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28. Sep 2023

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Gesundheit

Hybride Patientenversorgung ist eine echte Win-win-Situation

Journalist: Katja Deutsch

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Foto: Artem Podrez/pexels, Presse

Seit Einführung des Digitalen Versorgungsgesetzes (DVG) können Ärzte und Therapeuten per Rezept digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) verordnen. Diese digitalen Gesundheitsanwendungen in Form von Smartphone-Apps oder Webanwendungen sollen Patienten zu mehr Eigenverantwortung ermutigen. Dr. Anne Sophie Geier, Geschäftsführerin des Spitzenverbandes Digitale Gesundheitsversorgung, spricht im Interview über die Vorteile und die Weiterentwicklung hin zu hybriden Versorgungsmodellen.

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Dr. Anne Geier, Geschäftsführerin des Spitzenverbands Digitale Gesundheitsversorgung

Wie beurteilen Sie den gerade veröffentlichten Referentenentwurf des Digitalgesetzes (DigiG)?
Insgesamt sehen wir im Referentenentwurf positive Impulse, sehen aber auch Verbesserungsbedarf bei den digitalen Gesundheitsanwendungen. Wir setzen uns schon lange dafür ein, dass Leistungserbringer wie Ärzte und Psychotherapeuten flexibler in die digitalen Gesundheitsanwendungen, die man sich ja als Rezept vom Arzt verordnen lassen kann, eingebunden werden können. Mehr Kombinationen mit ärztlichen Leistungen kann sinnvoll sein, um einerseits gute Effekte und optimale Therapiebegleitung zu erzielen, und andererseits Ärzten und Psychotherapeuten anhand der durch die DiGA eingespielten Daten eine verbesserte Informationslage zu ermöglichen. Im ersten Entwurf des DigiG findet sich bislang nur ein Hinweis in der Begründung, dass hybride Modelle Einzug finden sollen. Hier wünschen wir uns mehr Klarheit, um eine größere Variation an DiGA, z. B. im Bereich der Diagnostik und des Monitorings für Patienten zur Verfügung stellen zu können. 

Blended Care bietet die Möglichkeit, von den jeweiligen Fachgesellschaften erstelltes Leitlinienwissen in den Behandlungsalltag der Patienten zu bringen und dabei individuelle Möglichkeiten der Ausgestaltung zu integrieren.

In welchem Bereich sehen Sie den größten Nutzen von Blended Care - Ansätzen für Patientinnen und Patienten?
Der Blended Care-Ansatz hat in ganz unterschiedlichen Therapiebereichen großes Potential. Dieses Behandlungskonzept, bei der Vor-Ort-Therapie mit mobil basierten digitalen Interventionen ergänzt wird, kann bspw. in der Psychotherapie und der Ernährungstherapie genauso gute Wirkung erzielen wie bei Knie- oder Rückenschmerzen. Blended Care bietet die Möglichkeit, von den jeweiligen Fachgesellschaften erstelltes Leitlinienwissen in den Behandlungsalltag der Patienten zu bringen und dabei individuelle Möglichkeiten der Ausgestaltung zu integrieren. Neben Patientenfeedback können das beispielsweise Hausaufgaben, Testungen, Übungen, Verlaufskontrollen und vieles andere sein. Feedback plus Kontakt zum Arzt bedeuten eine Win-win-Situation auf verschiedenen Ebenen.

Wie stehen Ärzteschaft und Ärztekammer zum Einsatz digitaler Tools in der Patientenversorgung?
Bei digitalen Tools und in hybriden Versorgungsmodellen besteht ein      Konsens sowohl innerhalb der Ärzteschaft als auch bei anderen Leistungserbringern – sofern diese Dinge ohne großen Mehraufwand in den Praxisalltag integrierbar sind. Ich glaube, auch die Krankenkassen sehen anhand der Evidenz und positiven Effekte, dass hybride Modelle ein sehr wirkungsvoller Ansatz sind. Wichtig ist dabei jedoch, dass diese Anwendungen flächendeckend möglich werden. Und dass wir dafür Vergütungswege schaffen.

Wie sollten hybride Versorgungsmodelle aussehen, um bestmöglich zu wirken?
Die Vor-Ort- und Digital-Komponenten müssen so verzahnt sein, dass sie ineinandergreifen und keine eigenständigen Behandlungspfade ergeben. Besonders wirkungsvoll wird der Effekt, wenn wir Patienten in virtuelle Modalitäten integrieren, und diese wiederum zum Behandlungskonzept passen. Natürlich muss sichergestellt sein, dass der Patient erstens das passende Gerät dazu hat und dieses zweitens auch imstande ist zu nutzen. Mit dem Digitalgesetz haben wir es jetzt in der Hand, die Rahmenbedingungen für Blended Care-Ansätze sowie hybride Ansätze zu schaffen, damit beides auch in Deutschland den Weg in die Versorgung findet.

4. Jul 2025

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Wirtschaft

Chancen für die Zukunft der Versorgung – mit Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Jürgen Debus & Dr. Johannes Danckert

![Dr_Johannes_Danckert_Copyright_Kevin_Kuka_Vivantes_online.jpg](https://cwbucket.fra1.digitaloceanspaces.com/Dr_Johannes_Danckert_Copyright_Kevin_Kuka_Vivantes_online_6e3b6d01f5.jpg) ``` Dr. Johannes Danckert, Vorsitzender der Geschäftsführung, Vivantes – Netzwerk für Gesundheit GmbH ``` **Dr. Johannes Danckert, Vorsitzender der Geschäftsführung, Vivantes – Netzwerk für Gesundheit GmbH** Digitalisierung kann die Patientenversorgung schneller, besser und sicherer machen. Immer öfter werden dabei auch die traditionellen Grenzen zwischen ambulanten und stationären Bereichen sowie einzelnen Versorgungseinrichtungen abgebaut. So kann die ‚Patient Journey‘, also der gesamte Behandlungsweg eines Patienten von Diagnose bis Nachsorge, zu einer vernetzten Gesundheitsregion verbunden werden. Trotz deutlicher digitaler Fortschritte haben deutsche Krankenhäuser allerdings weiterhin erheblichen Entwicklungsbedarf, bedingt vor allem durch kleinteilige Strukturen und unzureichende Finanzierung. Denn die Implementierung innovativer Lösungen setzt bereits einen hohen Digitalisierungsgrad voraus. Bei Vivantes wurden zentrale Prozesse wie die Patientenkurve, Medikation, Pflegeprozesssteuerung sowie Anforderungs- und Befundungsprozesse digitalisiert. Auch große Teile der Medizintechnik sind eingebunden. KI-gestützte Systeme helfen uns, Frakturen und Embolien schneller zu erkennen oder warnen vor Komplikationen wie Delir oder Nierenversagen. Künstliche Intelligenz unterstützt uns auch dabei, Patientendaten direkt aus dem Rettungswagen in das Klinik-Informationssystem (KIS) zu übertragen, sodass die Krankenakte bei Ankunft bereits angelegt ist. Eine von uns entwickelte, interoperable Datenplattform ermöglicht zudem den automatisierten Datenaustausch von inzwischen 15 Klinikträgern in der Region Berlin-Brandenburg. Damit entstehen telemedizinische Versorgungskonzepte weit über Berlin hinaus. ![prof.dr.dr.jurgendebus_online.jpg](https://cwbucket.fra1.digitaloceanspaces.com/prof_dr_dr_jurgendebus_online_d7f732ea04.jpg) ``` Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Jürgen Debus, Vorstandsvorsitzender und Leitender Ärztlicher Direktor des Universitätsklinikums Heidelberg ``` **Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Jürgen Debus, Vorstandsvorsitzender und Leitender Ärztlicher Direktor Universitätsklinikum Heidelberg** Smarte Technologien und eine optimale Datennutzung verbessern den Klinikalltag und die Patientenversorgung. Das zukünftige Herzzentrum am Universitätsklinikum Heidelberg planen wir als Smart Hospital: Dort werden z. B. OPs gefilmt und das KI-System warnt automatisch bei Veränderungen des Patienten oder ungewöhnlichen Vorgängen. So werden Risiken früh erkannt und die Sicherheit erhöht. Dank verknüpfter Patientendaten und digitalem Terminmanagement läuft auch die Vorbereitung auf Eingriffe effizienter, da benötigte Ressourcen wie CT-Termine frühzeitig ersichtlich sind. Ein smartes Entlassmanagement stellt relevante Dokumente für den Patienten automatisch bereit und koordiniert Sozialdienst, Pflege und Medikamentenbedarf, sodass der Übergang in die weitere Versorgung optimal organisiert ist. In all diesen Algorithmen und Systemen steckt das gebündelte Wissen von Ärztinnen und Ärzten, Pflegepersonal und Forschenden. Die meisten KI-Anwendungen basieren auf maschinellen Lernmodellen, die mit Patientendaten trainiert werden, um Muster zu erkennen. Je größer der verfügbare Datensatz, desto exakter fallen Diagnosen und Prognosen aus – ein wichtiger Faktor angesichts des steigenden Versorgungsbedarfs bei gleichzeitig sinkender Zahl an Fachkräften. Smarte Technologien helfen, diese Lücke zu schließen und die Versorgung weiterhin auf hohem Niveau zu gewährleisten. Damit es nicht bei Insellösungen bleibt, treiben wir die übergreifende Datenintegration voran, ähnlich wie sie in der internationalen Forschung etabliert ist.