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1. Okt 2024

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Gesundheit

Kostbares Seelenheil

Journalist: Kirsten Schwieger, Nadine Wagner

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Foto: Anthony Tran/unsplash

Prävention und Früherkennung werden immer wichtiger für den Erhalt, respektive die Rückgewinnung, psychischer Gesundheit

Rund 18 Millionen Deutsche erkranken jedes Jahr an psychischen Leiden – also jeder vierte Bundesbürger. Angststörungen, Depressionen und Störungen durch Alkohol- oder Medikamentengebrauch zählen, laut der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN), zu den häufigsten Krankheitsbildern. Immer häufiger sind diese Krankheiten ein Grund für Fehlzeiten im Job sowie für Frühverrentung und verursachen enorme volkswirtschaftliche Kosten.

Insbesondere Depressionen haben sich mittlerweile zur Volkskrankheit entwickelt. Rund 5,3 Mio. Bundesbürger leiden darunter. Frauen doppelt so häufig wie Männer. Weltweit betrifft diese oft unterschätzte Krankheit geschätzt 322 Millionen Menschen.

Aus dem Quartalsbericht „Psychische Gesundheit“ (2023) des Robert-Koch-Instituts geht hervor, dass depressive Symptome im Vergleich zu 2019 zugenommen haben. Gleichzeitig sank der Anteil der Personen, die ihre psychische Gesundheit als gut oder sehr gut bewerteten um zehn Prozent.

Prävention und Früherkennung psychischer Erkrankungen sind hier Handlungsfelder mit vielfältigem Spielraum und Erfolg versprechenden Aussichten. Prävention bedeutet Vorbeugung, also Krankheiten gar nicht erst aufkommen zu lassen. Sie kann aber auch bei bereits existierenden Erkrankungen eine Rolle spielen, indem sie deren Auswirkungen durch frühzeitige Diagnose begrenzt. In solchen Fällen ist dann, im Gegensatz zur Primärprävention, die Rede von Sekundärprävention. Viele psychische Erkrankungen manifestieren sich oft bereits in jungen Jahren. Früh erkannt, sind viele von ihnen sind psychotherapeutisch und medikamentös gut behandelbar. Das gilt auch für depressive Erkrankungen. Psychiater und Psychotherapeuten fordern deshalb schon länger, präventiven Maßnahmen sowie Früherkennung und -intervention eine größere Bedeutung zu verleihen – sowohl in der Versorgung als auch im Bewusstsein der Bevölkerung.

Mehr gesellschaftliches Bewusstsein für psychische Erkrankungen und bessere Aufklärung sind auch zwei Ziele des bundesweiten Präventionsprojekt „Offensive Psychische Gesundheit“. Unterstützt wird die Initiative von der DGPPN und deren Aktionsbündnis Seelische Gesundheit. Neben neuen innovativen Modellen aus Diagnostik und Wissenschaft für das Gegensteuern bei psychischen Erkrankungen macht sich die Initiative für eine flächendeckende Infrastruktur gemeindenaher Präventions- und Früherkennungszentren stark. Laut DGPPN können diese Einrichtungen Anlaufstellen für präventive Untersuchungen und niedrigschwellige Behandlungsangebote sein. Menschen in Risikostadien sollen hier schon früh Hilfe zur individuellen Verhaltensprävention erhalten. Darüber hinaus fordert die Initiative die institutionalisierte Beteiligung von Angehörigen und Betroffenen an sämtlichen Entscheidungsprozessen.

Denn beide Parteien können zu seelischer Gesundheit beitragen, beziehungsweise dazu, bestehendes Leid zu mildern. So beginnen Maßnahmen der Primärprävention von Depressionen beispielsweise mit dem Erkennen von Risikofaktoren, wie beispielsweise kritische Lebensereignisse, Alkoholabhängigkeit oder auch familiäre Vorbelastungen. Wobei es in der Regel nicht eine einzige auslösende Ursache gibt, sondern ein ungünstiges Verhältnis erworbener oder angeborener Neigungen in Kombination mit emotionalem Stress. An diese Faktoren können dann gezielt Präventionsmaßnahmen ansetzen. Beispielsweise, indem stabilisierende Ressourcen gefördert werden. Dazu zählen emotionale Ausgeglichenheit, soziale Einbindung oder auch soziale Unterstützung. Auch sämtliche Maßnahmen der allgemeinen Gesundheitsförderung wie Bewegung, Entspannung und Stressabbau tragen zur Depressions-Prävention bei. Bereits aufgetretene Depressionen lassen sich in Zeiten der Pandemie auch mit alternativen Behandlungsmethoden wie Telefon- und Videosprechstunden behandeln. Die Deutsche Depressionshilfe empfiehlt zudem das kostenlose Online-Tool „iFightDepression“, ein begleitetes Selbstmanagement-Programm für Erwachsene und Jugendliche ab 15 Jahren. Psychotherapeuten betonen jedoch, dass reine Online-Therapien längerfristig kein Ersatz für eine persönliche, unmittelbare Unterstützung seien.

Für Kinder und Jugendliche stellen ein positives Familienklima, Spaß an der Schule und enge Freundschaften wirksame Schutzfaktoren gegen Depressionen dar. Psychisch erkrankte Kinder und Jugendliche weisen nicht selten eine verzögerte Entwicklung gegenüber gesunden Gleichaltrigen auf. Früh erkannt haben die Betroffenen durch altersspezifische und fachübergreifende Behandlungsangebote gute Heilungschancen. Auch der Volkskrankheit Alzheimer können Wissen und anschließende Verhaltensmaßnahmen entgegenwirken, beziehungsweise diese aufhalten. Laut DGPPN zählen dazu Ernährungsberatung, Bewegungsförderung, kognitives Training und die Förderung sozialer Aktivitäten. Es ergibt also immer Sinn, frühzeitig mit Prävention zu beginnen.

Hilfe bei Depressionen:

Die Stiftung Deutsche Depressionshilfe bietet auf ihrer Webseite einen interaktiven, anonymen Selbsttest, ein Info-Telefon, Rat für Angehörige sowie Adressen von Krisendiensten, Beratungsstellen, Online-Foren und Selbsthilfegruppen. www.deutsche-depressionshilfe.de