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16. Okt 2025

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Business

Zwischen Angst und Begeisterung

Journalist: Katja Deutsch

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Foto: Mikhail Nilov/pexels

Künstliche Intelligenz dringt in sämtliche Berufsfelder vor. Angst davor zu haben, hilft nicht weiter. Schulungen dagegen schon.

„Meine Assistentin Merle schicke ich jetzt in Urlaub – und danach erhält sie eine Umschulung. Ihren Job übernimmt künftig KI.“ Solche Beiträge liest man derzeit häufig auf LinkedIn. Denn viele Aufgaben, die früher Merle erledigt hat, übernehmen inzwischen KI-Tools in einem Bruchteil der Zeit. Merle hat Glück: Ihr Chef ersetzt sie nicht durch Technologie, sondern bildet sie im Umgang mit KI weiter.

Die neuen KI-Anwendungen wecken Begeisterung und Sorge zugleich. Mitarbeitende befürchten, dass KI ihre Arbeit überflüssig macht, während Führungskräfte sich davor fürchten, zu zögerlich zu reagieren, falsche Entscheidungen zu treffen und damit das Unternehmen zu gefährden. Diese Ängste sind berechtigt und sollten nicht ignoriert werden. KI wird zweifellos bestimmte Aufgaben automatisieren, schafft jedoch zugleich neue Rollen: für diejenigen, die KI-Ergebnisse interpretieren, steuern und hinterfragen. Die eigentliche Gefahr liegt daher nicht in der Technologie selbst, sondern im Nichtstun. Wer stehen bleibt, riskiert den Anschluss zu verlieren. Unternehmen, die sich nicht mit den Chancen und Risiken von KI auseinandersetzen, laufen Gefahr, in wenigen Jahren nicht mehr wettbewerbsfähig zu sein.

Die Europäische Union hat die Bedeutung von KI-Kompetenzen erkannt und 2024 die EU-KI-Verordnung (AI Act, Regulation (EU) 2024/1689) verabschiedet. Ein zentraler Bestandteil ist Artikel 4 zur „KI-Kompetenz“ (AI Literacy), der Unternehmen verpflichtet, ihre Mitarbeitenden mit ausreichendem Wissen im Umgang mit KI auszustatten. Für die Jahre 2025 bis 2027 stellt die EU dafür 1,3 Milliarden Euro für Künstliche Intelligenz, Cloud-Dienste, Cybersicherheit und digitale Weiterbildung bereit. Unternehmen sollten diese Mittel nutzen, um ihre Teams gezielt zu schulen.

KI wird zweifellos bestimmte Aufgaben automatisieren, schafft jedoch zugleich neue Rollen: für diejenigen, die KI-Ergebnisse interpretieren, steuern und hinterfragen.

Doch es reicht nicht aus, lediglich ein paar neue KI-Tools einzuführen. Was heute als innovativ gilt, kann schon in wenigen Monaten veraltet sein. Deshalb ist es entscheidend, nicht nur auf einzelne Anwendungen zu setzen, sondern ein „KI-Mindset“ im Unternehmen zu etablieren. Dieses Mindset bedeutet, zu verstehen, was KI leisten kann und was (noch) nicht, und die Technologie nicht als unfehlbare Autorität zu betrachten, sondern ihre Ergebnisse kritisch zu prüfen und verantwortungsvoll einzusetzen.

Führungskräfte sollten die Sorgen in ihren Teams ernst nehmen und in Neugier und Experimentierfreude umwandeln. Mitarbeitende gewinnen so neue Verantwortung, nutzen KI als Co-Pilot und bleiben handlungsfähig, während Führungskräfte künftig nicht nur Menschen, sondern auch Maschinen führen und deren Ergebnisse kontrollieren müssen.

Merle, die Assistentin der Geschäftsführung, ist ein gutes Beispiel dafür. Damit sie ihren Job auch in Zukunft behalten und erfolgreich ausüben kann, wird sie kontinuierlich lernen müssen. KI wird Menschen nicht ersetzen, doch Menschen, die mit KI arbeiten, werden diejenigen verdrängen, die es nicht tun.

Führungskräfte sollten die Sorgen in ihren Teams ernst nehmen und in Neugier und Experimentierfreude umwandeln.