19. Sep 2025
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Gesundheit
Journalist: Nadine Wagner
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Foto: Andrea Piacquadio/pexels
Ein Müsliriegel beim Spaziergang oder ein Quetschie auf dem Spielplatz – kleine Zwischenmahlzeiten gehören für viele Familien zum Alltag. Doch wie gesund sind diese Snacks wirklich? Kinderarzt Dr. med. Vitor Gatinho, bekannt als kids.doc.de auf Instagram, plädiert für einen bewussten Umgang: „Snacks sollten die Ausnahme bleiben. Und Ausnahmen nicht zur Regel werden.“
Dr. med. Vitor Gatinho, Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin
Durch die hohe Fruchtkonzentration enthalten die meisten Quetschies im Schnitt elf Gramm Zucker pro 100 Gramm Fruchtpüree. „Das ist zu viel“, meint der Mediziner. Auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) warnt vor einem übermäßigen Konsum sogenannter freier Zucker, wie sie in Fruchtpürees oder Säften vorkommen. Diese werden mit einem erhöhten Risiko für Karies, Übergewicht und Stoffwechselerkrankungen in Verbindung gebracht. Die WHO empfiehlt daher, freie Zucker auf unter zehn Prozent, besser noch auf unter fünf Prozent, der täglichen Energiezufuhr zu begrenzen.
Doch nicht alle Quetschies sind gleich. „Es gibt Produkte mit weniger Zucker, einem höheren Gemüseanteil oder mehr Ballaststoffen. Für unterwegs kann so ein Quetschie gelegentlich durchaus sinnvoll und praktisch sein“, erklärt Gatinho. Wichtig sei vor allem aber das bewusste Essen. „Man sitzt, man isst – und nicht nebenbei beim Spielen oder im Kinderwagen. Essenszeit ist Essenszeit.“ Das gilt auch für gemeinsame Mahlzeiten am Esstisch. Feste Rituale und das bewusste Zusammensitzen fördern laut Gatinho nicht nur den Familienzusammenhalt, sondern auch eine ausgewogene Ernährung. Dabei muss der Teller keineswegs leer gegessen werden: „So wird den Kindern das Sättigungsgefühl abtrainiert, sodass sie als Jugendliche nicht mehr wissen, wann sie eigentlich satt sind.“ Auch die Portionierung sollte möglichst in der Hand der Kinder liegen. „Wenn Kinder selbst entscheiden dürfen, wie viel auf ihren Teller kommt, schafft das Vertrauen. Sie sehen: Meine Eltern essen dasselbe wie ich – das ist sicher.“
Ein Quetschie als Nachtisch oder Belohnung sollte es dennoch nicht geben. Süßes müsse man Kindern schließlich nicht angewöhnen, so Gatinho. Muttermilch und Fruchtwasser schmecken bereits leicht süßlich; süße Lebensmittel werden daher mit Geborgenheit verknüpft. Deshalb sei es ratsam, Süßigkeiten möglichst spät einzuführen und beim Beikoststart mit ungewöhnlicheren Geschmacksrichtungen zu beginnen. „Variation ist hier das A und O. Am besten jeden Tag ein anderes Gemüse geben – so sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass das Kind später besonders wählerisch ist.“
Und wenn Brokkoli, Zucchini oder Pastinake trotzdem erstmal verschmäht werden? Kein Grund zur Sorge. „Die erste Regel lautet: Keinen Druck ausüben. Kinder halten sonst erst recht dagegen. Was heute doof ist, ist in einer Woche vielleicht schon wieder super.“ Gemüse sollte regelmäßig und in verschiedenen Formen angeboten werden – z. B. versteckt in Waffeln oder Muffins. Denn oft braucht es zehn bis fünfzehn Versuche, bis ein Kind einen neuen Geschmack einordnen und akzeptieren kann.
Dennoch sollte Süßes im Familienalltag nicht grundsätzlich verboten werden – wichtig ist vielmehr ein bewusster Umgang damit. Wer Kindern eine gesunde Beziehung zu Lebensmitteln ermöglicht und Snacks nicht zur Gewohnheit werden lässt, schafft die besten Voraussetzungen für eine ausgewogene Ernährung.
Dr. med. Vitor Gatinho (@kids.doc.de) ist Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin und dreifacher Familienvater. Auf Instagram folgen ihm mehr als 800.000 Menschen.