30. Dez 2024
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Gesundheit
Journalist: Thomas Soltau
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Foto: Presse
Prof. Dr. Rembert Koczulla, Chefarzt des Fachzentrums für Pneumologie der Schön Klinik Berchtesgadener Land, ist einer der führenden Covid-Forscher. Im Gespräch verrät der Mediziner, wie Erkrankte durch neue Therapieformen Hilfe finden.
Prof. Dr. Rembert Koczulla, Chefarzt des Fachzentrums für Pneumologie der Schön Klinik Berchtesgadener Land
Was sind die aktuellsten Erkenntnisse über die Langzeitfolgen von Covid-19? Die Auswirkungen nach der Infektion sind vielfältig. In einer kürzlich publizierten Arbeit werden als häufigste Symptome die Luftnot, die Müdigkeit (Fatigue) und die kognitiven Einschränkungen beschrieben. Dies entsprach auch unserem Empfinden und konnte in einer unserer Studien, die in diesem Jahr beim ERS-Kongress in Wien ausgezeichnet worden ist, bestätigt werden.
Welche innovativen Ansätze gibt es in der Rehabilitation für Long-Covid-Patienten? In einer unserer Studien konnte gezeigt werden, dass Patientinnen und Patienten mit einer individualisierten, auf spezifische Symptome ausgerichtete Therapie sehr gute Erfolge erzielen konnten und beispielsweise deutlich häufiger in die Arbeitsfähigkeit zurückfinden als ohne rehabilitative Therapie. Wichtig ist hier, dass das Hauptsymptom abgefragt wurde. Bei Lungenproblemen erfolgt die Untersuchung der Lunge, bei Zwerchfellschwäche ein individualisiertes Zwerchfelltraining. Bei Müdigkeit haben wir einen hohen Anteil von Patienten gesehen, die eine schlafbezogene Atmungsstörung hatten.
Wie hat sich das Verständnis für die Atemwegs-Reha seit Beginn der Pandemie verändert? Durch die durchgeführten Studien ist es uns möglich, das Krankheitsbild besser zu verstehen. Die zunehmende Datenlage zeigt, dass die pneumologische Rehabilitation sehr positive Auswirkung auf die langfristige Genesung der Betroffenen haben kann. Man kann beobachten, dass zum Beispiel die bronchiale Überempfindlichkeit gut behandelt werden kann, die Zwerchfellfunktion bei Einschränkung verbessert werden kann und Schlafstörungen diagnostiziert und behandelt werden können. Aber es gibt auch eine Reihe von Beschwerden, die nicht direkt dem pneumologischen Feld zuzuordnen sind.
Welche Rolle spielt körperliche Aktivität in der Genesung und wie unterstützen Sie Patienten dabei? Die körperliche Aktivierung spielt eine sehr große Rolle. Natürlich muss sie individuell und adaptiv auf jeden einzelnen Patienten zugeschnitten sein und entsprechend in der Klinik reguliert werden. Durch die Erkrankung verlieren viele Betroffene Muskelmasse und Muskelfunktion. Die Schonung danach kann diesen Effekt verstärken. Natürlich muss genau geschaut werden, wer wie viel Training beziehungsweise wie viel Aktivität verträgt. Es gibt eine Patientensubgruppe, die sehr große Probleme mit Aktivität und Training haben. Patientinnen und Patienten mit einem chronischen Müdigkeitssyndrom (ME/CFS) gehören meist dazu. Hier ist die Frage nach Muskelschmerzen essenziell. Das ist in einem Algorithmus, der unter Beteiligung von Spezialistinnen aus der ME/CFS-Szene entstanden ist, zusammengefasst worden.
Wie hilft die von Ihnen mitentwickelte S1-Leitlinie bei der Behandlung von Long Covid? Es gibt derzeit noch viele Evidenzlücken, die eine Behandlung auf hohem Niveau schwierig machen. Natürlich ist es erstrebenswert, hier Evidenzen zu erhalten, die die Grundlage für therapeutische Entscheidungen darstellen. Die Leitlinie in ihrer aktuellen Form (S1-Niveau) ist an vielen Stellen durch die Erfahrung von verschiedenen Expertinnen und Experten geprägt und gibt fundierte Empfehlungen für die Behandlung von Betroffenen. Es ist natürlich geplant, die Leitlinie auf ein höheres Niveau zu bringen. Zurzeit laufen Abstimmungen mit der DGP (Deutsche Gesellschaft für Pneumologie), um die Form und die Arbeitspakete zu verteilen. So kann die medizinische Versorgung der Betroffenen immer weiter verbessert werden.