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5. Nov 2024

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Gesundheit

«Jede Falte hat eine Geschichte» – Silvia Affolter

Journalist: Kirsten Schwieger

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Foto: www.paul-and-cat.com

Silvia Affolter, Miss Schweiz 1984, über Jugendwahn und Leidenschaft, Gelenksalben-Werbeangebote, halb volle Gläser und den Schlüssel zu Selbstakzeptanz und Glück.

Frau Affolter, was kommt mit dem Alter? Zum Beispiel solche Interview-Anfragen. Plötzlich werde ich zum Thema «Alter» befragt. Und ich denke: He, wieso ich? Ist nicht meine Kernkompetenz! Eben doch. Wobei ich den Begriff «gesammelte Lebenszeit» vorziehe im Wissen, dass ich mir was schönrede, was nicht schön ist. Ich sehe keine Vorteile, morgens mit Rückenschmerzen aufzustehen oder ein weiteres Zwicken in der Hüfte zu spüren. Und doch gibt es Kollateralschäden, die tatsächlich positiv sind: Erfahrung, Souveränität, Gelassenheit. Und der unerschütterliche Glaube daran, dass die 70er-Jahre-Musik immer noch die beste war. Aber grundsätzlich und ernsthaft: Wir sollten uns nicht allein auf die Angaben im Pass verlassen – manchmal lügt der Pass. Jede Falte hat eine Geschichte, und nicht alle würde ich missen wollen.

Wie alt fühlen Sie sich denn? Kommt auf die Tageszeit an. Am Morgen eher älter als am Abend. Aber das Gegenteil ist auch möglich. Je nachdem, wer abends zu Tisch sitzt. Oder morgens beim Frühstück. Enge Freunde sagen jedenfalls, ich sei ein Kindskopf geblieben. Ich verstehe das als Kompliment, und so ist es auch gemeint. Schliesslich weiss jeder, dass einer der Schlüssel zum Glück darin liegt, sich die Neugier und den Unsinn des Kindes zu bewahren, egal wie viele Geburtstagskerzen auf dem Kuchen stehen.

Und was schwindet mit den Jahren? Die Fähigkeit zum Kompromiss. Die Konsequenz davon ist nicht Altersstarrsinn, sondern die Erkenntnis, dass man nicht mehr zu allem Ja und Amen sagen muss, wie das in der Vergangenheit vielleicht der Fall war, vor allem in jungen Jahren. Da will man gefallen und macht viel Blödsinn. Man riskiert, sich selbst zu verlieren, bevor man sich gefunden hat. Ich glaube, dass man im Alter mehr Kanten bekommt, mehr Profil und somit mehr Charakter.

Was bedeutet Älterwerden für Sie? Ich bekomme keine Werbung mehr für Lippenstifte und sexy Dessous. Stattdessen werde ich mit Gelenksalben-Proben und Stützstrumpfhosen beglückt. Echt toll! Das zeigt, dass die Werbeindustrie noch in alten Kategorien denkt, im wörtlichen Sinn. Sie hat nicht verstanden, dass unsere Generation nach wie vor Spass haben will und kann, mit oder ohne Hüftprothese. Auf den Social Media-Kanälen wird der Jugendwahn zelebriert, was oft zu einem völlig verzerrten Bild der Realität führt. Ja, selbst eine Jane Fonda sieht morgens vermutlich anders aus als auf dem Cover der Vogue. Und doch haben viele das Gefühl, sie müssten faltenfrei und aufgebrezelt aus dem Bett steigen. Viel Glück dabei!

Was möchten Sie heute nicht mehr missen? Ich habe gelernt, dass ich nicht mehr gefallen muss – und das fühlt sich großartig an! Es war ein langer Prozess, aber es hat sich gelohnt, das Wort «Nein» zu entdecken.

Gibt es ein Geheimrezept für Zufriedenheit & Selbstakzeptanz? Ich empfehle das Buch «Anleitung zum Unglücklichsein» von Paul Watzlawick – ein Meisterwerk, das uns zeigt, wie man garantiert alles falsch macht. Hält man sich ans Gegenteil davon, hat man gute Chancen, kleine Glücksfältchen zu bekommen statt Zornesfurchen. Für mich persönlich liegt der Schlüssel in drei Dingen: sich nicht ständig mit anderen zu vergleichen, dankbar für die eigene Gesundheit zu sein und immer zu versuchen, das Glas halb voll zu sehen – oder zumindest sicherzustellen, dass Wein drin ist. Wer Spass hat, braucht keinen zusätzlichen Hormon-Booster.

Was braucht es für einen sorgenfreien Lebensabend? Im besten Fall: Gesundheit, gute Freunde, finanzielle Unabhängigkeit. In dieser Reihenfolge. Zudem einen Hund wie Idefix, der mich zum Spazieren zwingt.

Was sind die Zutaten für Lebensfreude im Alter? Es sind kleine Dinge, die grosse Wirkung haben können – ein gutes Buch, eine schöne Blume im Garten, ein tolles Musikstück. Entscheidend ist, das Leben zu führen, das man will. Selbstbestimmung als Stichwort. Und Zeit mit Menschen zu verbringen, die einem guttun. Der Rest, glaube ich, ergibt sich von selbst. Ein zweites Stück Kuchen zum Dessert? Klar doch. Hauptsache, man hat Bock drauf – könnte ein Motto sein im Alter.

Wie definieren Sie Schönheit und welchen Stellenwert hat diese für Sie? Menschen, die bewusst und mit Leidenschaft leben, strahlen Schönheit aus. Die Kämpfer, Querdenker, Abenteurer. Es sind auch die, die meine Neugier wecken und mir neue Horizonte eröffnen. An glatten Oberflächen hält man sich nicht fest, an den Bruchkanten schon. Wer lebt, hat Narben. Lebensgeschichten. Mit 60 lerne ich gerade, diese Narben zu verstehen. Und zu schätzen. Bei anderen und bei mir selbst. Das ist ein neues, extrem gutes Gefühl.

Portrait:

Die Schweizer Medien-Unternehmerin begann ihre Karriere als Moderatorin und TV-Reporterin. Enge Freunde attestieren der Mutter eines erwachsenen Sohnes, bis heute ein Kindskopf geblieben zu sein. Die 60-Jährige hat ein Herz für Querdenker, ihren Hund Idefix und ehrenamtliche Tätigkeiten. Zu Affolters Hobbies zählen das Reisen, Filmen, Schreiben und Golfen.

4. Jul 2025

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Wirtschaft

Chancen für die Zukunft der Versorgung – mit Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Jürgen Debus & Dr. Johannes Danckert

![Dr_Johannes_Danckert_Copyright_Kevin_Kuka_Vivantes_online.jpg](https://cwbucket.fra1.digitaloceanspaces.com/Dr_Johannes_Danckert_Copyright_Kevin_Kuka_Vivantes_online_6e3b6d01f5.jpg) ``` Dr. Johannes Danckert, Vorsitzender der Geschäftsführung, Vivantes – Netzwerk für Gesundheit GmbH ``` **Dr. Johannes Danckert, Vorsitzender der Geschäftsführung, Vivantes – Netzwerk für Gesundheit GmbH** Digitalisierung kann die Patientenversorgung schneller, besser und sicherer machen. Immer öfter werden dabei auch die traditionellen Grenzen zwischen ambulanten und stationären Bereichen sowie einzelnen Versorgungseinrichtungen abgebaut. So kann die ‚Patient Journey‘, also der gesamte Behandlungsweg eines Patienten von Diagnose bis Nachsorge, zu einer vernetzten Gesundheitsregion verbunden werden. Trotz deutlicher digitaler Fortschritte haben deutsche Krankenhäuser allerdings weiterhin erheblichen Entwicklungsbedarf, bedingt vor allem durch kleinteilige Strukturen und unzureichende Finanzierung. Denn die Implementierung innovativer Lösungen setzt bereits einen hohen Digitalisierungsgrad voraus. Bei Vivantes wurden zentrale Prozesse wie die Patientenkurve, Medikation, Pflegeprozesssteuerung sowie Anforderungs- und Befundungsprozesse digitalisiert. Auch große Teile der Medizintechnik sind eingebunden. KI-gestützte Systeme helfen uns, Frakturen und Embolien schneller zu erkennen oder warnen vor Komplikationen wie Delir oder Nierenversagen. Künstliche Intelligenz unterstützt uns auch dabei, Patientendaten direkt aus dem Rettungswagen in das Klinik-Informationssystem (KIS) zu übertragen, sodass die Krankenakte bei Ankunft bereits angelegt ist. Eine von uns entwickelte, interoperable Datenplattform ermöglicht zudem den automatisierten Datenaustausch von inzwischen 15 Klinikträgern in der Region Berlin-Brandenburg. Damit entstehen telemedizinische Versorgungskonzepte weit über Berlin hinaus. ![prof.dr.dr.jurgendebus_online.jpg](https://cwbucket.fra1.digitaloceanspaces.com/prof_dr_dr_jurgendebus_online_d7f732ea04.jpg) ``` Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Jürgen Debus, Vorstandsvorsitzender und Leitender Ärztlicher Direktor des Universitätsklinikums Heidelberg ``` **Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Jürgen Debus, Vorstandsvorsitzender und Leitender Ärztlicher Direktor Universitätsklinikum Heidelberg** Smarte Technologien und eine optimale Datennutzung verbessern den Klinikalltag und die Patientenversorgung. Das zukünftige Herzzentrum am Universitätsklinikum Heidelberg planen wir als Smart Hospital: Dort werden z. B. OPs gefilmt und das KI-System warnt automatisch bei Veränderungen des Patienten oder ungewöhnlichen Vorgängen. So werden Risiken früh erkannt und die Sicherheit erhöht. Dank verknüpfter Patientendaten und digitalem Terminmanagement läuft auch die Vorbereitung auf Eingriffe effizienter, da benötigte Ressourcen wie CT-Termine frühzeitig ersichtlich sind. Ein smartes Entlassmanagement stellt relevante Dokumente für den Patienten automatisch bereit und koordiniert Sozialdienst, Pflege und Medikamentenbedarf, sodass der Übergang in die weitere Versorgung optimal organisiert ist. In all diesen Algorithmen und Systemen steckt das gebündelte Wissen von Ärztinnen und Ärzten, Pflegepersonal und Forschenden. Die meisten KI-Anwendungen basieren auf maschinellen Lernmodellen, die mit Patientendaten trainiert werden, um Muster zu erkennen. Je größer der verfügbare Datensatz, desto exakter fallen Diagnosen und Prognosen aus – ein wichtiger Faktor angesichts des steigenden Versorgungsbedarfs bei gleichzeitig sinkender Zahl an Fachkräften. Smarte Technologien helfen, diese Lücke zu schließen und die Versorgung weiterhin auf hohem Niveau zu gewährleisten. Damit es nicht bei Insellösungen bleibt, treiben wir die übergreifende Datenintegration voran, ähnlich wie sie in der internationalen Forschung etabliert ist.