11. Jul 2025
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Gesundheit
Journalist: Pia Rische
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Foto: Presse
Tierversuche in der Medizin sind ein kontroverses Thema, das ethische, wissenschaftliche und gesellschaftliche Fragen aufwirft. Während sie seit Jahrzehnten als Standard in der medizinischen Forschung gelten, wächst gleichzeitig die Kritik an ihrer Aussagekraft, Notwendigkeit und moralischen Vertretbarkeit. Dr. Gaby Neumann, Bärbel Dreyer und Sabrina Engel beleuchten das Thema aus verschiedenen Perspektiven.
Dr. Gaby Neumann, Wissenschaftlerin & Pressesprecherin, Ärzte gegen Tierversuche e. V.
Tierversuche sind weder wissenschaftlich verlässlich noch ethisch vertretbar. Tiere unterscheiden sich in zentralen biologischen Aspekten wie Genetik, Stoffwechsel und Immunsystem grundlegend vom Menschen. Deshalb sind Ergebnisse aus Tierversuchen nicht auf den Menschen übertragbar. Besonders deutlich wird das in der Medikamentenentwicklung: Über 90 Prozent aller Wirkstoffe, die im Tierversuch als sicher und wirksam gelten, scheitern später in klinischen Studien. Das ist nicht nur ein gravierendes Forschungsproblem, sondern auch aus Sicht der Patientenethik bedenklich – denn es werden falsche Hoffnungen geweckt, wertvolle Zeit und erhebliche finanzielle Mittel vergeudet und Patienten unnötigen Risiken ausgesetzt.
Moderne, tierversuchsfreie Technologien eröffnen hingegen eine zukunftsfähige, wissenschaftlich-fundierte biomedizinische Forschung. Humanbasierte Verfahren wie Mini- Organe, Multi-Organ-Chips, Bioprinting oder KI-gestützte Modelle liefern belastbare Daten, die direkt auf den Menschen übertragbar sind. Sie schaffen die Grundlage für bessere Therapien und stehen zugleich für einen Forschungsansatz, der ohne Tierleid auskommt.
Als Ärztevereinigung fordern wir ein konsequentes Umdenken in Wissenschaft und Politik: Forschung muss sich am Menschen orientieren – nicht an irreführenden Tierversuchen. Investitionen gehören in innovative, tierversuchsfreie Methoden. Nur so kann Medizin im 21. Jahrhundert wirklich fortschrittlich, ethisch vertretbar und patientenorientiert sein.
Sabrina Engel, Fachreferentin Bereich Tierversuche, Biotechnologin,
Kampagnenteam PETA Deutschland e. V.
„Tierversuche“ und „moderne Medizin“ – zwei Konzepte im Widerspruch. Moderne, effiziente Wissenschaft kommt nicht um einen Paradigmenwechsel herum.
Neues Wissen zu generieren, ist zweifellos ein wichtiges Ziel. In Tierversuchen geschieht das auf Kosten fühlender Lebewesen: Mäuse, Ratten und Kaninchen werden im Rahmen von Experimenten vergiftet, mit Elektroschocks gequält oder künstlich krank gemacht. Doch es steht uns schlichtweg nicht zu, an Tieren zu experimentieren. Zudem unterscheidet sich der menschliche Organismus von dem anderer Tiere, weshalb ein Großteil der im Tierversuch erfolgreichen Medikamente in klinischen Studien scheitert.
Tierversuchsfreie, humanrelevante Forschungsmethoden gibt es bereits viele. Organoide, Organ-Chips oder computergestützte Modelle liefern schon heute verlässlichere Daten. Technologien wie die Generierung von Stammzellen aus beispielsweise Hautzellen – 2012 mit dem Nobelpreis ausgezeichnet – zeigen das große, bislang kaum genutzte Potenzial tierversuchsfreier Ansätze.
International zeichnet sich bereits ein Wandel ab: US-amerikanische Behörden setzen zunehmend auf tierversuchsfreie Verfahren, die EU-Kommission erarbeitet einen Ausstiegsplan für Tierversuche bei gesetzlich vorgeschriebenen Tests. Tierversuche sind nicht zukunftsfähig und es liegt an uns, den Übergang zu einer modernen und tierversuchsfreien Zukunft zu beschleunigen. Das Leben von Millionen Tieren steht auf dem Spiel – und das von Millionen Patienten, die auf neue Therapien warten.
Bärbel Dreyer, Tierschutzverein Europa
Tierversuche müssen sofort abgeschafft werden.
Durch grausame Experimente werden jährlich weltweit unzählige Mäuse, Ratten, Affen, Katzen, Hunde und andere Tierarten missbraucht – obwohl längst bekannt ist, dass etwa 90 Prozent aller Medikamente, die bei Tieren wirksam waren, beim Menschen unwirksam sind oder sogar tödliche Nebenwirkungen verursachen.
Tierversuche behindern den medizinischen Fortschritt, da Tiere aufgrund ihrer Lebensweise und biologischen Unterschiede zum Menschen völlig anders funktionieren. Wichtige Faktoren wie Genetik, Ernährung, Lebensumstände, Stress, Alter und Geschlecht werden dabei nicht ausreichend berücksichtigt.
Wertvolle medizinische Erkenntnisse stammen ausnahmslos aus Bevölkerungsstudien oder humanbasierten, tierversuchsfreien Forschungsmethoden.
Tiere müssen unermesslich leiden, weil gigantische Industriezweige von den Experimenten profitieren – angefangen bei Zuchtbetrieben und Laborausstattern bis hin zu den Experimentatoren, die von enormen Fördergeldern profitieren.
Diese grausame Tierquälerei ohne wissenschaftlichen Nutzen dient einzig den zahlreichen skrupellosen Profiteuren, die dieses milliardenschwere, lukrative Geschäft aufrechterhalten wollen.