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28. Mär 2023

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Business

Wir haben nur mit YouTube ein riesiges Business in Asien aufgebaut

Journalist: Katja Deutsch

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Foto: Presse

In dem Alter, in dem sich andere an einem Start-up versuchen, leitet Philip Hitschler-Becker ein Familienunternehmen in vierter Generation. Wie er das ehemals angestaubte und ziemlich angekratzte Unternehmen in die Zukunft führt und welche Rolle seine Gefriertruhe dabei spielt, erzählt der junge, dynamische Geschäftsführer im Interview.

Herr Hitschler-Becker, haben Sie heute schon was Süßes gegessen?
Ja! Wir haben soeben unsere sauren Spinnenbeine Cola gelaunched und verputzt. Ich brauche morgens und abends etwas Süßes!

Sind Sie ein großer Udo Lindenberg-Fan? Von „Nasch dein Ding“ zu „Mach dein Ding (egal, was die andern sagen)“ ist es ja nicht allzu weit…
Beim 69. Geburtstag meiner Mutter haben wir Kinder tatsächlich das Lied „Mach dein Ding“ auf sie umgedichtet. „Mach dein Ding“, schwebte im Hintergrund mit, aber bei uns geht’s bei dem Claim „Nasch dein Ding.“ mehr um das Empowerment – denn wir sind Menschen einer Kölner Süßigkeitenmarke und Köln ist bunt, laut und fröhlich wie unsere Süßigkeiten, und wir möchten jeden Menschen dazu einladen, so zu sein, wie er oder sie es möchte. Insofern hat Udo uns schon beeinflusst.

Sie sind mit nur 29 Jahren als Geschäftsführer ins Familienunternehmen eingestiegen. Was hat Sie daran gereizt?
Wir möchten mit unserer Marke, mit unseren Produkten, unserem Tun und Handeln jedem Menschen ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern.

Es war immer mein Kindheitstraum, mein Wunsch, als erstgeborener Sohn das Unternehmen zu übernehmen und in die fünfte Generation zu führen. Ich wollte dieses Unternehmen wieder in Familienhand bringen. Mein Vater und mein Großvater sind beide schon verstorben, umso dankbarer bin ich, dass meine Mutter meine Geschwister und mich täglich begleitet und unterstützt. Meine Schwester verantwortet den Bereich E-Commerce, unseren Onlineshop sowie die gesamte digitale Vertriebsstruktur.

Was haben Sie bei Ihrem Eintritt vorgefunden, wie war hitschler aufgestellt?
Es ist sehr herausfordernd, ich habe das Unternehmen in einer sehr schwierigen Lage übernommen. Sehr kompetitiv, ein sehr hoher preislicher Druck, und so bin ich mit sehr viel Mut angetreten, mit Ende 20, nach dem Studium und mehrjähriger Erfahrung in der Industrie. Einfach ist es nicht, wir haben die Einschläge nach Corona ebenso zu verkraften wie die Verdoppelung der Zuckerpreise – die wir ja schlecht 1: 1 an den Handel weitergeben können.

Wir haben mehrere Jahre lang tiefrote Zahlen geschrieben und das konnte so nicht weitergehen. Doch wir haben unglaublich viel Potential, sind bodenständig und transparent, haben viel Mut, Empathie, Sympathie und Leidenschaft. Diesen Drive braucht man, um ein Unternehmen nach vorne zu bringen. Und auch ein bisschen Demut.

Was waren Ihre ersten unternehmerischen Ziele im Familienunternehmen?
Prioritäten setzen: die Stabilisierung des Unternehmens und der Mitarbeiter. Zweitens zu analysieren, warum wir rote Zahlen schreiben – und zu versuchen, diese in Richtung schwarze Zahlen zu drehen. Drittens, uns in Richtung Zukunft zu orientieren und dafür die Themen Produktentwicklung, Markenkommunikation, Social Media, Kundenkommunikation und Internationalisierung in die Hand zu nehmen. So haben wir beispielsweise – ohne während der Pandemie ein einziges Mal vor Ort gewesen zu sein – mit Hilfe von YouTube ein sehr starkes Business in Japan und Südkorea aufgebaut.

Ihre wichtigste Plattform fürs Marketing?
Ich glaube es gibt keinen in der Süßwarenbranche, der die sozialen Medien so beherrscht wie wir. Wir sind ein Underdog, punkten mit Kreativität. Wir möchten die digitale Candy Brand werden. Die Trends wechseln sich wahnsinnig schnell ab, auch unsere friends kreieren Trends für uns. Dieser UGC, der User Generated Content, ist eine coole Sache.

Welches ist Ihr wichtigster digitaler Kanal?
Instagram, wo ich ja selber als Markenbotschafter unterwegs bin, mit mittlerweile 40.000 Followern. Auf dem offiziellen hitschies.official-Kanal haben wir knapp 90.000 Follower, TikTok ist ebenfalls sehr wichtig für uns und  seit Kurzem fokussieren wir dazu noch auf YouTube.

LinkedIn nutze ich als B2B-Plattform, um unsere Handelspartner anzusprechen. Wir gehen ausschließlich in die digitale Kommunikation. 

Was wissen Sie über Ihre Zielgruppe – und woher wissen Sie es?
Wir sehen auf Social Media, wer uns folgt, wer was liked und kommentiert, zudem nutzen wir die Umfragefunktion und lassen die Community samt unserer Markenbotschafter abstimmen. Auch die Mitglieder in unserem Friends-Club können wir befragen. Unsere Zielgruppe geht von Null bis 99 Jahre, unsere Social Media Zielgruppe etwa von Anfang 20 bis Ende 50. 

Inwieweit hilft Ihnen die Digitalisierung Ihres Unternehmens dabei, auch nachhaltiger zu werden?
Durch den weitgehenden Verzicht aufs Fliegen sparen wir CO2. Auch durch die Automatisierung der Prozesse und der Produktionsabläufe und dem Tracking von Zahlen, Daten und Fakten sind wir viel nachhaltiger geworden. Wir produzieren in Michelstadt mit Solarpaneels auf den Dächern, nutzen Abwärme, können unseren Energiebedarf genau steuern. Digitalisierung und Nachhaltigkeit spielen für mich als Familienunternehmer eine sehr wichtige Rolle.

Wohin geht der Trend?
Auf jeden Fall in die Tiefkühltruhe! Das ist absoluter Trend. Mein Video über Drachenzungen in der Tiefkühltruhe hat allein auf TikTok über 2,2 Millionen Views bekommen! Man muss in der heutigen Zeit polarisieren, um erfolgreich zu sein. Wir haben dabei auch keine Bedenken wegen unserer Größe: Die Schnellen fressen die Großen

Fun Facts: Philip Hitschler-Becker…
- trinkt täglich frischgepressten Selleriesaft
- wuchs sehr zuckerarm auf
- hinterlässt seiner Frau gerne mal Kurznachrichten aus bunten Hitschies
- liebt Freizeit mit Familie und Hunden zu verbringen
- macht gerne Fahrradtouren
- macht gerne Yoga
- nascht sich in fernen Ländern immer zuerst durch die Süßwarenabteilungen der Supermärkte

 

27. Jun 2025

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Wirtschaft

Nachhaltig, transparent und partnerschaftlich – Im Interview mit Barbara Frenkel, Vorstandsmitglied Porsche AG

**Warum bekommt die Beschaffung oft so wenig Aufmerksamkeit – obwohl so viel von ihr abhängt?** Weil Beschaffung meist im Hintergrund läuft – und erst dann in den Blickpunkt rückt, wenn etwas fehlt. Das kennt jeder aus dem Alltag: Fehlt beim Kochen eine Zutat oder beim Möbelaufbau eine Schraube, steht meist alles still. Im industriellen Maßstab kann das bedeuten: keine Teile, kein Auto. Unsere Lieferketten sind heute hochgradig komplex, global und auf Effizienz ausgelegt. Fällt ein einziges Teil aus, sei es durch eine Naturkatastrophe, einen Cyberangriff oder geopolitische Spannungen, kann dies die Produktion gefährden. Deshalb denken wir bei Porsche Beschaffung heute anders: vorausschauender, vernetzter und deutlich resilienter. **Welche Strategie verfolgen Sie, um Lieferketten auch in Krisenzeiten stabil und widerstandsfähig zu halten?** Entscheidend ist die Transparenz in der gesamten Lieferkette – also über unsere direkten Lieferanten hinaus. Uns interessiert: Wer sind die Partner dahinter? Wo haben sie ihre Standorte und welchen Risiken sind sie ausgesetzt? Dabei simulieren wir beispielsweise Wetterereignisse oder Cyberattacken. Wir bewerten globale Rohstoffverfügbarkeiten und identifizieren Single-Source-Situationen. Über allem steht die Frage: Wo könnte ein möglicher Ausfall besonders kritisch für uns sein? **Und welche konkreten Maßnahmen ergreifen Sie, um Risiken zu minimieren?** Hier braucht es ein ganzes Maßnahmenbündel. Als vergleichsweise kleiner Hersteller können wir nicht überall auf eine Zwei-Lieferanten-Strategie setzen. Stattdessen überlegen wir uns etwa, wo wir bei kritischen Materialien gezielt Lagerbestände in Werksnähe aufbauen. Oder wir beauftragen zusätzliche Werkzeugsätze, die bei Bedarf schnell aktiviert werden können. **Wie wählen Sie Lieferanten aus, welche Kriterien sind dabei besonders wichtig?** Die Auswahl unserer Lieferanten ist immer Teamwork. Beschaffung, Entwicklung und Produktion arbeiten eng zusammen. Häufig entwickeln wir die Lösungen gemeinsam mit unseren Lieferanten. Hierbei spielt die technische Bewertung in enger Abstimmung mit unserer Entwicklung eine wichtige Rolle. Die Produktion wiederum achtet sehr stark auf die Logistik. Jeder potenzielle Partner durchläuft ein umfassendes Auditverfahren. Dabei geht es um Qualitäts- und Machbarkeitsaudits. Aber auch um eine umfassende Risikoanalyse. Ein fester Bestandteil bei der Auswahl sind zudem Kriterien bei der Nachhaltigkeit. Also rechtliche, ethische und ökologische Standards. >Viele unserer Fahrzeuge sind stark individualisiert – das erfordert flexible, anpassungsfähige Partner. Viele Mittelständler aus Deutschland bieten genau diese Qualität. **Wie wichtig ist Ihnen die Einbindung mittelständischer Lieferanten in Ihrer Lieferkette?** Viele unserer Fahrzeuge sind stark individualisiert – das erfordert flexible, anpassungsfähige Partner. Viele Mittelständler aus Deutschland bieten genau diese Qualität. Vor allem, wenn sie sich in unmittelbarer Werksnähe befinden. Vorteile sind kurze Wege und schnelle Reaktionszeiten. Als in Deutschland verwurzeltes Unternehmen ist uns zudem daran gelegen, die heimische und europäische Lieferkette zu stärken. **Sie haben die Nachhaltigkeit bereits angesprochen. Nochmals konkret: Wie integrieren Sie diese Kriterien in den Beschaffungsprozess?** Wie gesagt, wir denken hier ganzheitlich und in drei Dimensionen: ökologisch, sozial und ethisch. Im ökologischen Bereich legen wir besonderen Wert auf den CO₂-Fußabdruck in der Lieferkette. Hier entscheiden der Energiemix, die verwendeten Rohstoffe und der Anteil an recyceltem Material. Auch der Wasserverbrauch wird immer wichtiger. Soziale und ethische Aspekte sind ebenfalls von Bedeutung. Wir erwarten, dass internationale Arbeitsstandards eingehalten und faire Löhne gezahlt werden. **Wie haben Sie Einkaufprozesse bzw. das Lieferantenmanagement erfolgreich verbessert?** Rund 80 Prozent der Wertschöpfung entsteht bei uns in der Lieferkette. Entsprechend hoch ist die Bedeutung eines effizienten und partnerschaftlich ausgerichteten Lieferantenmanagements. Deshalb setzen wir bewusst früh an: Bereits in der Entwicklungsphase binden wir Lieferanten eng in unsere Prozesse ein. Gemeinsam können wir Kosten optimieren, die Umsetzung garantieren und verlässliche Qualität reproduzieren. Über diesen engen Austausch entstehen belastbare Partnerschaften – von Anfang an. **Wie reagieren Sie auf regionale Marktanforderungen?** Angesichts fragmentierter Märkte gewinnt die regionale Verankerung an Bedeu-tung. In China arbeiten wir beispielsweise gezielt mit starken lokalen Partnern zusammen. Mit dem Ziel, marktgerechte Lösungen zu entwickeln – etwa beim Infotainment. Auch regulatorische Anforderungen erfordern spezifische Lösungen, das Aufspüren innovativer Technologien und innovativer Partner. Immer mehr handelt es sich dabei auch um Start-ups aus branchenfremden Bereichen, etwa beim autonomen Fahren, der Konnektivität oder Software. >Bereits in der Entwicklungsphase binden wir Lieferanten eng in unsere Prozesse ein. Gemeinsam können wir Kosten optimieren, die Umsetzung garantieren und verlässliche Qualität reproduzieren. ## Infos zur Person Barbara Frenkel: Als Kind wollte sie Astronautin werden. Heute leitet Barbara Frenkel das Vorstandsressort Beschaffung der Porsche AG. Frenkel war die erste Frau im Vorstand des Sportwagenherstellers. Sie blickt auf eine mehr als 20-jährige Managementkarriere bei Porsche zurück. Zuvor war sie bei verschiedenen Automobilzulieferern tätig. Barbara Frenkel (62) scheidet zum 19. August 2025 auf eigenen Wunsch aus dem Porsche-Vorstand aus und übergibt ihre Verantwortung an Joachim Schar-nagl (49), der ihre Nachfolge antritt. Privat genießt sie Ausfahrten mit ihrem Oldtimer, einem 911 G-Modell. Sie ist begeisterte Taucherin und unternimmt gerne Ausflüge mit ihrem Hund in die Natur.