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10. Okt 2023

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Business

Unternehmen müssen damit beginnen, vertrauenswürdige Cyberresilienz zu etablieren

Journalist: Katja Deutsch

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Foto: Pixabay/pexels

Die Digitalisierung der Welt schreitet in Riesenschritten voran. Mehr denn je müssen wir daher Angriffe auf unsere IT nicht nur bestmöglich verhindern, sondern die, die erfolgreich sind, auch frühzeitig erkennen, um darauf reagieren zu können. Alle dafür erforderlichen Maßnahmen dürfen ihrerseits nicht von Angriffen unterwandert werden können. Die Etablierung einer solchen „vertrauenswürdigen Cyberresilienz“ geht deshalb deutlich über den Zero-Trust-Ansatz hinaus.

 

Prof. Dr. Claudia Eckert, geschäftsführende Leiterin des Fraunhofer-Instituts für Angewandte und Integrierte Sicherheit AISEC in Garching b. München spricht im Interview über die Notwendigkeit von vertrauenswürdiger Cyberresilienz.

Unternehmen müssen damit beginnen, vertrauenswürdige Cyberresilienz zu etablieren

Was versteht man genau unter vertrauenswürdiger Cyberresilienz?

Vertrauenswürdige Cyberresilienz heißt, dass ein System trotz eines Angriffes widerstandsfähig bleibt, seine Funktionalität behält und schnell wieder funktionsfähig wird. Die dafür notwendigen Maßnahmen müssen bereits vorab sicher in die Systeme integriert sein, so dass man den Maßnahmen vertraut, z. B. dem Einspielen eines Backups oder der Segmentierung von Unternehmensbereichen.  

 

Wie kann man als Unternehmen tatsächlich resilient gegen Hacker-Angriffe werden?

Jahrelang hat man versucht, nur auf Abwehr zu setzen und dafür die Mauer gegen Eindringlinge immer höher zu bauen. Doch Angriffstechniken entwickeln sich rasant weiter. So werden ständig neue Angriffe konzipiert oder die vermeintlich geschützten Systeme werden geändert und damit verwundbar.  Fehlendes Sicherheitsbewusstsein von Mitarbeitenden ist ein weiteres Problem. Deshalb muss die Kontrolle immer wieder an mehreren Stellen und wiederholt auch ‚in der Tiefe‘ des Systems stattfinden („Zero-Trust-Paradigma“).

 

Woran kann ich erkennen, dass ich es (selbst per Videotelefonie) mit einem Bot zu tun habe?

Man kann versuchen, diese „Deepfakes“ mit ihren eigenen Waffen zu schlagen, also KI gegen KI einsetzen.

Das funktioniert jedoch alles in der Praxis noch nicht zuverlässig. Im Trainingsumfeld mit sehr guten Rahmenbedingungen lässt sich eine KI jedoch gut darauf trainieren, auf entsprechende Merkmale von Deepfakes zu achten. Auf der Webseite des Fraunhofer AISEC „DeepFake Total (https://deepfake-total.com/)“ kann man Videoschnipsel und Audioclips von einer KI auf Echtheit analysieren lassen.

 

Bietet die KI gleichzeitig auch neue Chancen der Abwehr?

Generell kann generative KI auch Chancen bieten, die Sicherheit zu erhöhen, wenn man sie so einsetzt, dass sie keine Entscheidungen trifft, sondern als eine Assistenz für den Nutzenden verwendet wird.

KI könnte hier kleineren Unternehmen Hilfestellung leisten, denn diese haben nicht das Fachpersonal, um ihre eigene IT-Architektur cyberresilient zu konfigurieren und viele tausend Regularien einzuhalten.

Wichtig zur Qualitätssicherung der Datenlage und auch für die Prüfung der von den KI-Systemen empfohlenen Handlungen ist ein sehr intensiver Anlernprozess.

 

Welche Zusammenarbeit kann man mit Behörden (und anderen Organisationen) eingehen, um sich und sein Unternehmen gut zu schützen?

Das Bundesamt für Sicherheit und Informationstechnik (BSI) ist hier ein guter Ansprechpartner, der Netzwerke koordiniert und die Cybersicherheitsallianz gegründet hat. Neutrale Organisationen, die keine Produkte vermarkten, sondern neutral beraten, können helfen, Sicherheitsauflagen individuell, angemessen und auditierbar umzusetzen. Das Fraunhofer AISEC ist eine solche Organisation. Beispielsweise führen wir automatisierte Risikoanalysen durch, entwickeln dann Konzepte, um die Risiken zu minimieren und begleiten bei deren Umsetzung.

 

Warum ist angewandte Cybersicherheitsforschung so wichtig? Wie profitieren Unternehmen konkret?

Als angewandte Forschende müssen wir uns ständig auf neue Entwicklungen vorbereiten, wie z. B. generative KI, Quantencomputing oder vertrauenswürdige Cyberresilienz: Dabei haben wir immer die Bedürfnisse der Unternehmen und den Transfer unserer Ergebnisse in die Wirtschaft vor Augen. Unser Ziel ist es, zu unterstützen, um die Sicherheit in Unternehmen und der öffentlichen Verwaltung zu erhöhen. Wir fragen uns, welche neuen Abwehrmaßnahmen müssen wir entwickeln, um resilienter zu werden? Wie stelle ich deren Vertrauenswürdigkeit auch über lange Systemlebenszeiten sicher?

 

Was wird die Cyber Security im nächsten Jahr beschäftigen?

Wohin entwickelt sich die generative KI? Und gleichzeitig: Wie gehen wir damit um, dass voraussichtlich ab den 2030er Jahren Quantencomputer einer solchen Qualität existieren werden, dass sämtliche unserer heutigen Verschlüsselungsmaßnahmen, nutzlos werden? Wir müssen jetzt damit beginnen, Verschlüsselungsverfahren zu entwickeln und in unsere IT-Systeme und Produkte zu verbauen, die auch dann stark genug sind, wenn es Quantencomputer gibt. Auch Falschmeldungen und Lügen werden noch häufiger und schneller in Form von Cyberangriffen Verbreitung finden.

27. Jun 2025

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Wirtschaft

Nachhaltig, transparent und partnerschaftlich – Im Interview mit Barbara Frenkel, Vorstandsmitglied Porsche AG

**Warum bekommt die Beschaffung oft so wenig Aufmerksamkeit – obwohl so viel von ihr abhängt?** Weil Beschaffung meist im Hintergrund läuft – und erst dann in den Blickpunkt rückt, wenn etwas fehlt. Das kennt jeder aus dem Alltag: Fehlt beim Kochen eine Zutat oder beim Möbelaufbau eine Schraube, steht meist alles still. Im industriellen Maßstab kann das bedeuten: keine Teile, kein Auto. Unsere Lieferketten sind heute hochgradig komplex, global und auf Effizienz ausgelegt. Fällt ein einziges Teil aus, sei es durch eine Naturkatastrophe, einen Cyberangriff oder geopolitische Spannungen, kann dies die Produktion gefährden. Deshalb denken wir bei Porsche Beschaffung heute anders: vorausschauender, vernetzter und deutlich resilienter. **Welche Strategie verfolgen Sie, um Lieferketten auch in Krisenzeiten stabil und widerstandsfähig zu halten?** Entscheidend ist die Transparenz in der gesamten Lieferkette – also über unsere direkten Lieferanten hinaus. Uns interessiert: Wer sind die Partner dahinter? Wo haben sie ihre Standorte und welchen Risiken sind sie ausgesetzt? Dabei simulieren wir beispielsweise Wetterereignisse oder Cyberattacken. Wir bewerten globale Rohstoffverfügbarkeiten und identifizieren Single-Source-Situationen. Über allem steht die Frage: Wo könnte ein möglicher Ausfall besonders kritisch für uns sein? **Und welche konkreten Maßnahmen ergreifen Sie, um Risiken zu minimieren?** Hier braucht es ein ganzes Maßnahmenbündel. Als vergleichsweise kleiner Hersteller können wir nicht überall auf eine Zwei-Lieferanten-Strategie setzen. Stattdessen überlegen wir uns etwa, wo wir bei kritischen Materialien gezielt Lagerbestände in Werksnähe aufbauen. Oder wir beauftragen zusätzliche Werkzeugsätze, die bei Bedarf schnell aktiviert werden können. **Wie wählen Sie Lieferanten aus, welche Kriterien sind dabei besonders wichtig?** Die Auswahl unserer Lieferanten ist immer Teamwork. Beschaffung, Entwicklung und Produktion arbeiten eng zusammen. Häufig entwickeln wir die Lösungen gemeinsam mit unseren Lieferanten. Hierbei spielt die technische Bewertung in enger Abstimmung mit unserer Entwicklung eine wichtige Rolle. Die Produktion wiederum achtet sehr stark auf die Logistik. Jeder potenzielle Partner durchläuft ein umfassendes Auditverfahren. Dabei geht es um Qualitäts- und Machbarkeitsaudits. Aber auch um eine umfassende Risikoanalyse. Ein fester Bestandteil bei der Auswahl sind zudem Kriterien bei der Nachhaltigkeit. Also rechtliche, ethische und ökologische Standards. >Viele unserer Fahrzeuge sind stark individualisiert – das erfordert flexible, anpassungsfähige Partner. Viele Mittelständler aus Deutschland bieten genau diese Qualität. **Wie wichtig ist Ihnen die Einbindung mittelständischer Lieferanten in Ihrer Lieferkette?** Viele unserer Fahrzeuge sind stark individualisiert – das erfordert flexible, anpassungsfähige Partner. Viele Mittelständler aus Deutschland bieten genau diese Qualität. Vor allem, wenn sie sich in unmittelbarer Werksnähe befinden. Vorteile sind kurze Wege und schnelle Reaktionszeiten. Als in Deutschland verwurzeltes Unternehmen ist uns zudem daran gelegen, die heimische und europäische Lieferkette zu stärken. **Sie haben die Nachhaltigkeit bereits angesprochen. Nochmals konkret: Wie integrieren Sie diese Kriterien in den Beschaffungsprozess?** Wie gesagt, wir denken hier ganzheitlich und in drei Dimensionen: ökologisch, sozial und ethisch. Im ökologischen Bereich legen wir besonderen Wert auf den CO₂-Fußabdruck in der Lieferkette. Hier entscheiden der Energiemix, die verwendeten Rohstoffe und der Anteil an recyceltem Material. Auch der Wasserverbrauch wird immer wichtiger. Soziale und ethische Aspekte sind ebenfalls von Bedeutung. Wir erwarten, dass internationale Arbeitsstandards eingehalten und faire Löhne gezahlt werden. **Wie haben Sie Einkaufprozesse bzw. das Lieferantenmanagement erfolgreich verbessert?** Rund 80 Prozent der Wertschöpfung entsteht bei uns in der Lieferkette. Entsprechend hoch ist die Bedeutung eines effizienten und partnerschaftlich ausgerichteten Lieferantenmanagements. Deshalb setzen wir bewusst früh an: Bereits in der Entwicklungsphase binden wir Lieferanten eng in unsere Prozesse ein. Gemeinsam können wir Kosten optimieren, die Umsetzung garantieren und verlässliche Qualität reproduzieren. Über diesen engen Austausch entstehen belastbare Partnerschaften – von Anfang an. **Wie reagieren Sie auf regionale Marktanforderungen?** Angesichts fragmentierter Märkte gewinnt die regionale Verankerung an Bedeu-tung. In China arbeiten wir beispielsweise gezielt mit starken lokalen Partnern zusammen. Mit dem Ziel, marktgerechte Lösungen zu entwickeln – etwa beim Infotainment. Auch regulatorische Anforderungen erfordern spezifische Lösungen, das Aufspüren innovativer Technologien und innovativer Partner. Immer mehr handelt es sich dabei auch um Start-ups aus branchenfremden Bereichen, etwa beim autonomen Fahren, der Konnektivität oder Software. >Bereits in der Entwicklungsphase binden wir Lieferanten eng in unsere Prozesse ein. Gemeinsam können wir Kosten optimieren, die Umsetzung garantieren und verlässliche Qualität reproduzieren. ## Infos zur Person Barbara Frenkel: Als Kind wollte sie Astronautin werden. Heute leitet Barbara Frenkel das Vorstandsressort Beschaffung der Porsche AG. Frenkel war die erste Frau im Vorstand des Sportwagenherstellers. Sie blickt auf eine mehr als 20-jährige Managementkarriere bei Porsche zurück. Zuvor war sie bei verschiedenen Automobilzulieferern tätig. Barbara Frenkel (62) scheidet zum 19. August 2025 auf eigenen Wunsch aus dem Porsche-Vorstand aus und übergibt ihre Verantwortung an Joachim Schar-nagl (49), der ihre Nachfolge antritt. Privat genießt sie Ausfahrten mit ihrem Oldtimer, einem 911 G-Modell. Sie ist begeisterte Taucherin und unternimmt gerne Ausflüge mit ihrem Hund in die Natur.