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4. Mär 2022

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Gesellschaft

Energiewende wieder auf Kurs bringen – Prof. Claudia Kemfert

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Foto: Nicholas Doherty/unsplash, Reiner Zensen

„Regenerative Energien wie Sonne, Wasser oder Wind können auch langfristig nicht mehr als vier Prozent unseres Strombedarfs decken.“ Das schrieben deutsche Stromversorger 1993 in einer Zeitungsanzeige. Ein Jahrzehnt später – die erneuerbaren Energien deckten bereits zehn Prozent des Strombedarfs – galten 20 Prozent als unrealistisch.

Und noch heute – wir sind bei 45 Prozent – gibt es vehemente „Mehr-geht-Nicht“-Stimmen. Dabei zeigen unzählige Studien: Eine Vollversorgung mit erneuerbaren Energien ist möglich und zudem der einzig gangbare Weg, den Klimawandel aufzuhalten.

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Claudia Kemfert, Energieökonomin und Leiterin der Abteilung Energie, Verkehr, Umwelt am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin)

Doch obwohl erneuerbare Energien heute in der Stromversorgung fest etabliert sind, kommt ihr Ausbau nicht schnell genug voran. Weder werden die (zu niedrigen) Ausbauziele des EEG erreicht, noch die – im Sommer 2021 verschärften – deutschen Klimaziele. Der unumgängliche Kohleausstieg bis 2030 macht einen Ausbau-Turbo für Erneuerbare Energien nochmal dringender. Die finanzielle Teilhabe an Windenergie sollte gestärkt, ausreichend Fläche zur Verfügung gestellt und Planungs- und Zulassungsverfahren beschleunigt werden.

Es muss in dieser Legislaturperiode aber auch ein Ende von Erdöl und Erdgas eingeleitet werden. Andernfalls drohen Fehlinvestitionen, die uns teuer zu stehen kommen.

Dank extremer Beharrungskräfte wird aber noch heute der Individualverkehr fast komplett mit Erdöl betrieben. In den letzten zwei Jahren nahm der Anteil reiner Elektroautos bei den Neuzulassungen auf rund 15 Prozent zu – Tendenz weiter und schneller steigend. Doch genug ist das lange nicht. Für eine echte Mobilitätswende braucht es hohe Investitionen – nicht nur in die Ladeinfrastruktur für E-Mobilität, sondern auch in die Schiene. Subventionen wie das Diesel- und das Dienstwagenprivileg müssen dagegen abgebaut werden. Außerdem gilt es das Straßenverkehrsrecht weiterzuentwickeln, um Fuß- und Radverkehr sowie Bus und Bahn zu stärken. Und auch Lkw, Schiffe und Flugzeuge brauchen klimafreundliche Treibstoffe.

Nur grüner (!) Wasserstoff ist emissionsfrei. Die Herstellung ist teuer, die Ressourcen sind begrenzt. Er sollte also nur eingesetzt werden, wo es keine effizientere Alternative gibt. Die Herstellung von Wasserstoff aus Erdgas verursacht hingegen klimaschädliche Treibhausgase. Wer trotzdem in entsprechende Infrastrukturen investiert, verhindert den Umstieg und verstärkt Abhängigkeiten.

Die Industrie wird von der Nachfrage nach Klimaschutztechnologien stark profitieren. Statt umfangreiche Ausnahmen für wenige energieintensive Industriezweige zu gewähren, sollten deswegen lieber ausreichend Anreize für Investitionen in klimaschonende Technologien gesetzt werden. Immer noch überwiegen leider Erdgas, Heizöl und Kohle als Energieträger beim Heizen von Gebäuden.

Dabei sind die Lösungen für eine Wärmewende längst verfügbar: Gebäude können energetisch saniert und durch elektrische Wärmepumpen oder Wärmenetze vollständig mit erneuerbaren Energien klimatisiert werden. Was vor 30 Jahren nur wenige wissenschaftlich denken konnten, ist heute längst empirisch belegt: Es gibt viel zu tun, aber es geht! Wir brauchen bloß zügiges und entschlossenes Handeln. Die Chancen für Wirtschaft, Gesellschaft, Umwelt und Klima sind riesig. Nutzen wir sie!

30. Apr 2025

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Gesellschaft

Eine benutzerfreundliche Infrastruktur ist ein Muss für den Erfolg der Elektromobilität in Deutschland – mit Christian Heep, Vorstand im Bundesverband eMobilität (BEM)

![Christian Heep Vize-Präsident BEM Bundesverband eMobilität -Online.JPG](https://cwbucket.fra1.digitaloceanspaces.com/Christian_Heep_Vize_Praesident_BEM_Bundesverband_e_Mobilitaet_Online_14b581b45a.JPG) ``` Christian Heep, Vorstand im Bundesverband eMobilität (BEM) ``` **Welche strategischen Bereiche stehen derzeit im Fokus des BEM?** Wir setzen auf die systemische Transformation des Mobilitätssektors. Dabei liegt unser Augenmerk auf dem flächendeckenden Ausbau der Ladeinfrastruktur, der Verknüpfung mit erneuerbaren Energien, klaren regulatorischen Rahmenbedingungen und der Stärkung der industriellen Wettbewerbsfähigkeit in Deutschland. **Wie gestaltet sich der Ausbau der Ladeinfrastruktur?** Ein leistungsfähiges Ladenetz ist entscheidend für die Akzeptanz der Elektromobilität. Wir fördern eine interoperable und benutzerfreundliche Infrastruktur, die intelligente Netzintegration, bidirektionales Laden und Speicherlösungen umfasst. Bestehende Tankstellen sollen als multifunktionale Energiehubs umgerüstet werden. **In welcher Verbindung stehen E-Mobilität und erneuerbare Energien?** Elektromobilität ist nur dann nachhaltig, wenn der Strom aus Wind und Sonne kommt. Daher muss eine direkte Verbindung zwischen Ladeinfrastruktur und erneuerbaren Energien geschaffen werden – unterstützt durch intelligente Netzsteuerung, lokale Erzeugung und Speicherlösungen. Regulatorische Anreize sollen Betreibende und Nutzende dazu motivieren, verstärkt Grünstrom zu verwenden. >Die Verkehrswende ist ein zentraler Hebel, um CO₂-Emissionen zu senken und die Luftqualität zu verbessern. **Welche Rolle spielt die Verkehrswende im Klimaschutz?** Die Verkehrswende ist ein zentraler Hebel, um CO₂-Emissionen zu senken und die Luftqualität zu verbessern. Neben der Elektrifizierung des Straßenverkehrs setzen wir auf multimodale Verkehrskonzepte und die effiziente Nutzung vorhandener Infrastruktur. **Wie trägt E-Mobilität zur Stärkung der deutschen Wirtschaft bei?** Der Übergang zur Elektromobilität bietet Deutschland die Chance, sich von fossilen Technologien zu lösen und in Zukunftsbranchen zu investieren. Wichtige Bereiche sind hier die Forschung, Entwicklung und Produktion von Batterien, Ladeinfrastruktur und digitalen Mobilitätsdiensten – essenziell, um international wettbewerbsfähig zu bleiben. **Ist staatliche Förderung noch notwendig?** Ja, staatliche Förderungen bleiben essenziell, müssen aber zielgerichtet, degressiv und langfristig ausgerichtet sein. Sie sollen den Markthochlauf, den Infrastrukturausbau und die Forschung unterstützen – während gleichzeitig Subventionen für fossile Kraftstoffe reduziert werden müssen. >Statt Handelsbarrieren sollten wir unsere eigenen Stärken in der Elektromobilität ausbauen, um die Wertschöpfung in Europa zu erhöhen und langfristig eine nachhaltige Industriepolitik zu verfolgen. **Wie sollten staatliche Fördermaßnahmen gestaltet sein?** Es braucht eine Förderpolitik, die die Transformation gesamtheitlich betrachtet: Infrastruktur, Fahrzeugflotten, Speichertechnologien und Netzintegration. Gleichzeitig müssen regulatorische Hemmnisse abgebaut werden, etwa bei Netzentgelten oder Abgaben auf Eigenstromnutzung. Neben regulatorischen Rahmenbedingungen und politischer Lenkungswirkung sind sowohl monetäre als auch nicht-monetäre Förderungen notwendig. Jeder investierte Euro zahlt sich langfristig aus, indem er Innovationskraft, Arbeitsplätze, Wertschöpfung und Klimaschutz sichert. **Wie bewertet der BEM die erhöhten Zölle auf chinesische Elektroautos?** Protektionismus ist kein zielführender Ansatz. Statt Handelsbarrieren sollten wir unsere eigenen Stärken in der Elektromobilität ausbauen, um die Wertschöpfung in Europa zu erhöhen und langfristig eine nachhaltige Industriepolitik zu verfolgen. ## Factbox: **Christian Heep ist Vorstand beim BEM** und leitet Marketing, Medien, PR, Kommunikation, Politik, Messen und Events. Seine Leidenschaft für erneuerbare Energien und Elektromobilität inspiriert ihn zu innovativen Projekten für eine nachhaltige Mobilität.