31. Mär 2021
|
Gesellschaft
Journalist: Kirsten Schwieger
Warum Aus- und Weiterbildung sowie neue Denkstrukturen für die digitale Transformation so bedeutend sind.
Die Digitalisierung verändert Produktions- und Arbeitsprozesse, Kompetenzprofile und Karrieren. Neue Geschäftsmodelle, Berufsgruppen und Formen der Zusammenarbeit im (virtuellen) Team entstehen – und zwar in rasantem Tempo. Um mit neuen Anforderungen und veränderten Jobprofilen Schritt halten zu können, benötigen Beschäftigte nicht nur technologisches Know-how, sondern auch neue Kompetenzen. Ein aktuelles Strategiepapier des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln zum Qualifizierungsbedarf und den Anforderungen im Zeichen der Digitalisierung macht deutlich, dass Methoden- und Sozialkompetenzen immer wichtiger werden. Neben Planungs- und Organisationsfähigkeit beispielsweise auch die Eigenschaft, sich auf neue Situationen schnell einzustellen und benötigtes Wissen anzueignen – und zwar durch lebenslanges Lernen. Diese Skills müssen Unternehmen durch konsequente Aus- und Weiterbildung ihrer Mitarbeiter fördern, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Denn der ausschlaggebende Faktor der Digitalisierung ist nicht die Technologie, sondern der Mensch.
„Genau dort, am Menschen, genauer gesagt bei den Führungskräften, muss eine nachhaltige und professionelle Umsetzung der digitalen Transformation ansetzen“, betont Matthias Leimpek, Geschäftsführer und Inhaber der MLU Matthias Leimpek Unternehmensberatung. Und fügt hinzu: „Nur wenn das Denken in der Unternehmensführung aufgebrochen wird und neue Formen des Führens gefunden werden, lässt sich die Digitalisierung nachhaltig meistern. Und nur dann ist sie auch nachhaltig und mehr als nur ein Strohfeuer.“ Dabei auf externe Hilfe zurückzugreifen, stellt für viele mittelständische Unternehmen einen unschätzbaren Mehrwert dar. Denn für die Umstellung von Geschäfts- und Arbeitsprozessen müssen auch die Mitarbeiter erfolgreich ins Boot geholt werden. Ein schwieriger Change Prozess, den insbesondere viele Mittelständler unterschätzen. Aber nur wer seine Mitarbeiter in diesem Veränderungsprozess begleitet, ihnen ihre Ängste nimmt und glaubhaft versichern kann, dass sie in der neuen digitalen Welt noch gebraucht werden, wird dort auch erfolgreich ankommen.
Allerdings reicht es nicht, dass die Belegschaft mit an Bord ist, also zum Beispiel umfassend informiert ist, sie muss auch qualifiziert sein für die Arbeit der Zukunft. „Dafür braucht es zum einen klassische Weiterbildung, also Wissensvermittlung. Allerdings in digitalen Formaten und in kleinen, in den Arbeitsalltag eingebauten Sequenzen – hier mal ein Podcast, da mal eine Videolernstunde. Und zwar in immer kürzeren Intervallen, denn unser Wissen von gestern ist morgen schon überholt“, weiß Leimpek. Der Unternehmensberater ist zudem wissenschaftlicher Direktor der BCL Business Campus Lahn GmbH, die Competence Center und Prüfungszentrum der Allensbach Hochschule in Konstanz ist. Am BCL werden neben Zertifikatsstudiengängen wie dem „Information Security Management“ auch Weiterbildungen rund um das Thema Digitalisierung speziell für Berufstätige – beispielsweise digitale Coaches wie „Digital Business Coach“ – angeboten.
Diese digitalen Vordenker beschäftigen sich sowohl aus der Unternehmens- als auch aus der Mitarbeiterperspektive mit digitalen Prozessveränderungen. „Im Bereich der Bildung können wir als Unternehmensberatung im BCL genau das aufnehmen, was wir an Defiziten in Unternehmen feststellen“, beschreibt Leimpek die Synergien zwischen seinen beiden Wirkungsstätten und fügt hinzu: „Die digitalen Coaches müssen über einen riesigen Wissensfundus rund um die Mega-Trends der Digitalisierung, Social Media und Design Thinking verfügen. Im Dialog mit den Mitarbeitern befeuern sie deren Bereitschaft für kontinuierliches, lebenslanges Lernen und kontinuierliche Prozessanpassung.“
Doch reicht das, damit etwa eine Produktionsfachkraft nun entsprechende Roboter bedienen kann? „Nein, es braucht eine grundsätzliche Novellierung der Berufsausbildung. Die bestehenden Berufsbilder müssen dringend überarbeitet werden, und zwar um neue Jobs und neue Ausbildungsinhalte. Warum bilde ich einen Einzelhandelskaufmann nicht gleich zu einem Online-Kaufmann aus?“, fragt Leimpek und fügt hinzu: „Daneben muss die Qualifizierung der digitalen Coaches stehen, die eine neue Position in Unternehmen einnehmen.“ Schule und Berufsausbildung müssen also viel stärker darauf eingehen, was Unternehmen brauchen.
Der innovative Mittelstand ist zwar der Dreh und Angelpunkt der deutschen Wirtschaft, aber in Sachen Digitalisierung noch etwas träge. Laut aktuellem Digitalisierungsindex stieg sein Digitalisierungsgrad 2020 im Vergleich zum Vorjahr um zwei Punkte – auf nun 58 von 100 möglichen Punkten. Das liegt teilweise auch an fehlenden Rahmenbedingungen. Dennoch ist die Wirtschaft in Sachen Aus- und Weiterbildung laut Leimpek oftmals schon weiter als der Staat. „Mit vereinten Kräften müssen Mitarbeiter so qualifiziert werden, dass die digitale Transformation im Unternehmen gemeinsam gemeistert werden kann“, betont der Unternehmensberater und geht sogar noch einen Schritt weiter: „Der einzige Weg, dem deutschlandweiten Dilemma des Fachkräftemangels zu begegnen, ist Bildung. Und zwar eine Bildung, die immer mehr in die Unternehmen verlagert wird und weniger an Bildungsstätten stattfindet. Nicht lernen fürs Leben, sondern leben fürs Lernen.“