Millionen Katzen und sechs bis acht Millionen Hunde leben hierzulande bei „ihrem Menschen“, begrüßen ihn begeistert, wenn er nach Hause kommt, möchten spielen und kuscheln. Sie haben einen Charakter und Gefühle. Und sie möchten bei ihrem Menschen bleiben und gut behandelt werden und nicht einfach aussortiert werden wie eine zu enge Jeans.