Ein Mediziner wertet Ergebnisse am Tablet aus

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13. Mär 2024

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Gesundheit

„Wir müssen Digitalisierung ganzheitlich umsetzen“ – Interview mit Prof. Dr. Dr. Marin Holderried

Journalist: Thomas Soltau

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Foto: Nappy/unsplash

Die Digitalisierung in der Medizin verändert alles – von der Prävention bis zur Nachsorge. Die Potenziale sind enorm, wenn alle Beteiligten und Bereiche involviert sind und eine kluge Umsetzung von Maßnahmen erfolgt. Der Mensch muss dabei im Mittelpunkt stehen, weiß Professor Dr. Dr. Martin Holderried als Leiter des Zentralbereichs Medizin und Chief Medical Information Officer (CMIO) am Universitätsklinikum Tübingen.

Unknown.jpegProf. Dr. Dr. Marin Holderried, Geschäftsführer & Chief Medical Information Officer des Universitätsklinikums Tübingen

Welche Anwendungen und Technologien sind besonders vielversprechend im Bereich Digital Health?

Um sämtliche Bereiche der zukunftsweisenden Medizin effektiv, sicher und effizient zu gestalten, ist eine standortübergreifende Herangehensweise von entscheidender Bedeutung. Multicloud basierte Gesundheitsplattformen, mobile Gesundheitsanwendungen, Künstliche Intelligenz und die Biosensorik sind besonders vielversprechend. Die Zusammenarbeit mit spezialisierten Health-IT-Organisationen ist von Vorteil, um standortunabhängig verschiedene Infrastrukturen und Dienste für mehrere Einrichtungen bereitstellen können. Ganz wichtig für die Versorgung ist, dass diese Plattformen einen barrierefreien Zugang für alle an der Versorgung Beteiligten, einschließlich der Patientinnen und Patienten, ermöglichen. Ob nun Telemedizin, Biosensorik, Robotik oder KI – alles wird die Medizin exakter, schneller und besser machen, wenn die Maßnahmen klug umgesetzt werden.

Wie kann Digital Health dazu beitragen, die Gesundheitsversorgung effizienter und zugänglicher für alle zu gestalten?

Das ist ein ganz wichtiger Aspekt. Nur wenn digitale Anwendungen und Technologien zielgruppenspezifisch entwickelt werden, akzeptiert sie auch die breite Bevölkerung. Telemedizin etwa kann räumliche und zeitliche Barrieren gut überwinden – insbesondere in Flächenregionen. Die Biosensorik ist hierfür sehr bedeutend. Integriert etwa in Smartwatches oder Smart Ringe, kann man damit wichtige Daten sammeln und mit mobilen Anwendungen verarbeiten. Die Geräte und Anwendungen müssen jedoch so gestaltet sein, dass sie die jeweiligen Bedürfnisse der Anwender – vom Kind bis zum Menschen im hohen Alter mit reduziertem Sehvermögen – berücksichtigen. Ebenfalls wichtig für eine breite Akzeptanz ist die aktive Förderung der digitalen Kompetenz und der Gesundheitskompetenz in der gesamten Bevölkerung.

Welche Herausforderungen müssen überwunden werden, um die Einführung von Digital Health-Lösungen zu erleichtern?

Es ist von zentraler Bedeutung, dass der Fokus nicht allein auf der Einführung und Entwicklung von System- und Technikinnovationen liegt oder diese als Haupttreiber für konkrete Projekte dienen. Der Schlüssel zum erfolgreichen Einsatz und zur langfristigen Umsetzung innovativer digitaler Versorgungsmodelle liegt vielmehr darin, dass die bedarfsorientierte Versorgung der Menschen, die in enger Zusammenarbeit mit allen Beteiligten erarbeitet wurde, im Mittelpunkt steht. Digitale Technologien fungieren hierbei grundsätzlich als „Enabler“. Ebenso bedeutend ist die Entwicklung neuer und vor allem nachhaltiger Finanzierungsmodelle sowie der wissenschaftlich fundierte Nachweis des Nutzens sämtlicher digitaler Gesundheitsanwendungen. Damit wird es uns gelingen, die digitale Gesundheitsversorgung auszubauen und das Selbstmanagement der eigenen Gesundheit der Bevölkerung sowie die Versorgung unserer Patientinnen und Patienten auch künftig auf internationalem Spitzenniveau zu gewährleisten.