Diesen Artikel teilen:

19. Jun 2024

|

Wirtschaft

Vom Abfallprodukt zum Nutzprodukt

Journalist: Thomas Soltau

Wärme spielt eine bedeutende Rolle im Gesamtenergieverbrauch. Sie entsteht häufig als Nebenprodukt bei technischen Anlagen, wird aber oft ungenutzt abgeführt. Dabei ist Abwärme eine wertvolle Energiequelle.

Die Welt muss sich zunehmend den Herausforderungen des Klimawandels und der Ressourcenknappheit stellen. Umso mehr gewinnt die Nutzung von Abwärme als eine nachhaltige Energiequelle immer mehr an Bedeutung. Abwärme, die als Nebenprodukt verschiedener industrieller Prozesse entsteht, birgt dabei ein beträchtliches Potenzial. Trotzdem wird sie noch zu selten zur direkten Nutzung verwendet. Wie viel Energie häufig ungenutzt bleibt, zeigt die herkömmliche Glühbirne: Sie gibt lediglich fünf Prozent ihrer Energie als Licht ab, während die restlichen 95 Prozent als Wärme verloren gehen. Ein unnötiger Verlust.

Nachhaltige Abwärme trägt nicht nur zur Verringerung der Umweltbelastung bei, sondern bietet auch wirtschaftliche Vorteile. Konkret wird das bei einem Projekt in Österreich. Abwärme aus dem größten Serverzentrum der Alpenrepublik nutzt man dort, um die Klinik Floridsdorf zu heizen. Diese Maßnahme soll bis zu 70 Prozent des Wärmebedarfs des Krankenhauses decken – und damit 4.000 Tonnen CO2-Emissionen jährlich einsparen. Die Anwendungsbereiche des Abfallproduktes sind vielfältig. Abwärme benutzt man auch zur Erwärmung von Brauchwasser sowie zur Erzeugung von Kälte und Strom. Das Leibniz-Rechenzentrum (LRZ) in Garching bei München ist ein gutes Beispiel dafür: Die Hochleistungsrechner heizen im Winter das Gebäude und die erzeugte Abwärme wird zusätzlich zur Kälteerzeugung verwendet, um die Rechner zu kühlen.

„Nur durch eine ganzheitliche technisch-ökonomische Betrachtung einer möglichst großen Zahl von Industrieprozessen kann eine ausreichende Daten- und Kenntnisbasis geschaffen werden. Mit diesem Wissen können gezielte Maßnahmen ergriffen werden, um Abwärme zukünftig effizient zu nutzen“, erklärt Dr. David Bach vom Fraunhofer IPM. Das ist auch nötig, um die Kreislaufwirtschaft anzukurbeln. Durch die Integration von Abwärmenutzung in industrielle Kreisläufe kann die Effizienz von Ressourcennutzung und Abfallmanagement deutlich erhöht werden. Wie eine erfolgreiche Implementierung von großer Abwärmenutzung aussehen kann, zeigt das dänische Fernwärmenetz. Nach Angaben der Danish Energy Agency bezieht es mehr als 50 Prozent seiner Wärme aus Abwärmequellen. Damit ist es eines der effizientesten und umweltfreundlichsten Heizsysteme der Welt.

Die Menge an industrieller Abwärme in Deutschland ist beträchtlich. Die Deutsche Energieagentur (Dena) sieht ein Potenzial zur Energieeinsparung durch die Nutzung dieser Abwärme von bis zu 450 Petajoule – das ist äquivalent zum Heizwert von 12 Milliarden Litern Öl. Letztlich bietet die Nutzung von Abwärme eine Vielzahl von Vorteilen – von der Reduzierung von Emissionen und Umweltbelastungen über wirtschaftliche Einsparungen bis hin zur Förderung einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft. Um diese Vorteile voll auszuschöpfen, ist es jedoch wichtig, dass Regierungen, Unternehmen und die Gesellschaft zusammen Maßnahmen ergreifen, um die Entwicklung und Umsetzung von Abwärmenutzungstechnologien zu fördern und zu unterstützen. Wie Winston Churchill einmal sagte: „Wir formen unsere Gebäude, danach formen sie uns.“ In einer Zeit, in der die Gestaltung nachhaltigerer Gebäude und Prozesse eine wachsende Priorität ist, kann die Abwärmenutzung einen bedeutenden Beitrag zu einer grüneren Zukunft leisten.

30. Jun 2025

|

Wirtschaft

Krise als Chance: Wie KI und strategisches Supply Chain Management Europas Rolle stärken können – Ein Beitrag von Dr. Lars Kleeberg, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands für Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e.V. (BME)

Globale Lieferketten stehen unter massivem Druck. Handelskonflikte, Protektionismus und geopolitische Krisen haben die Weltwirtschaft grundlegend verändert – mit direkten Auswirkungen auf Produktion, Versorgungssicherheit und Wettbewerbsfähigkeit. Seit Trumps Zoll-Eskalationen ist klar: Lieferketten sind keine stille Infrastruktur im Hintergrund mehr – sie sind kritische Erfolgsfaktoren für Unternehmen und Volkswirtschaften. Just-in-time ist out, just-in-case-Konzepte sind jetzt notwendig. Es ist höchste Zeit, dass Deutschland und Europa ihre Abhängigkeiten hinterfragen und ihre Versorgungssicherheit neu denken. Politik und Wirtschaft sind gleichermaßen gefordert, die Schlüsselrolle von Einkauf, Logistik und Supply Chain Management strategisch anzuerkennen und aktiv zu stärken. Gerade Deutschland als Exportnation ist in besonderem Maße auf stabile, resiliente Lieferketten angewiesen. Steigende regulatorische Anforderungen wie CSRD, CSDDD, EUDR oder REACH verschärfen den Druck auf die Unternehmen zusätzlich: Einkauf, Supply Chain Management und Logistik müssen heute ökologische, soziale und wirtschaftliche Ziele gleichzeitig erfüllen – ein Spagat, der die Komplexität erheblich erhöht und insbesondere den Mittelstand herausfordert. In diesem Spannungsfeld wächst die Bedeutung von Künstlicher Intelligenz. Mithilfe von KI können Supply Chain-Manager Transparenz entlang globaler Lieferketten herstellen, Risiken frühzeitig erkennen, Compliance-Anforderungen effizienter erfüllen und Prozesse automatisieren. Doch trotz des enormen Potenzials sind KI- Anwendungen heute oft noch Pilotprojekte – gehemmt durch mangelnde Integration, rechtliche Unsicherheiten und zögerliche Entscheidungen in der Unternehmensführung. Es braucht deshalb eine klare Haltung in den Vorstandsetagen: Der strategische Einsatz von KI muss Chefsache werden. Nur, wer Technologie gezielt integriert und daraus neue Fähigkeiten entwickelt, sichert sich langfristige Wettbewerbsvorteile. Gleichzeitig müssen die politischen Entscheidungsträger in Berlin und Brüssel an einem Strang ziehen. Angesichts geopolitischer Spannungen, zunehmenden Protektionismus und wirtschaftlicher Entkopplung muss die EU mit einer Stimme zentrale Handelsabkommen und strategische Partnerschaften vorantreiben. Die neue Bundesregierung muss zügig die wirtschaftliche Resilienz unserer Unternehmen durch ein neues Außenwirtschaftsgesetz stärken und die versprochene Expertenkommission zur Risikoanalyse globaler Abhängigkeiten einsetzen. Europa kann gestärkt aus dieser Krise hervorgehen, wenn es gelingt, strategische Rohstoffe zu sichern, Handelsbeziehungen auf Augenhöhe auszubauen und ein level playing field – insbesondere im Verhältnis zu China – durchzusetzen. Ein strategischer Wandel ist unumgänglich. Insbesondere für Deutschland und Europa gilt: Versorgungssicherheit, Innovationsfähigkeit und wirtschaftliche Souveränität sind untrennbar mit robusten Lieferketten verbunden. Supply Chain Management, Einkauf und Logistik sind längst keine operativen Randfunktionen mehr – sie sind zentrale Erfolgsfaktoren in einer zunehmend fragmentierten Weltwirtschaft. Die internationale Wettbewerbsfähigkeit Europas entscheidet sich nicht in der nächsten Krise – sie entscheidet sich jetzt. >Angesichts geopolitischer Spannungen, zunehmenden Protektionismus und wirtschaftlicher Entkopplung muss die EU mit einer Stimme zentrale Handelsabkommen und strategische Partnerschaften vorantreiben.

27. Jun 2025

|

Wirtschaft

Warum deutsche Gründlichkeit KI nicht killt, sondern krönt – mit Markus Willems, Geschäftsführer der wibocon GmbH

![Markus Willems-2025 Online.jpg](https://cwbucket.fra1.digitaloceanspaces.com/Markus_Willems_2025_Online_14a23ae24b.jpg) ``` Markus Willems, Geschäftsführer der wibocon GmbH ``` Die Integration von Künstlicher Intelligenz in die deutsche Wirtschaft erfordert einen strategischen Balanceakt. Unternehmen müssen robuste Dateninfrastrukturen schaffen, in Fachkräfte investieren und eine Innovationskultur etablieren, die KI als Werkzeug versteht, nicht als Bedrohung. Die Absicherung von KI-Modellen gegen Angriffe wie Model oder Data Poisoning verlangt einen ganzheitlichen Ansatz: kontinuierliches Monitoring, regelmäßige Audits und die Implementierung des „Security-by-Design”-Prinzips. Besonders wichtig ist die Nachvollziehbarkeit von KI-Systemen durch transparente Dokumentation der Trainingsverfahren und Datenquellen. „Trustworthy AI” bedeutet im Cybersicherheitskontext konkret: Robustheit gegen Manipulationen, Transparenz in Entscheidungsprozessen und nachvollziehbare Compliance-Mechanismen. Deutschland kann hier durch die Verbindung seiner traditionellen Stärken in Qualitätssicherung mit innovativen KI-Ansätzen Standards setzen – nicht durch übermäßige Regulierung, sondern durch praxisnahe Zertifizierungsverfahren und Best Practice-Richtlinien. Die Cybersicherheitsanforderungen werden zur Chance, wenn sie sich als Qualitätsmerkmal „Made in Germany” etablieren lassen. Deutsche Unternehmen können durch vertrauenswürdige KI-Lösungen internationale Wettbewerbsvorteile erzielen – vorausgesetzt, Sicherheitsanforderungen werden nicht als Innovationshemmer, sondern als Qualitätstreiber verstanden. Dabei lässt sich die technologische Abhängigkeit von Cloud-Anbietern durch hybride Ansätze reduzieren: Kritische Prozesse können in europäischen Cloud-Infrastrukturen verbleiben, während standardisierte Schnittstellen die Interoperabilität sicherstellen. Entscheidend ist stets die Entwicklung souveräner Kompetenzen für Datenverarbeitung und -analyse, ohne sich vom globalen Innovationsökosystem abzukoppeln. Letztlich wird erfolgreiche KI-Integration in Deutschland davon abhängen, ob es gelingt, Sicherheit nicht als Gegenpol zu Innovation zu begreifen, sondern als deren Fundament. >Deutsche Unternehmen können durch vertrauenswürdige KI-Lösungen internationale Wettbewerbsvorteile erzielen – vorausgesetzt, Sicherheitsanforderungen werden nicht als Innovationshemmer, sondern als Qualitätstreiber verstanden.