24. Sep 2025
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Gesundheit
Journalist: Katja Deutsch
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Foto: Presse, Ron Lach/pexels
Psoriasis, Neurodermitis und Akne inversa hängen stark mit gesunder Darmflora und Psyche zusammen und beeinflussen sich oftmals gegenseitig. Dr. Rachel Sommer, Leiterin der Psychodermatologie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE), erläutert, wie massiv Betroffene unter erkrankter Haut leiden – und wo sie Hilfe und Unterstützung erhalten können.
Dr. Rachel Sommer, Leiterin der Psychodermatologie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE)
Frau Dr. Sommer, wie eng sind Haut und Psyche eigentlich miteinander verbunden? Haut und Psyche sind sehr eng miteinander verbunden und beeinflussen sich auf vielfältige Weise, was Medizin und Psychologie sehr gut in vielen nationalen und internationalen Studien belegen kann. Hauterkrankungen wie Neurodermitis und Psoriasis werden mit einer Vielzahl unterschiedlicher psychischer Begleiterkrankungen assoziiert: Betroffene leiden unter vermindertem Selbstbewusstsein und geringem Selbstwert. Viele schämen sich für ihre Erkrankungen, und ziehen sich sozial zurück. Auch Angststörungen wie soziale Ängste oder depressive Symptome kommen bei Menschen mit chronischen Hauterkrankungen häufiger vor. Viele erfahren auch Stigmatisierung, sowohl im beruflichen Umfeld als auch in der Freizeit. Die Hauterkrankung kann sich auch durch Stress verschlimmern. Diese Trigger-Faktoren spielen bei Psoriasis, Dermatitis, und auch Akne inversa eine wichtige Rolle.
Welche Hauterkrankungen sind besonders stark mit psychischer Belastung verknüpft? Mit einer chronischen, nicht heilbaren Erkrankung wie Vitiligo, Akne inversa, und auch einige anderen leben die Patienten ja zum Teil über Jahrzehnte. Das führt besonders zu psychischer Belastung, weil die Hauterkrankungen einen sehr großen Einfluss auf viele Lebensbereiche haben. Betroffene haben nicht nur mit den typischen körperlichen Symptomen wie Juckreiz, Brennen oder Schmerzen der Haut zu tun, sondern sind zudem oft psychosozial stark beeinträchtigt, was sich an Angststörungen, Depressionen, und sogar erhöhten Suizidraten ablesen lässt!
Gibt es biologische Mechanismen wie eine Skin Brain Axis (Haut-Gehirn-Achse) oder sogar Intentional Skin Brain Axis (Darm-Haut-Gehirn-Achse), die Auswirkungen auf die Haut haben? Ja, die gibt es auf jeden Fall und in der Forschung hierzu hat sich in den letzten Jahren viel getan. Die sogenannte HPA (Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse) schüttet bei Stressreaktionen Cortisol aus. Dieses schwächt die Hautbarriere, fördert Entzündungen und kann Heilungsprozesse hemmen. Haut und Darm sind nicht isoliert voneinander, sondern stehen über die sogenannte Darm-Haut-Achse in engem Austausch. Ein Ungleichgewicht im Darmmikrobiom kann Hautprobleme wie Akne, Ekzeme oder Trockenheit begünstigen. Umgekehrt unterstützt eine gesunde Darmflora das Immunsystem und die Nährstoffaufnahme und hat positive Effekte auf die Haut – während anders herum eine gestörte Flora Entzündungen fördern kann.
Ein Ungleichgewicht im Darmmikrobiom kann Hautprobleme wie Akne, Ekzeme oder Trockenheit begünstigen.
Welche Rolle spielen Depressionen und Angststörungen bei der Verschlechterung von Hautsymptomen? Depressionen können durch die alltäglichen Belastungen der Psoriasis entstehen, teilen aber auch gemeinsame biologische Grundlagen: Beide Erkrankungen gehen mit vermehrten neutrophilen Zellen und chronischer Entzündung einher. Verschiedene Prozesse fördern letztendlich oxidativen Stress und depressive Symptome. Bei Psoriasis ist die Depression also oft Teil der Erkrankung. Werden die systemischen Entzündungen durch Medikamentengabe reduziert, bessern sich meist Haut und auch depressive Symptome. Treten Depressionen dagegen vor allem als Folge starker Beeinträchtigung der Lebensfreude und -qualität auf, sind zusätzliche Therapien wie Psychotherapie oder spezifische Antidepressiva sinnvoll.
Wird die psychische Gesundheit inzwischen in dermatologischen Behandlungen berücksichtigt? Noch hängt es stark von der jeweiligen Praxis oder Klinik ab, es hat sich aber schon viel getan. Inzwischen wird in der Dermatologie bei allen Patientinnen und Patienten routinemäßig die Lebensqualität erfasst. Dieser Parameter hat direkten Einfluss auf die Wahl der Therapie – wer stark eingeschränkt ist, erhält schneller Zugang zu bestimmten Behandlungsoptionen. In manchen Zentren wird zusätzlich standardmäßig auf psychische Belastungen wie Angst oder Depression gescreent, meist mit kurzen Fragebögen. So lassen sich Risiken früh erkennen und passende Hilfsangebote vermitteln. Mit der neuen Leitlinie zur psychosomatischen Dermatologie, die nächstes Jahr erscheint, erwarten wir eine weitere deutliche Verbesserung in der Versorgung.
Welche psychotherapeutischen Ansätze oder Strategien oder vielleicht auch ganz einfach Übungen können Patienten mit Hauterkrankungen helfen? Sehr hilfreich können Selbsthilfegruppen sein, die es in Deutschland für viele Hauterkrankungen gibt, etwa Vitiligo, oder auch Psoriasis. Dort erhält man Unterstützung, Wissen über die eigene Erkrankung, praktische Tipps und vor allem das Gefühl, nicht allein zu sein. Ergänzend ist vor allem die kognitive Verhaltenstherapie wirkungsvoll, um negative Denkmuster zu erkennen und zu verändern.
Ganz neu ist das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte Projekt Hautkompass. Dabei handelt es sich um ein evidenzbasiertes Online-Programm für Menschen mit chronischen Hauterkrankungen, das Stigmatisierung vorbeugen und die psychische Gesundheit stärken soll. Es wurde gemeinsam mit Patientinnen, Dermatologen und Psychologen entwickelt und umfasst acht Sitzungen à etwa 20 Minuten, die flexibel online absolviert werden können. Jedes Modul kombiniert Psychoedukation mit interaktiven Übungen. In einer ersten Studie konnte bereits die Wirksamkeit bei fünf Hauterkrankungen gezeigt werden. Ab September wird das Programm für alle Hauterkrankungen geöffnet – mit dem Ziel, es langfristig kostenfrei allen Betroffenen zur Verfügung zu stellen.