26. Mär 2024
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Gesundheit
Journalist: Julia Butz
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Foto: andrea piacquadio/pexels
Dr. phil. Daniel Brunner, zertifizierter Somnologe beantwortet die wichtigsten Fragen zum Thema: Guter Schlaf und schlafbedingte Tagesbeschwerden.
Dr. phil. Daniel Brunner von der Praxis für Schlaf- und Schlaf-Wachprobleme, Somnologie & Schlafcoaching GmbH (somnologie.ch)
Dr. Brunner, wie äussert sich Schlafmangel? Wer konstant wenig schläft wird leichter reizbar, hat eine geringere Aufmerksamkeitsspanne, weniger Geduld, weniger kreative Ideen oder einfach eher schlechtere Laune. Dass diese Phänomene auf Schlafmangel zurückgeführt werden können, ist vielen gar nicht bewusst. Betroffene benötigen nonstop Input von Aussen, um sich künstlich im Wachzustand zu halten. Durch viel Koffein, Musik im Ohr oder Videos vor dem Auge; durch risikobehaftete Sportarten für den steten «Kick» oder den Aufenthalt in Räumen mit Klimaanlage, weil die kühlere Luft als Reiz benötigt wird, um wach zu bleiben. Diese beständige Stimulationssuche ist ein erstes Symptom von Schlafmangel. Erst wenn ich mir all diese Reize entziehe, spüre ich das Schlafbedürfnis.
Kann da der Mittagsschlaf helfen? Viele beklagen, dass sie danach müder als vorher sind. Hier bedarf es der richtigen Anleitung. Natürlich muss der Körper nach einer langen Liegezeit erst wieder hochfahren. Allein die Liegeposition verändert die Gefässe und Blutverteilung im Körper und macht nach einigen Minuten träge. So träge, dass einige sagen, ein Mittagsschlaf ist nichts für mich. Wichtig ist, sich nicht unter Druck zu setzen. Es geht nicht um «Powernapping», sondern darum, dem Körper Gelegenheit zur Ruhe zu geben. Als ein Angebot an den Organismus, sich für eine viertel oder halbe Stunde eine Auszeit zu gönnen. Ob man dann leicht, tief oder überhaupt nicht schläft, ist irrelevant. Körper und Geist erholen sich, so wie sie es brauchen.
Kommt man nicht erst nach 30 bis 40 Minuten in die Tiefschlafphase? Die Qualität einer Regenerationsphase hängt nicht davon ab, ob ich in den Tiefschlaf komme. Das subjektive Empfinden kann mir bereits nach 15 Minuten Ruhezeit das Gefühl geben, tief geschlafen zu haben. Auch die Schlafdauer in der Nacht sollte als Qualitätsmerkmal nicht so extrem stark gewichtet werden. Viel wichtiger ist, insbesondere wenn wir älter werden, die Einhaltung des eigenen 24-Stunden-Rhythmus: mit regelmässiger Aufstehzeit, regelmässigen Essenszeiten und körperlichen und sozialen Aktivitäten. Abweichungen davon, z. B. durch Schichtarbeit oder Jetlag, erzeugen Defizite, die der Körper immer schlechter tolerieren kann.
Auch wenn wir also nur vier Stunden schlafen, kann dies ein guter Schlaf sein? Ja, solange der Zyklus aus Non-REM- und REM-Phasen* normal abläuft. Bei körperlich bedingten Schlafstörungen laufen diese Schlafphasen oft nicht mehr ungestört hintereinander ab. Grundsätzlich müssen wir zwei Dinge unterscheiden: den Schlafmangel, bei dem man sich freiwillig zu wenig Schlaf gönnt, über den wir zu Beginn sprachen und die chronische Insomnie, also die Unfähigkeit zum Schlaf, selbst wenn man genügend Zeit dazu hat. Körperliche Schlafstörungen können organische Ursachen haben, wie die Schlaf-Apnoe, bei der es zu Atemaussetzern kommt oder neurologische Bewegungsstörungen. Für Menschen, die an nicht-organischer Insomnie leiden, verursacht allein der Gedanke an den Schlaf oder das Bett Stress. Aus dieser Sorge entsteht ein Teufelskreis, also Schlafangst, die wiederum die Schlafdauer verkürzt. Solche Mechanischen zusammen mit falschen Ideen zum Schlaf führen dann zu kontraproduktiven Verhaltens- und Selbsthilfemassnahmen, die chronische Schlafprobleme begünstigen.
Wie kann Betroffenen geholfen werden? Mit dem richtigen therapeutischen Ansatz. Dabei geht es um weit mehr als gängige Weisheiten wie der richtigen Schlafhygiene. Menschen mit chronischer Insomnie haben längst alle Schlafhygieneregeln befolgt. Von der Abschaltung elektronischer Geräte, der kühleren Raumtemperatur bis hin zur richtigen Matratze und weniger Koffein und Alkohol. Damit allein ist den von Schlaflosigkeit Betroffenen nicht geholfen. Wir ermitteln in einer Abklärung daher zunächst, ob eine organische Störung ausgeschlossen werden kann. Bei dieser kommt es im Schlaf zu Atem- und Bewegungsstörungen – Symptome die der Patient selbst gar nicht aktiv merken kann.
Wer sollte sich professionelle Hilfe suchen? Der Leidensdruck ist bei jeder Person subjektiv. Wer gesundheitliche Beschwerden zu beklagen hat oder nach seinem Empfinden so schlecht oder wenig schläft, dass es die Tagesbefindlichkeit massiv schwächt, sollte sich Hilfe holen. Ich denke, die Schwierigkeit liegt auch darin, dass wir weder in der Schule noch im späteren Leben lernen, die Schlafgesundheit zu schätzen und Schlafstörungen von normalen Phänomenen des Schlafs zu unterscheiden. Aufklärung und differenzierte Wissensvermittlung sind eine Rarität. Vergleicht man dies z. B. mit der aktiven und bewussten Auseinandersetzung unserer Gesellschaft mit den Themen Ernährungsoptimierung oder körperliche Fitness, so wird Schlaf noch immer sehr stiefmütterlich behandelt. Dabei macht er ein Drittel unseres Lebens aus.