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3. Apr 2023

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Gesellschaft

Wir brauchen den Business Case for Circularity

Journalist: Dr. Claas Oehlmann / Veronique Möller

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Foto: Presse

Dr. Claas Oehlmann, Geschäftsführer BDI-Initiative Circular Economy

Ein menschlicher Kreislaufzusammenbruch wird durch eine kurzfristig, zu geringe Durchblutung des Gehirns hervorgerufen. Auslöser können Überanstrengung sowie externe physische oder emotionale Schocks sein. Eine Folge ist Kontrollverlust.

Unser globales Wertschöpfungssystem ist seit Jahren permanenten Schocks ausgesetzt. Die Covid-19-Pandemie hat stabile Lieferketten unterbrochen. Die Folgen des Klimawandels werden spürbarer. Die konfliktären internationalen Beziehungen bringen Leid für Menschen und schaffen Unsicherheiten im globalen Handel. Folgen sind steigende Preise für Energie, Rohstoffe und Produkte, Investitionsunsicherheit und Tendenzen zur Abschottung von Wirtschaftsräumen. 

Die europäischen Partner müssen global für ein neues Wertschöpfungsmodell eintreten, um positive Antworten auf diese Herausforderungen zu geben. Rohstoffe und Produkte sollten durch nachhaltige und kooperative Geschäftsmodelle so lange wie möglich in Kreisläufen gehalten werden. Wo immer möglich, sollten mittelfristig nicht erneuerbare durch erneuerbare Ressourcen ersetzt werden. Zudem muss die digitale Durchdringung unseres Wirtschaftens als Katalysator für Innovationen begriffen werden. Kurzum: Neue und strategisch wichtige Infrastrukturen für unter anderem Erneuerbare Energien und nachhaltige Mobilität sowie die Produktion klimaschonender Industrie- und Konsumgüter braucht mehr Zirkularität.

Laut dem Circular Economy Gap Report fiel die Rate der global verarbeiteten zirkulären Rohstoffe am Gesamtrohstoffeinsatz zuletzt jedoch von 9,1% (2019) auf 8,6% (2020) und 7,2% (2022). Der Trend dieses stark aggregierten Indikators zeigt damit aktuell in die falsche Richtung. Für eine Umkehr brauchen wir drei Bausteine: Erstens ein regulatorisches Umfeld, das mit einheitlichen Regeln Investitionen in zirkuläre Technologien, Infrastrukturen und Produkte anreizt. Zweitens die Bereitschaft aller Unternehmen, die Digitalisierung, Normung und Standardisierung für die zirkuläre Wertschöpfung zu nutzen. Drittens ein Umdenken bei Konsumenten und bei der Vergabe öffentlicher Aufträge hin zum Gebrauch von langlebigen, reparierbaren und recycelten bzw. recyclingfähigen Gütern. Denn nur wenn Unternehmen in die Lage versetzt werden, erfolgreiche zirkuläre Geschäftsmodelle am Markt zu etablieren, stabilisieren wir langfristig unseren Wirtschaftskreislauf und vermeiden den kurzfristigen Kontrollverlust.

27. Jun 2025

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Gesellschaft

Wahlfach Informatik: Zu wenig für Europas digitale Souveränität – mit Christine Regitz

![ChristineRegitz_c_MikeAuerbach_online.jpg](https://cwbucket.fra1.digitaloceanspaces.com/Christine_Regitz_c_Mike_Auerbach_online_d5622666e2.jpg) ```Christine Regitz ist Präsidentin der Gesellschaft für Informatik e. V. (GI)``` Inmitten einer Zeitenwende, in der wirtschaftliche Stärke zunehmend durch digitale Kompetenz definiert wird, ist informatische Bildung ein entscheidender Hebel für Souveränität und Wirtschaftswachstum. Deutschland braucht nicht nur mehr IT-Fachkräfte – es braucht insgesamt eine digital gebildete Gesellschaft. Denn ohne breite informatische Grundbildung wird die digitale Transformation zur Abhängigkeit statt zur Chance. Informatikkompetenz ist kein Nice-to-have mehr, sondern Grundlage für wirtschaftliche Resilienz. Sie entscheidet darüber, ob wir technologische Entwicklungen mitgestalten oder ihnen hinterherlaufen. Das gilt auch für den Bereich der Künstlichen Intelligenz. Wer KI nur konsumiert, bleibt abhängig – von den Infrastrukturen, Werten und wirtschaftlichen Interessen anderer. Wenn Europa bei der Entwicklung eigener KI-Systeme den Anschluss verliert, verlieren wir mehr als nur Marktanteile: Wir verlieren unsere digitale Selbstbestimmung. Fachkräftesicherung beginnt nicht erst an der Hochschule, sondern bereits in der Grundschule. Informatik muss flächendeckend als Pflichtfach und praxisnah unterrichtet werden – nicht nur, um Lücken am Arbeitsmarkt zu schließen, sondern um die nächste Generation zum aktiven Gestalten zu befähigen. Nur so entsteht ein Arbeitsmarkt, der auf Augenhöhe mit der Technologie agiert. >Wenn Europa bei der Entwicklung eigener KI-Systeme den Anschluss verliert, verlieren wir mehr als nur Marktanteile: Wir verlieren unsere digitale Selbstbestimmung. Deshalb hat die Gesellschaft für Informatik e. V. die Allianz für informatische Bildung ins Leben gerufen. Unser Ziel: den Informatikunterricht flächendeckend stärken, auch schon im Primarbereich. Denn wer heute nicht in digitale Bildung investiert, riskiert morgen, dass Innovation, Wertschöpfung und technologische Kontrolle dauerhaft in Übersee stattfinden. Europa braucht eigene Modelle, eigene Infrastrukturen und vor allem: eigene Menschen, die sie bauen können.