30. Dez 2024
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Gesundheit
Journalist: Katja Deutsch
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Foto: 21.raum GmbH
Philipp Lahm vermittelt seinen eigenen Kindern die Wichtigkeit von Ritu-alen und Zusammenhalt innerhalb der Familie. Benachteiligte Kinder in Deutschland und Südafrika unterstützt er mit seiner Stiftung.
Im Idealfall ist eine Familie ein Team, in dem alle zusammenhalten und sich gegenseitig unterstützen und respektvoll behandeln. Macht es für Sie einen Unterschied, den Teamgedanken statt auf dem Rasen in Ihrer eigenen Fami-lie zu leben? Das ist interessant, mal über die Gemeinsamkeiten nachzudenken. Es gibt schon ein paar Parallelen zwischen der Familie und einer Fußballmannschaft. Beide basieren auf Regeln, die alle zu akzeptieren haben. Sie sind die Grundlage. Aber die Unterschiede sind größer. Familie ist bedingungslose Liebe, Fürsorge, ewige Verbundenheit, auch ein ganz anderer Grad an Verbindlichkeit.
Jedes Kind hat andere Bedürfnisse und Fähigkeiten, nicht selten ganz andere als die eigenen Eltern. Wie gehen Sie und Ihre Frau damit um? Das ist sehr schön, wenn die Kinder eigene Dinge für sich entdecken. Meine Frau und ich unterstützen und fördern sie in allem, was sie tun, in all ihren Neigungen und Stärken. Es heißt aber auch: Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm. Unser Sohn spielt Fußball. Und ich bin der Co-Trainer seiner Mann-schaft. Wir pflegen also ein gemeinsames Hobby.
Kleine Kinder brauchen Wurzeln, große Kinder brauchen Flügel. Wie versu-chen Sie, Ihren beiden Kindern zu starken, stabilen Wurzeln zu verhelfen? Da helfen viele mit: Geschwister, Tanten, Onkels, Omas und Opas von beiden Seiten. Sie ermöglichen eine starke Verwurzelung in der Familie. Natürlich sind auch Institutionen wichtig, wie die Kita, die Schule, der Verein. Sie erst binden Kinder in die Gesellschaft ein. Dort begreifen sie, wie Gesellschaft funktioniert. Man braucht starke Institutionen, die Bildung vermitteln.
Welche Rolle spielen Traditionen und Rituale in Ihrem Familienleben, um die Bindung zu stärken? Eine große. Sie bilden eine Klammer über die Generationen hinweg. Das habe ich so erlebt, das erleben auch unsere Kinder. An Weihnachten und Silvester kommen bei uns alle zusammen und nehmen sich Zeit. Jeder bringt etwas mit, hilft bei der Vorbereitung und beim Aufräumen. Da kommt man sich näher. Traditionen muss man einerseits pflegen, andererseits immer anpassen, damit sie eine moderne Identität annehmen.
Was tun Sie konkret, um sicherzustellen, dass es jedem Mitglied Ihrer Familie gut geht, sowohl körperlich als auch emotional? Ich diszipliniere mich selbst. Ich achte auf meine Gewohnheiten. Ich habe mir einen geregelten Tagesablauf angewöhnt. Das war gar nicht selbstverständlich nach knapp fünfzehn Jahren Profidasein und anschließenden sechs als Turnierdi-rektor der Euro 2024. Kinder beobachten das sehr genau und spiegeln oft das Verhalten ihrer Eltern. Etwa, ob sie Regeln einhalten oder nicht.
Sie gelten als Vorbild für viele Menschen, sowohl auf als auch abseits des Platzes. Wie versuchen Sie, diese Vorbildfunktion innerhalb Ihrer Familie auszufüllen? Auf dem Platz geht das ja nicht mehr. Unsere Tochter hat mich nie spielen se-hen, unser Sohn hat höchstens noch blasse Erinnerungen daran. Sport ist für mich heute Freizeit, Spaß am Spiel. Das lebe ich ihnen vor, und das leben wir gemeinsam. Letztlich bin ich unseren Kindern ein Vorbild wie jeder andere Va-ter auch. Ich widme mich ihnen und will ihre Interessen verstehe und teilen. Man muss Kinder jedoch auch mal allein etwas machen lassen – damit sie, wie Sie es gesagt haben, Flügel bekommen.
Welche Lektionen aus Ihrer Zeit als Profifußballer geben Sie an Ihre Kinder weiter? Niederlagen gehören zum Spiel. Anschließend heißt es: wieder aufstehen, neuen Mut fassen, bei der Stange bleiben. Das Finale dahoam 2012 war in dieser Hin-sicht einschneidend. Wir gaben alles, verloren aber unglücklich. Nach der ersten Enttäuschung haben wir uns wieder aufgerafft. Ein Jahr später gewannen wir drei Titel.
Wie stellen Sie sich die Zukunft Ihrer Familie vor, und welche Hoffnungen und Wünsche haben Sie für Ihre Kinder? Unseren Kindern wünschen wir natürlich nur das Beste. Gesundheit, eine Auf-gabe, die sie begeistert, und Freude am Leben. Familienbande sind nachweislich am stärksten. Ich habe die Hoffnung, dass bei uns ein starker Sinn für Zusam-menhalt vorhanden ist. Der entsteht, wenn Verständnis füreinander da ist. Wenn alle einen Sinn in ihrem Tun empfinden. Zum Beispiel, sich in der Schule anzu-strengen, weil man sich Kompetenzen aneignet. Wir schicken unsere Kinder auch in den Musikunterricht und den Fußballverein. Das sind sinnvolle Beschäf-tigungen, weil sie merken: Es kommt auf sie an. Musik und Sport lehren sie zudem, mutig zu sein – auch mal ein Solo wagen. Wenn Kinder diese Verant-wortung tragen, werden sie resilient. Im Kleinen wie im Großen.