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29. Sep 2022

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Gesellschaft

„Wir brauchen eindeutige Regeln“

Journalist: Thomas Soltau

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Foto: Ca Creative/unsplash

Echte Nachhaltigkeit funktioniert nicht ohne abgestimmte Kreislaufwirtschaft. Dazu benötigt es eine erweiterte Hersteller-, aber auch Konsumentenverantwortung. Was die Politik für eine funktionierende Kreislaufwirtschaft leisten muss, weiß Peter Kurth, Präsident des Bundesverbands der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Kreislaufwirtschaft e. V. (BDE).

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Peter Kurth, Präsident des Bundesverbands der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Kreislaufwirtschaft e. V. (BDE); Foto: Presse/BDE

Herr Kurth, Nachbarstaaten wie die Niederlande agieren in Sachen Kreislaufwirtschaft bereits vorbildlich. Was fehlt uns dazu noch?

Die Niederlande sind in einigen Punkten schon etwas weiter in der Regulatorik. Wir sind es dafür bei anderen Punkten. Ich würde den Standort Deutschland hier nicht schlechter reden als er ist. Wir haben zum Beispiel bei einigen Metallen ausgezeichnete Substitutionsquoten. Prinzipiell müssen wir aber lernen, im Kreislauf zu denken, ausgehend vom Design eines Produktes bis hin zu den verschiedenen Schnittstellen. Wann ist Papier noch Abfall und wann wird es wieder Rohstoff? Diese Frage wird nicht nur in Europa unterschiedlich beantwortet, sondern sogar zwischen Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz. Das ist nicht akzeptabel. Am liebsten hätten wir eindeutige Regelungen auf europäischer Ebene.

Welche konkreten Forderungen gibt es an die deutsche und europäische Gesetzgebung bezüglich der Kreislaufwirtschaft?

Für den europäischen Binnenmarkt sollte der europäische Gesetzgeber die Rahmenbedingungen festlegen. Da gibt es eine Menge zu tun, weil die einzelnen Vorstellungen der europäischen Mitgliedstaaten keineswegs identisch sind. In Skandinavien, Deutschland, Holland und Österreich sind Mülldeponien für Siedlungsabfälle seit etlichen Jahren verboten. Frankreich beispielsweise hat nicht nur Deponien, sondern die dortigen Unternehmen verdienen an dem Betrieb auch sehr gut. Auch in Polen gibt es Deponien, und auch im südlichen Italien wird fast alles deponiert. Wir brauchen also ein europaweites Deponieverbot. Hier ist der Einsatz der Bundesregierung konkret in Brüssel gefragt.

Was müssen die nächsten Schritte sein, um Kreislaufwirtschaft zu erreichen und die Abfallherausforderungen zukunftsfähig zu lösen?

Wir benötigen in Zukunft langlebige, wiederverwendbare, recycelbare und möglichst reparierbare Produkte. Deshalb brauchen wir die erweiterte Herstellerverantwortung. Es ist daher nur richtig und konsequent, dass die Koalition durch produktspezifische Mindestquoten den Einsatz von Rezyklaten und Recyclingrohstoffen forcieren möchte, und das nicht nur bei Verpackungen.

Welche Rolle spielt die digitale Transformation als Instrument der Kreislaufwirtschaft?

Ein wichtiger Schritt ist es, digitale Produktpässe einzuführen, um Materialien präzise zu identifizieren, so Recycling zu ermöglichen und verbindliche Qualitäten für neue hochwertige Stoffkreisläufe zu gewährleisten. Das angekündigte Recycling-Label, das der BDE seit langem fordert, wird für die notwendige Transparenz sorgen. 

Wie sehen Sie die Rolle der Verbraucher?

Wir müssen permanent beim Endverbraucher darum werben, dass er das Thema Mülltrennung ernster nimmt. Kreislaufwirtschaft und Recycling gelingen nur mit bestmöglicher getrennter Sammlung. Wir wollen die Speisereste z. B. nicht im Restmüll sehen – sie gehören in die Biotonne, denn darüber lässt sich etwa Biogas gewinnen. Nach unseren Schätzungen lassen sich bis zu vier Millionen Tonnen Bio-Abfälle allein aus dem Restmüll herausholen und für die Kreislaufwirtschaft gewinnen.

9. Jul 2025

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Gesellschaft

Die Herausforderungen des Wohnens heute und morgen – ein Beitrag vin Dr. Christine Lemaitre

Kaum ein Bereich des Lebens ist so individuell und emotional behaftet wie das Wohnen. Die Gestaltung des eigenen Zuhauses spiegelt unsere Persönlichkeit wider, zeigt, worauf wir Wert legen und was wir bereits erlebt haben. Die eigenen vier Wände bieten Sicherheit und sind Orte der Entspannung. Nun rückt das Thema Wohnen in der aktuellen Debatte immer wieder in den Fokus. Es herrscht ein Mangel insbesondere an bezahlbarem Wohnraum und das in allen Schichten der Gesellschaft. Gründe dafür gibt es viele, darunter der Bevölkerungswachstum, Binnenwanderung und gestiegene Baukosten. Lösungsansätze sind vorhanden, die nicht nur angesichts der politischen Klimaziele im Einklang mit Nachhaltigkeit und Klimaschutz umgesetzt werden müssen. Denn die Auswirkungen des Klimawandels sind längst spürbar. Die Baubranche steht als einer der Hauptverursacher klar in der Pflicht, Gebäude und Außenräume wieder für den Menschen zu planen und auf eine langfristige, qualitätsvolle Nutzung auszulegen. Das größte Potenzial, um Ressourcen und CO2 einzusparen, bieten der Erhalt und bei Bedarf die Umnutzung bestehender Gebäude, wodurch auch gleich die baukulturelle Identität des Ortes bewahrt wird. Gerade in Städten, wo der Wohnraum besonders knapp ist, stehen Flächen leer deren ursprünglich vorgesehene Nutzung nicht mehr benötigt wird. Durch Offenheit und Mut kann hier etwas ganz Besonderes entstehen. Nachhaltige Strategien wie Suffizienz und Lowtech bieten sowohl im Neubau als auch im Bestand reizvolles Innovationspotenzial. Mit dem Suffizienz-Gedanken geht die Frage einher, wie viel genug ist. Sie sollte immer wieder gestellt werden, um abzuwägen, was bezüglich Fläche, Material und Gebäudetechnik wirklich gebraucht wird. Wer hier einspart, übernimmt Verantwortung. Das gesparte Geld lässt sich an anderer Stelle beispielsweise zugunsten einer hohen Qualität und guter Gestaltung sinnvoll investieren. Ein weiterer wichtiger Punkt ist Flexibilität, um auf sich ändernde Lebenssituationen reagieren zu können. Diese Ansätze sind wie geschaffen für einen neuen, zukunftsweisenden Trend beim Planen, Bauen und Erhalten von Gebäuden. Hilfestellung zur Umsetzung kann das speziell für kleine Wohngebäude entwickelte Zertifizierungssystem der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen geben. Neben Klimaschutz, Kreislauf- und Zukunftsfähigkeit stehen bei der Planung, beim Bau und bei der Sanierung nachhaltiger Wohngebäude der akustische, thermische und visuelle Komfort, sprich die Wohnqualität und das Wohlbefinden der Nutzenden im Mittelpunkt. Neben dem ganz eigenen, individuellen Rückzugsraum, bestückt mit liebgewonnenen Möbelstücken und Accessoires, entsteht dadurch ein besonderer Wert, nämlich der der körperlichen und geistigen Gesundheit. >Neben Klimaschutz, Kreislauf- und Zukunftsfähigkeit stehen bei der Planung, beim Bau und bei der Sanierung nachhaltiger Wohngebäude der akustische, thermische und visuelle Komfort, sprich die Wohnqualität und das Wohlbefinden der Nutzenden im Mittelpunkt. Als Non-Profit-Verein setzen wir uns bei der DGNB für die nachhaltige Transformation der Bau- und Immobilienwirtschaft ein. Wir klären auf, leisten Hilfestellung und sensibilisieren für ein verantwortungs- und qualitätvolles Bauen und Betreiben von Gebäuden. Das DGNB-Zertifizierungssystem verhilft dabei allen am Bau Beteiligten zu einem gemeinsamen Verständnis darüber, welche Möglich- aber auch Notwendigkeiten das nachhaltige Bauen mit sich bringt, um einen positiven Beitrag für Mensch, Umwelt und Wirtschaftlichkeit zu leisten.