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28. Mai 2021

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Gesellschaft

Turmbau zu Babel? Jetzt nicht mehr!

Journalist: Katja Deutsch

Laura Tönnies revolutioniert mit ihrem Start-up corrux Baustellen, indem sie Baustellenmaschinen in einheitlicher Sprache kommunizieren und überwachen lässt.

Bagger! Laster! Kräne! Nicht nur kleine Jungs werden davon magisch angezogen, auch die junge schnelle, hellwache corrux-Gründerin Laura Tönnies hat eine starke emotionale Bindung zu den riesigen, schweren Maschinen auf großen Baustellen. Seit ihren Kindertagen springt die Tochter einer Bauleiterin und eines Architekten darauf herum, mittlerweile ohne ihre Eltern, da-für mit einer bahnbrechenden Idee: Einer Software, die sämtliche Baumaschinen überwacht, vernetzt und ihre von Herstellerseite vorgegebene Sprache in einem einheitlichen Tool bündelt, sodass Planer und Baustellenleiter relevante Daten aus ihnen ablesen können. Ihr Ziel: Effizienter zu bauen und dadurch weniger Zeit und Material zu verschwenden. 

Der Name corrux setzt sich zusammen aus der Endung UX von „User Experience“, und den Begriffen „construction“ und „corrective“, Baustelle/Konstruktion und Korrektiv. „Ich glaube nicht, dass die  Platzhirsche der Baumaschinen-Industrie  es schaffen, die Digitalisierung in der Branche tatsächlich zu integrieren“, sagt Laura Tönnies. „Aber eventuell sehen wir auch hier dieselbe Entwicklung, die wir auch in anderen Industrien gesehen haben. Eventuell werden auch diese stolzen Unter-nehmen mit Tradition junge Unternehmen zukaufen und integrieren, und somit den Bauprozess weiter optimieren. Dies ist meiner Meinung nach auch notwendig, sonst erreichen wir in zehn Jahren günstigeres Bauen, aber kein besseres.“

Die Software von corrux, die fortlaufend weiterentwickelt wird, ermittelt anfangs die reinen Maschinendaten: Läuft der Motor gerade? Hat die Maschine ausreichend Benzin? Gibt es Implikationen für die Größe der Maschine? Auf der zweiten Ebene werden Prozessdaten abgefragt: Was macht die Maschine gerade? Steht sie herum oder wird sie benutzt? Im Baubereich kommen weitere Referenzwerte dazu. Handelt es sich um eine betonverarbeitende Maschine, betrachtet man die Prozessdaten des Betons: Hat er die richtige Konsistenz, stimmt die Qualität, passt die Art, wie die Maschine operiert, überhaupt zum erforderlichen Prozess? Gibt es einen Betonstopfer, oder stimmt der Druck in der Maschine? 

Bei Maschinen für den Tiefbau kann corrux kommunizieren, was die Maschine dimensioniert: Wieviel Erde befindet sich gerade auf der Baggerschaufel? Durch die Wiegeeinrichtung in der Maschine entsteht ein sehr breites Bild von den Prozessen, die sich auf einer Baustelle abspielen. „Die Maschinen sind also relativ gesprächig, und das finden wir spannend! Der große Mehrwert von corrux besteht darin, dass es bisher niemanden gibt, der das Sprachwirrwarr der vielen verschiedenen Hersteller und Maschinen erfolgreich und business- case orientiert umgesetzt hat, weil all diese Maschinen immer noch fortlaufend in einer anderen Sprache oder zumindest anderen Dialektik kommunizieren.“

Wie wird die Idee des Start-ups angenommen? Laura Tönnies ist mittlerweile klar, dass corrux als disruptives Element gilt, dennoch erfährt die Gründerin in den unterschiedlichsten Unternehmens- und Konzerngrößen viel Verständnis und Interesse. Darauf ist das Start-up angewiesen, denn es hat zwar hohe Expertise in der Erstellung von Software und Produktideen, benötigt aber laufend Feedback und Wissen vom jeweiligen Bauunternehmen.

„Meiner Meinung nach ist der Schmerz im Baubereich verhaftet. In jedem Gespräch mit einem Bauleiter lässt sich sehr schnell ein Schmerzpunkt herauskitzeln: Baustellenleiter erkennen die immense Fragmentierung, sie bekommen nicht genügend Leute, können die komplexen Projekte kaum noch steuern, sind von den bauinternen Vorgaben restlos überfordert. Und nun kommen wir und treten mit einem Basis-Schmerzmittel an! Bildlich gesprochen identifizieren wir dann gemeinsam, ob zusätzlich noch Vitamine oder eher noch mehr Schmerzmittel nötig sind. Corrux ist sehr fokussiert auf diese Gespräche mit Kunden, um den Bauleiter in den nächsten Schritten weiter entlasten zu können.“ Die sportliche Gründerin, die Mathematik und Philosophie studiert hat, sieht die gesamte Baubranche an einem Scheidepunkt. „Heute ist jeder Bau immer noch im Wesentlichen ein Einzelstück. Das ist mit den Problemen in Bezug auf Personal nicht aufrecht zu erhalten. Es werden Prozesse benötigt mit denen replizierbar und automatisiert gebaut werden kann. Dabei hilft corrux.“

Welche drei Fragen stellt Laura Tönnies einem Bauleiter? „Ich frage, woran der Ansprechpartner eine erfolgreiche Bau-stelle misst, dann nach Verschwendungen (redundante Bestellprozess, schwierige Kollaboration) und welche Verspätungen man in seinem Bauprozess proaktiv entgegen-wirken könnte.“ Sitzt ihr ein sehr motivierter Bauleiter gegenüber, erfragt sie auch das Zielbild einer digitalen Baustelle. 

Corrux liefert heute schon Daten ans BIM-Modell zurück und ermöglicht seinen Kunden eine komplette Soll-Ist-Dokumentation. Was anhand des BIM-Modells geplant wurde, ergänzt corrux mit echten Nutzungsdaten aus der Bauerrichtungsphase. Laura Tönnies: „Wir fänden es schön, wenn zusätzlich die Komponente der Bemessung der Verschwendung Einzug in die BIM Dimensionen fände, denn die Cradle-to-Cradle-Prinzipien ist extrem spannend. Wir haben für uns das Ziel des verschwendungsfreien Bauens ausgerufen: Verschwendung bemessen, um sie eliminieren zu können!“

30. Apr 2025

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Gesellschaft

Eine benutzerfreundliche Infrastruktur ist ein Muss für den Erfolg der Elektromobilität in Deutschland – mit Christian Heep, Vorstand im Bundesverband eMobilität (BEM)

![Christian Heep Vize-Präsident BEM Bundesverband eMobilität -Online.JPG](https://cwbucket.fra1.digitaloceanspaces.com/Christian_Heep_Vize_Praesident_BEM_Bundesverband_e_Mobilitaet_Online_14b581b45a.JPG) ``` Christian Heep, Vorstand im Bundesverband eMobilität (BEM) ``` **Welche strategischen Bereiche stehen derzeit im Fokus des BEM?** Wir setzen auf die systemische Transformation des Mobilitätssektors. Dabei liegt unser Augenmerk auf dem flächendeckenden Ausbau der Ladeinfrastruktur, der Verknüpfung mit erneuerbaren Energien, klaren regulatorischen Rahmenbedingungen und der Stärkung der industriellen Wettbewerbsfähigkeit in Deutschland. **Wie gestaltet sich der Ausbau der Ladeinfrastruktur?** Ein leistungsfähiges Ladenetz ist entscheidend für die Akzeptanz der Elektromobilität. Wir fördern eine interoperable und benutzerfreundliche Infrastruktur, die intelligente Netzintegration, bidirektionales Laden und Speicherlösungen umfasst. Bestehende Tankstellen sollen als multifunktionale Energiehubs umgerüstet werden. **In welcher Verbindung stehen E-Mobilität und erneuerbare Energien?** Elektromobilität ist nur dann nachhaltig, wenn der Strom aus Wind und Sonne kommt. Daher muss eine direkte Verbindung zwischen Ladeinfrastruktur und erneuerbaren Energien geschaffen werden – unterstützt durch intelligente Netzsteuerung, lokale Erzeugung und Speicherlösungen. Regulatorische Anreize sollen Betreibende und Nutzende dazu motivieren, verstärkt Grünstrom zu verwenden. >Die Verkehrswende ist ein zentraler Hebel, um CO₂-Emissionen zu senken und die Luftqualität zu verbessern. **Welche Rolle spielt die Verkehrswende im Klimaschutz?** Die Verkehrswende ist ein zentraler Hebel, um CO₂-Emissionen zu senken und die Luftqualität zu verbessern. Neben der Elektrifizierung des Straßenverkehrs setzen wir auf multimodale Verkehrskonzepte und die effiziente Nutzung vorhandener Infrastruktur. **Wie trägt E-Mobilität zur Stärkung der deutschen Wirtschaft bei?** Der Übergang zur Elektromobilität bietet Deutschland die Chance, sich von fossilen Technologien zu lösen und in Zukunftsbranchen zu investieren. Wichtige Bereiche sind hier die Forschung, Entwicklung und Produktion von Batterien, Ladeinfrastruktur und digitalen Mobilitätsdiensten – essenziell, um international wettbewerbsfähig zu bleiben. **Ist staatliche Förderung noch notwendig?** Ja, staatliche Förderungen bleiben essenziell, müssen aber zielgerichtet, degressiv und langfristig ausgerichtet sein. Sie sollen den Markthochlauf, den Infrastrukturausbau und die Forschung unterstützen – während gleichzeitig Subventionen für fossile Kraftstoffe reduziert werden müssen. >Statt Handelsbarrieren sollten wir unsere eigenen Stärken in der Elektromobilität ausbauen, um die Wertschöpfung in Europa zu erhöhen und langfristig eine nachhaltige Industriepolitik zu verfolgen. **Wie sollten staatliche Fördermaßnahmen gestaltet sein?** Es braucht eine Förderpolitik, die die Transformation gesamtheitlich betrachtet: Infrastruktur, Fahrzeugflotten, Speichertechnologien und Netzintegration. Gleichzeitig müssen regulatorische Hemmnisse abgebaut werden, etwa bei Netzentgelten oder Abgaben auf Eigenstromnutzung. Neben regulatorischen Rahmenbedingungen und politischer Lenkungswirkung sind sowohl monetäre als auch nicht-monetäre Förderungen notwendig. Jeder investierte Euro zahlt sich langfristig aus, indem er Innovationskraft, Arbeitsplätze, Wertschöpfung und Klimaschutz sichert. **Wie bewertet der BEM die erhöhten Zölle auf chinesische Elektroautos?** Protektionismus ist kein zielführender Ansatz. Statt Handelsbarrieren sollten wir unsere eigenen Stärken in der Elektromobilität ausbauen, um die Wertschöpfung in Europa zu erhöhen und langfristig eine nachhaltige Industriepolitik zu verfolgen. ## Factbox: **Christian Heep ist Vorstand beim BEM** und leitet Marketing, Medien, PR, Kommunikation, Politik, Messen und Events. Seine Leidenschaft für erneuerbare Energien und Elektromobilität inspiriert ihn zu innovativen Projekten für eine nachhaltige Mobilität.