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3. Jul 2023

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Gesundheit

Weniger Schmerzen dank Orthesen

Journalist: Silja Ahlemeyer

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Foto: ThisIsEngineering/pexels, Andreas Wetzel

Orthesen führen oder entlasten Gelenke. Prof. Dr. Bernhard Greitemann sagt ihnen auch zukünftig eine wichtige Rolle voraus.

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Prof. Greitemann, Ärztlicher Direktor der Klinik Münsterland & Vorstandsmitglied der DGIHV

Prof. Greitemann, was sind die typischen Einsatzbereiche für Orthesen?
Orthesen sind wichtige Hilfsmittel bei bestehenden Fehlstellungen oder degenerativen Erkrankungen. Nach einem Bruch können sie für Entlastung sorgen. Zudem setzen wir sie oft ein, um Gelenke zu stabilisieren und diese bei Fehlstellungen richtig zu führen. Die flexiblen Modelle kommen hauptsächlich an den großen Gelenken zum Einsatz, wie dem Knie- oder dem Sprunggelenk. Orthesen kommen aber auch in der Schuhtechnik vor, etwa als die bekannten Schuheinlagen.

Wie können Orthesen einem schmerzbetroffenen Menschen helfen?
Lassen Sie mich als Beispiel die Knie-Arthrose aufzeigen. Wir Orthopäden sehen oft die sogenannte „O-Bein-Arthrose“. Dabei liegt ein verstärkter Verschleiß an der Innenseite des Knies vor. Durch die richtige Führung einer gutsitzenden Orthese können wir hier die wirkenden Kräfte am inneren Gelenksanteil des Knies um etwa 30 Prozent reduzieren – das vermindert die Schmerzen und verbessert so das Befinden des Patienten merklich. So kann auch eine Operation gegebenenfalls herausgezögert oder manchmal sogar vermieden werden. Komplett verhindern kann die Orthese eine Arthrose jedoch nicht, außer es liegt eine spezielle Fehlstellung vor. Das ist aber nicht die Regel.

Wenn Orthesen nicht richtig sitzen, kann es zu Druckstellen und Hautreizungen kommen. Wie kann der Patient den korrekten Sitz sicherstellen?
Ganz wichtig ist, dass der Orthopädietechniker im Sanitätshaus eine vernünftige Einführung macht und dem Patienten erklärt, wie er seine Orthese richtig trägt. Der Arzt sollte dann auch nochmal kontrollieren, ob sie korrekt sitzt. Wenn es zu sehr drückt, kann man zuerst einmal sicherstellen, dass die Seitenflächen vernünftig entgratet sind. Und dann gibt es noch einen anderen, einfachen Trick: Verspürt der Patient ein unangenehmes Drücken, wenn er die Orthese trägt, sollte er die schmerzende Körperstelle mit Lippenstift markieren. Dieser färbt sich auf die Orthese ab und zeigt so die Stelle an, die der Orthopädietechniker anpassen muss.

Kann man mit Orthesen Sport treiben?
Ja, das kann man. Kniebandagen oder Sprunggelenksbandagen und Sporteinlagen werden bei vielen Sportarten angewendet. Früher wurden Hartrahmenorthesen zur Prophylaxe von Kreuzbandrupturen bei Football oder Eishockey genutzt – mit allerdings nicht überzeugenden Ergebnissen, sodass das nur noch in Ausnahmefällen passiert. Wichtig ist, dass Mitspieler durch die Orthesen, die ja manchmal hart und kantig sind, nicht geschädigt werden können. Bei Instabilitäten des Sprunggelenks wird eine Orthese auch zur Sekundärprophylaxe eingesetzt. Das heißt, dass man ein wiederholtes Umknicken vermeiden will, speziell im Tennis oder Basketball ist das oft der Fall.

Welche Entwicklung sehen Sie in der Orthesenforschung in den nächsten fünf bis zehn Jahren?
Scantechnik wird ein großes Thema sein. Firmen werden mehr und mehr in den 3D-Druck gehen, das hat aktuell die Fachmesse OT World in Leipzig gezeigt. Zudem werden die Hilfsmittel insgesamt leichter und flexibler. Wir gehen weg von den Hartrahmen, die oft unangenehm zu tragen waren, hin zu flexiblen Hilfsmitteln, die auch gut zum Beispiel unter eine lange Hose passen und sich so durch eine bessere Passform auszeichnen. Auch die Themen Lähmungsorthesen und Funktionsersatz werden immer wichtiger. Bei einer Quadrizepslähmung im Oberschenkel beispielsweise können Orthesen heute schon helfen, das Gangbild des Patienten wesentlich zu verbessern.

„Orthesen kommen aber auch in der Schuhtechnik vor, etwa als die bekannten Schuheinlagen.“

Eine Orthese sollte vom Arzt verschrieben werden. Dann übernimmt die Krankenkasse in der Regel die Kosten. Je nach Fertigungsart, Material und Design liegen diese meist zwischen 10 und 2.000 Euro. Die Patienten-Zuzahlung beträgt normalerweise zehn Prozent der Kosten – mindestens fünf, maximal 10 Euro je Hilfsmittel.