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6. Jul 2023

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Lifestyle

Zwischen Ekstase und Nervenkitzel

Journalist: Kerstin Kloss

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Foto: Oscar van de Beek

Reinhold Messner fühlt nur beim Bergsteigen körperliche und geistige Einheit. Dabei bestimmt die Natur die Regeln, der Mensch sammelt Erfahrungen.

Dramatisch dunkle Wolkengebilde, Stirnlampen-Spotlights auf Felsgestein – so sieht Instagram-Klettern aus. Kann einer der berühmtesten Bergsteiger damit etwas anfangen? Für Reinhold Messner haben die inszenierten Bilder so gar nichts gemein mit traditionellem Alpinismus, für den er sich seit sieben Jahrzehnten begeistert. «Mir geht es um das Verhältnis Menschennatur und Wildnis, um Eigenverantwortung und Erfahrungen am Rande unserer Möglichkeiten», erklärt er. Anders als viele Instagram-Touristen bewegt er sich mit minimaler Ausrüstung in möglichst unberührten Naturlandschaften.

Egal, ob vor 45 Jahren bei der Erstbesteigung des Mount Everest ohne zusätzlichen Sauerstoff oder bei Klettertouren in den Alpen – jedes Mal war bei Messner das normale Leben ausgeblendet, «wie vergessen, die Welt nur noch Fels, Tritt, Handgriff, Atem, Auge». Oben im Berg erlebte der erfahrene Kletterer immer wieder aufs Neue «ein unbeschreibliches Gefühl körperlicher und geistiger Einheit», wenn er Felsstrukturen mit Griffen, Tritten, Rissen, Kanten, Verschneidungen und Schuppen entdeckte. Darüber berichtet er in seinem Buch ‘Zwischen Durchkommen und Umkommen – Die Faszination des Bergsteigens’.

In einer Zeit, in der alles längst kartografiert und fotografiert, selbst virtuelle Gipfelbesteigungen möglich sind, wollen sie eigene Grenzen ausloten.

Welchen Kick holen sich traditionelle Alpinisten wie Messner zum Beispiel in den Schweizer Alpen? Sie sind über den Hörnligrat aufs Matterhorn, in der Steilwand der Eiger-Nordwand oder auf den Gipfel der Dufourspitze (4.634 Meter) unterwegs – aber weniger als Naturentdecker, sondern mehr als Erfahrungssammler. In einer Zeit, in der alles längst kartografiert und fotografiert, selbst virtuelle Gipfelbesteigungen möglich sind, wollen sie eigene Grenzen ausloten. Wenn Messner versucht, dieses Empfinden zwischen Ekstase und Nervenkitzel zu beschreiben, klingt das mystisch: «Das Gefühl der Ehrfurcht, des Respekts mischt sich dabei mit der Angst, einer unmittelbaren Erkenntnis der eigenen Vergänglichkeit.» Weite, intensives Licht, scheinbare Zeitlosigkeit – all das bringt ihn in der Schweizer Bergwelt immer noch zum Staunen.

Zur Wahrheit gehört auch, dass Bergsteiger «Momente des Glücks und des Grauens» oft in rascher Folge erleben. Als inzwischen erfolgreicher Vortragsredner hält Messner nicht damit hinter dem Berg, dass zwischen Abenteuer und Absturz oft nur ein falscher Schritt liegt. In der Schweiz verunglückten beispielsweise 1865 vier Bergsteiger am Matterhorn, 1936 vier Kletterer in der Eiger-Nordwand. Riskant ist der Verzicht auf Hilfsmittel, so bezahlte Paul Preuss Alleingänge ohne Sicherung in den 1910er-Jahren mit dem Leben. Auch Messner nahm weder Bohrhaken, Sauerstoffmasken noch Satellitentelefon mit, er wollte «Überlebenskunst in menschenfeindlichen, abweisenden Gefahrenräumen». Dabei bestimmt die Natur die Regeln, der Mensch muss mit allen Sinnen Wetteränderungen, Windgeräusche und Gelände beurteilen. Wichtig sind sehr der Erfahrungsschatz und eine realistische Selbsteinschätzung. Ein ausgewogenes Kräfteverhältnis Mensch – Natur kann Psyche und Immunsystem stärken sowie Lebensfreude schenken, so wie Messner es erlebt hat.

Als Posing oder Show funktioniert Bergsteigen und Bergwandern nicht. Tipp vom Profi: Der Natur mit Begeisterung, Neugierde und Respekt begegnen.

1786 Erstbesteigung des Jungfrau-Gipfels (4.148 Meter), Berner Alpen
1829 Erstbesteigung des Finsteraarhorns (4.274 Meter), Berner Alpen
1855 Erstbesteigung der Dufourspitze (4.634 Meter), Walliser Alpen
1865 Erstbesteigung des Matterhorns (4.478 Meter) über den Hörnligrat, vier Bergsteiger verunglücken

11. Jul 2025

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Gesundheit

Wo demenzkranke Menschen mit allen Sinnen gefordert sind – mit Esther Daenschel, zertifizierte Gartentherapeutin nach IGGT, Hospital zum Heiligen Geist

![Esther_Daenschel_xl online.jpg](https://cwbucket.fra1.digitaloceanspaces.com/Esther_Daenschel_xl_online_7618aeaf4e.jpg) ``` Esther Daenschel, zertifizierte Gartentherapeutin nach IGGT, Hospital zum Heiligen Geist ``` **Was ist ein Sinnesgarten?** Ein Therapie- und Sinnesgarten ist ein gestalteter Raum, der alle Sinne anspricht und Menschen mit Demenz positive Erlebnisse ermöglicht. Besonders wichtig sind die Barrierefreiheit und die klare Aufteilung in verschiedene Gartenbereiche, die die Orientierung erleichtern und unterschiedliche Bedürfnisse – von Aktivierung bis Entspannung – ansprechen. Jeder Therapiegarten ist individuell und sollte immer an die Gegebenheiten vor Ort, das Klientel und die Menschen, die ihn mit Leben füllen, angepasst werden. **Welche Bedeutung haben solche Gärten für demenzkranke Menschen?** Für Menschen mit Demenz hat ein Therapie- und Sinnesgarten große therapeutische Bedeutung. Er wirkt anregend, vermittelt Geborgenheit, kann Erinnerungen wecken und den Erhalt von Alltagskompetenzen unterstützen. Sinnesgärten stärken Selbstwirksamkeit, Teilhabe und Lebensqualität und bieten Raum für Begegnung und sinnvolle Beschäftigung. Sie fördern soziale Kontakte, bieten Abwechslung und schaffen kleine Inseln der Ruhe, Begegnung und Aktivität. **Welche Aktivitäten sind dort möglich?** In unserem Therapie- und Sinnesgarten im Hinsbleek 9 können vielfältige Angebote stattfinden, die sich an den individuellen Fähigkeiten und Ressourcen der Bewohner:innen orientieren. Neben der Sinnesanregung durch Riechen, Tasten und Schmecken von Kräutern, Gemüse und Obst können die Besucher:innen unter der Pergola oder auf der Klönschnackbank gemeinsam sitzen und plaudern. Bewegungseinheiten wie Spaziergänge und Naturbeobachtungen fördern die Mobilität und Wahrnehmung. Darüber hinaus bietet unser Sinnesgarten barrierefreie Hochbeete, die unterfahrbar oder in Stehhöhe zum Gärtnern einladen.

17. Jun 2025

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Lifestyle

DIY als Philosophie – mit Jonas Winkler

![JonasWinkler Online.jpg](https://cwbucket.fra1.digitaloceanspaces.com/Jonas_Winkler_Online_8c75c7f697.jpg) ``` Jonas Winkler, Tischlermeister & Content Creator ``` Selbstgemacht statt gekauft: „Do it Yourself“ ist eine Einladung für jeden, das eigene Zuhause ganz persönlich und mit Herzblut zu gestalten. Ob Möbel, Deko oder kleine Reparaturen: Jedes selbstgemachte Stück, jede Upcycling-Kommode erzählt seine eigene Geschichte und macht die eigenen vier Wände noch gemütlicher. Dabei geht es um Spaß am Handwerk, die Freiheit, Materialien und Techniken nach Lust und Laune auszuprobieren – und auch darum, aus Fehlern zu lernen. Genau das lebt Jonas Winkler, Tischlermeister und Produktdesigner auf seinen Social Media-Kanälen vor. Mit seinen inspirierenden Ideen und detaillierten DIY-Tutorials motiviert er Heimwerkende und alle, die es noch werden wollen. Darf es ein ergonomischer Gaming-Tisch sein oder ein paar Kniffe, wie man ein krummes Holzbrett wieder gerade bekommt? Egal, ob großes oder kleines Projekt: „Mit etwas Selbstgemachten entsteht nicht nur ein Objekt, sondern eine emotionale Verbindung zwischen Mensch, Material und dem Stolz, etwas Bleibendes geschaffen zu haben.“ Dabei dürfen auch Fehler passieren. „Ich mache selbst nicht alles richtig, wie man in meinen Videos sieht“, sagt Jonas Winkler lachend, „das Spannende ist doch das Knobeln: Wie kriegen wir den Karren jetzt aus dem Dreck? Probleme offen zeigen und Lösungen finden, darum geht es. Aufgeben ist keine Option.“ Natürlich muss man einige Dinge nicht selbst erleben, um zu wissen, dass sie auch gefährlich sein können, betont Jonas Winkler: „Gerade Laien müssen Sicherheit priorisieren. Bei Billigwerkzeug etwa ist das Unfallpotenzial enorm. Wie schnell ein günstiger Akku überhitzt oder ein Schraubenschlüssel bricht – das demonstrieren wir in meiner Werkstatt als sicheren Raum, um Risiken zu minimieren.“ Sein eigener Weg begann mit dem Studium des Produktdesigns. Die Neugier, wie Entwürfe Realität werden, führte ihn zu ersten eigene DIY-Projekten und schließlich dazu, auch den Handwerksmeister zu absolvieren. Gerade heute, wo so vieles fremdbestimmt ist und durch Technologien immer schwerer greifbar wird, bietet das Handwerk eine besondere Möglichkeit, selbst aktiv Einfluss auf das Ergebnis zu nehmen. „Der Gedanke, etwas selbst zu designen, zu erschaffen und damit einem Möbelstück eine Geschichte zu geben, ist unersetzlich“, erklärt er. Und was braucht es seiner Meinung nach, damit das Holzhandwerk auch als Ausbildungsbetrieb attraktiv und zeitgemäß bleibt? „Inklusivität und eine positive Fehlerkultur, die Raum zum Lernen lässt, sind entscheidend – ob beim traditionellen Hobeln oder digitalen Fräsen. Das Wichtigste aber ist, das es Spaß macht.“ Also nichts wie los: Neugierig sein, ins Tun kommen und sich ein Traum-Zuhause schaffen, das genauso einzigartig ist, wie man selbst. Das nächste DIY-Projekt wartet vielleicht schon am nächsten Straßenrand. >Inklusivität und eine positive Fehlerkultur, die Raum zum Lernen lässt, sind entscheidend – ob beim traditionellen Hobeln oder digitalen Fräsen.