16. Mär 2023
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Gesundheit
Journalist: Prof. Dr. Anton J. Scharl
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Foto: Presse, Pexels
„Gesundheit ist ein Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlergehens und nicht nur das Fehlen von Krankheit.“ So lautet die Definition von Gesundheit in der Verfassung der WHO aus dem Jahre 1946.
Prof. Dr. Anton J. Scharl, Past-Präsident der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG)
Als Geburtshelfer und Gynäkologe weiß ich, dass Frauengesundheit Voraussetzung ist für die Gesundheit der gesamten Familie, denn trotz aller Veränderungen der gesellschaftlichen Strukturen tragen Frauen weiterhin die Hauptlast der Familienarbeit. Deshalb ist dieses Heft nicht nur für Frauen interessant.
Schwangerschaft z.B.ist zwar biologisch ein „normaler“ Zustand der Frau, aber dennoch eine immense körperliche und psychische Belastung für die Schwangeren. Nicht nur für soziale Aktivitäten und die Berufstätigkeit, auch in anderen Bereichen wie Ernährung, Hygiene, Sport und Partnerschaft sind die „anderen Umstände“ eine Herausforderung. Das Glück einer erfolgreichen Schwangerschaft ist aber nicht für jedes Paar problemlos zu erreichen. Unerfüllter Kinderwunsch ist sowohl für die Betroffenen, als auch für die Gesellschaft eine Last, die nicht nur medizinischer und psychosozialer Behandlung, sondern auch finanzieller Unterstützung der Gesellschaft bedarf und diese auch verdient. Das ist ein wichtiger und leider etwas vernachlässigter Aspekt der reproduktiven Selbstbestimmung, die an anderer Stelle vehement eingefordert wird. Mit Erfüllung des Kinderwunsches kommen auf das Paar weitere Aufgaben zu, wie Stillen, Eltern-Kind-Bindung oder eine gesunde Kinderernährung.Aber auch die Vereinbarkeit von Elternsein und Beruf.
In anderen Aspekten der Frauengesundheit zeigt sich, wie viel politischer Wille erreichen kann, z.B. bei der Behandlung von Brustkrebs. Die Neuorganisation von Brustkrebsfrüherkennung und -behandlung wurde in den letzten 20 Jahren von den onkologischen Fachgesellschaften mit Nachdruck gefordert und initiiert. Ohne politische Entschlossenheit wäre es nicht gelungen, dies umzusetzen. Das Ergebnis: Jedes Jahr wird die Heilungsrate dieser Erkrankung in Deutschland um einen Prozentpunkt besser. Impfung, Früherkennung und bessere Organisation der Therapie in interdisziplinären Zentren sind ferner auch beim Gebärmutterhalskrebs wichtig, ein weiteres in diesem Heft behandeltes Thema.
Diese Aufmerksamkeit verdienen auch andere Frauenkrankheiten, die noch nicht so sehr im Bewusstsein der Allgemeinheit angekommen sind. Dazu gehört zum Beispiel das PCO-Syndrom, das Syndrom der polyzystischen Ovarien. Als komplexe Stoffwechselstörung verursacht es vielfältige Beschwerden und beeinträchtigt die Lebensqualität der betroffenen Frauen. Nicht mindere Bedeutung hat ein anderes Krankheitsbild, die Endometriose. Dies betrifft sehr viele Frauen im geschlechtsreifen Alter und behindert nicht nur die Fähigkeit, schwanger zu werden, sondern kann auch komplexe Schmerzsyndrome auslösen. Letztere stören Sexualität und Partnerschaft, Berufsausübung und Lebensqualität und können sogar zur Depression führen. In der Vergangenheit häufig als Befindlichkeitsstörung abgetan, scheint nun langsam anerkannt zu werden, dass die Endometriose ein gesundheitspolitisches Problem von hoher Bedeutung ist. Der Bericht einer Betroffenen in diesem Heft schildert eindrücklich den Leidensweg.
Die Lektüre dieses Heftes lohnt also!
Trotz aller Veränderungen der gesellschaftlichen Strukturen tragen Frauen weiterhin die Hauptlast der Familienarbeit.