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1. Okt 2024

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Gesundheit

Die Schwerkraft unterlaufen

Journalist: Kirsten Schwieger

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Foto: RDNE Stock Project/pexels

Eine Senkung der Organe im Unterleib lässt sich oft ohne Operation mit Beckenbodentraining oder einem stützenden Pessar wirksam behandeln.

Bei gut jeder zweiten Frau kommt es im Laufe des Lebens zu einer Schwächung des Beckenbodens. Deren Muskulatur sowie Haltestrukturen wie Bindegewebe, Bänder und Faszien sind dann nicht mehr fest genug, um den dortigen Organen ausreichend Halt zu gewähren. Die Folge: Gebärmutter, Blase oder Darm sinken ab. Am häufigsten ist die Blasensenkung. Dabei drückt die Blase nach unten und gegen die Scheidenwand. Viele Frauen mit einer Beckenbodensenkung leiden deswegen gleichzeitig auch unter einer Belastungsinkontinenz. Bei Niesen, Husten oder Sport kann dann ungewollt Urin abgehen, weil der Blasenschließmuskel dem Druck nicht mehr standhalten kann. Das Risiko für Senkungsbeschwerden steigt mit dem Alter, wenn die Elastizität des Gewebes abnimmt. Manche Frauen haben auch erblich bedingt ein schwächeres Bindegewebe. Aber auch vaginale Geburten, schwere körperliche Arbeit, Übergewicht sowie chronischer Husten können Beckenbodensenkungen begünstigen.

Neben dem Senkungsgrad richtet sich die Behandlung danach, ob und welche Beschwerden auftreten. Bei einer leichten Belastungsinkontinenz kann Beckenbodentraining die Beschwerden oftmals wirksam lindern. Die Übungen stärken die Muskeln im unteren Beckenbereich und wirken vor allem bei Senkungen im vorderen Becken, wo Harnblase und Harnröhre sitzen. Auch therapeutische Pessare eignen sich zur Stützung der Organe im Becken. Insbesondere in Kombination mit Beckenbodentraining und/ oder medikamentöser Therapie können die Beschwerden damit abnehmen – oder ganz weggehen. Je nach Diagnose sind unterschiedliche Pessare sinnvoll. Die kleinen Schalen, Ringe oder Würfel aus Silikon oder Gummi werden in die Scheide eingeführt – entweder vom Frauenarzt oder den Patientinnen selbst.

Moderne Pessare können sogar bereits präventiv in der Schwangerschaft bei Blasenschwäche eingesetzt werden, um Senkungen vorzubeugen. Klassischerweise kommen sie zum Einsatz, um eine Operation zu vermeiden oder hinauszuzögern. Besondere Aufmerksamkeit verdienen aber auch der prä- sowie postoperative Einsatz. So können therapeutische Pessare zur Vorbereitung einer bevorstehenden Operation eingesetzt werden. Nach einer Senkungs-OP können moderne Pessare das Rückfallrisiko reduzieren – insbesondere bei sportlicher Aktivität oder schwerer körperlicher Arbeit.

Wenn konservative Therapien keine ausreichenden Erfolge erzielen, kann bei starker Senkung auch eine Operation in Betracht gezogen werden. Dabei werden die Organe im Becken operativ angehoben und stabilisiert. Grundsätzlich wird dabei zwischen dem Einsatz von Kunststoffnetzen und der Nutzung von Eigengewebe für die Stabilisierung der Organe unterschieden. Es gibt verschiedene Operationsverfahren – jedes davon mit spezifischen Vor- und Nachteilen. Die Gebärmutter bleibt meist erhalten – in manchen Fällen wird aber auch ihre Entfernung angeraten. Bei einer Belastungsinkontinenz infolge einer Senkung, kann die Harnröhre in einem minimalinvasiven Eingriff mithilfe einer Kunststoffschlinge stabilisiert werden. Dies ist auch im Rahmen einer Senkungsoperation möglich.

Interessanter Fakt:

Die Absenkung von Uterus, Vagina, Blase, Mastdarm, Dünndarm oder Dickdarm wird als Descensus genitalis bezeichnet. In schwerer Ausprägung kann dieser bis zum Vorfall (Prolaps) der Organe vor die Scheidenöffnung führen. Es werden vier Senkungsstufen unterschieden (Grad 1-4). Da die Organe miteinander verbunden sind, sinken sie oftmals zusammen ab.