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1. Sep 2021

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Business

Wie lassen sich mit der Digitalisierung Krisen meistern?

Achim Berg, Bitkom-Präsident; Foto: Bitkom

Die Corona-Pandemie hat gezeigt, dass sich Unternehmen digital gut aufstellen müssen, um krisenfest und nachhaltig erfolgreich zu sein. Die digitalen Herausforderungen des Mittelstands haben sich durch die Pandemie nicht verändert, sie wurden für wirklich alle sichtbar. Unternehmen, die schon vor der Pandemie einen hohen Reifegrad in puncto Digitalisierung aufwiesen, profitieren nun davon.

Digitale Transformation fängt bei den Standardprozessen wie der Organisation des Personalwesens oder des Einkaufs an, kann in vielen Fällen aber auch den Auf-bau ganz neuer digitaler Geschäftsmodelle bedeuten. Ein so tiefgreifender Change kann nur funktionieren, wenn das The-ma im Vorstand beziehungsweise in der Geschäftsführung aufgehängt ist und dort ernsthaft und mit großem Nachdruck be-trieben wird. In immer mehr Unternehmen wird hierfür die Position eines Chief Digital Officers geschaffen. Unternehmen brauchen zudem eine kohärente Digitalstrategie, die sich durch alle Geschäftsbereiche zieht und von einem möglichst interdisziplinären Digitalteam betreut wird. Um die Kräfte der digitalen Veränderung freizusetzen, müssen die Unternehmen bereit sein, interne Silos aufzubrechen, jahrzehntelang erfolgreiche Geschäftsmodelle in Frage zu stellen und neue Kooperationen einzugehen, zum Beispiel mit Start-ups. Digitalisierung funktioniert nie im Alleingang, Digitalisierung braucht starke Partner und funktionierende Ökosysteme. Man findet sie zum Beispiel in den German Digital Hubs – oder auch im Bitkom.

Dr. Oliver Grün, Präsident des Bundesverband IT-Mittelstand e.V. (BITMi); Foto: Presse

Die aktuelle Pandemie hat uns gezeigt, dass ein schnelles Umschalten der Kommunikation und Kollaboration ins Digitale entscheidend ist, um den Betrieb aufrecht zu erhalten. Der Austausch zwischen Mitarbeiter:innen und mit den Kunden hilft, die aktuelle Lage zu erfassen und das weitere Vorgehen abzustimmen. Wichtig ist, dass darauf ein weiterer Digitalisierungsschritt folgen muss, in dem das eigene Geschäftsmodell auf sein digitales Potenzial hin untersucht wird und somit eine nachhaltige digitale Transformation eingeleitet wird. 

Dies passiert aber am besten nicht erst im Angesicht der Krise, sondern in einem strukturierten Prozess. So hat die Corona- Pandemie gezeigt, dass Unternehmen, die in der Digitalisierung bereits weiter fortgeschritten waren, ihren Betrieb leichter aufrechterhalten konnten. Alle anderen versuchten währenddessen, die Versäumnis-se eines Jahrzehnts unter Zeitdruck und in Konkurrenz um Ressourcen der Anbieter aufzuholen, während es um das Überleben der eigenen Unternehmen ging.

Darüber hinaus hat die Krise auch gezeigt, dass wir als Unternehmer offen für digitale Technologien bleiben müssen. Wenn uns Bedenken daran hindern, Zukunftstrends mitzugehen, müssen wir diese aktiv angehen, Potenziale und Risiken abschätzen und einen Weg finden, neue Technologien verantwortlich in das eigene Unternehmen zu integrieren. Viele Unternehmer:innen haben diese Entscheidung in Bezug auf die Digitalisierung viel zu lange vertagt und wurden nun von einem Handlungszwang eingeholt. Diesen Überraschungseffekt müssen wir in Zukunft vermeiden. Für die Digitalisierung heißt das: Chancen jagen statt Bedenken tragen.


Marco Junk, Geschäftsführer des Bundesverbands Digitale Wirtschaft (BVDW) e. V.; Foto: Presse

Bei dem Stichwort „Krise“ müssen wir unterscheiden: Zum einen die unmittelbar durch Corona-bedingte Krise, die in erster Linie menschliche Begegnungen und damit persönliche Interaktionen stark reduziert hat, mit zum Teil erheblichen Auswirkungen auf die Arbeitsorganisation; zum anderen die durch Corona gleich einem Brennglas sichtbar gewordene digitale Krise, die schon vorher da war, aber nun offenkundig wird: Die meisten Arbeits- und Produktionsprozesse waren und sind nach wie vor analog. Das Potenzial liegt nicht in einem bloßen Wechsel von Telefon- zu Videokonferenzen, sondern in übergreifender digitaler Vernetzung, zum Beispiel durch die direkte Anbindung des Vertriebs an die Produktion, durch zeit- und ortsunabhängige Kollaborationsplattformen für Mitarbeitende oder datenunterstützte Marketingmaß-nahmen. 

Ein einfaches Beispiel: So muss niemand mehr selbst ein Mahnschreiben aufsetzen, dieser Vorgang kann per Knopfdruck durch ein:e externe:n Dienstleister:in formal und rechtssicher ausgelöst werden. Der Hauptgrund, diese und andere Tools nicht bereits seit langer Zeit zu nutzen, liegt nicht in deren Nichtverfügbarkeit, sondern es bestehen kulturelle Hemmnisse. Das Zeitfenster, um diese zu überwinden, ist genau jetzt und wird sich mit dem Abklingen der Corona-Pandemie wieder schließen. Daher gilt es jetzt, die Erkenntnisse aus der Pandemie umzusetzen und digitale Potenziale zu heben, um ganz unabhängig von der aktuellen Krise langfristige Wettbewerbsvorteile zu schaffen. Eine gezieltere Kundenansprache und effizientere Arbeitsabläufe sind unerlässlich, um sich langfristig erfolgreich am Markt behaupten zu können.

1. Sep 2021

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Business

Sanierungsmöglichkeiten für den Mittelstand

Reinhold von Eben-Worlée, Präsident DIE FAMILIENUNTERNEHMER e.V.; Foto: Anne Grossmann Fotografie

Mittelstandsbremse Vermögensteuer

Aktuell stehen die Familienunternehmen in Deutschland vor der großen Aufgabe, die Folgen der Corona-Pandemie zu bewältigen und gleichzeitig ihre Betriebe durch noch schnellere Energieeinsparungen und noch mehr Digitalisierung zu modernisieren. Daher nehme ich die Forderungen von Grünen, SPD und Linken nach einer Vermögen- oder höheren Erbschaftsteuer als große Bedrohung wahr. Das wäre wirtschafts-politisches Gift für die Krisenresilienz und Modernisierungsbemühungen deutscher Unternehmen. Denn große Teile des potenziell versteuerbaren Vermögens sind betrieblich gebunden, das heißt sie liegen in Produktionsanlagen oder Investitionsrücklagen. Wer jetzt ausgerechnet dieses Kapital besteuern will, nimmt den Betrieben die notwendigen Finanzmittel für Investitionen in Klimaschutz und Digitalisierung. Die Vermögensteuer würde zur Mittelstandsbremse. Gleichzeitig gilt seit April dieses Jahres wieder die Insolvenzantragspflicht. Viele Familienunter-nehmen, gerade aus dem Bereich der Gastronomie und im Tourismus, leiden aber noch unter den Folgen des Corona-Lockdowns. Sie haben bereits jetzt ihre Rücklagen aufgebraucht, um ihren Betrieb zu retten und verfügen nun über keine Puffer mehr, um auch noch die zusätzliche Belastung durch eine Vermögensteuer zu bewältigen. Sie würden also, nachdem sie die Krise gerade so überstanden haben, vom Fiskus in die Insolvenz getrieben.

Patrik-Ludwig Hantzsc, Leiter Wirtschaftsforschung, Creditreform; Foto: Presse

Mächtiger Instrumentenkasten für Sanierung

Die Corona-Krise hat wie ein Katalysator auf den ohnehin laufenden Strukturwandel gewirkt. Etablierte Geschäftsmodelle werden hinterfragt und durch den enormen Digitalisierungsschub er-öffnen sich Chancen für neue, aber auch ältere Unternehmen. In der Post-Coro-na-Zeit muss sich jeder Marktteilnehmer selbst auf den Prüfstand stellen. Doch die derzeitige Liquiditätsflut durch die Staatshilfen verringert den Veränderungsdruck für viele erst mal deutlich. Das wird sich nach der Bundestagswahl oder spätestens im kommenden Jahr ändern, wenn die Maßnahmen aus-laufen. Derzeit wirkt die Hilfspolitik noch mit der Kraft einer Bazooka und der Treffsicherheit einer Schrotflinte. Das Wegfallen der Subventionen, in Kombination mit einem investitionsintensiven Konjunkturaufschwung, wird einige Unternehmen an den Rand der Insolvenz bringen. Umso wichtiger ist es heute, sich mit den Möglichkeiten einer Sanierung, Restrukturierung und Risikoprävention auseinanderzusetzen. Eine Chance dazu bieten die seit dem 1. Januar geltenden Bestimmungen zum Stabilisierung und Restrukturierungsrahmen. Dieses Gesetz bietet einen mächtigen Instrumentenkasten für eine vorinsolvenzliche Sanierung, wie zum Beispiel die niedrigschwellige Sanierungsmoderation bei drohender Zahlungsunfähigkeit, die Gläubiger und Schuldner frühzeitig zusammen an einen Tisch bringt. Außerdem ist ein verpflichtendes Frühwarnsystem integriert, was Risiken weit im Voraus identifizieren kann. Diese oder andere Chancen zu nutzen, liegt heute mehr denn je in der Verantwortung eines guten Unternehmers.

Dr. Oliver Grün, Präsident des Bundesverband IT-Mittelstand e.V. (BITMi); Foto: Presse

Digitales Soll noch nicht erfüllt

In der aktuellen Krise wird viel über eine Digitalisierungswelle gesprochen. Vielfach klingt es so, als sei diese Welle bereits erfolgreich genommen: Die Unter-nehmen haben sich mit den Pandemiebedingungen arrangiert, können produzieren und kommunizieren. Doch der Eindruck trügt – noch kann bei den meisten kein Haken hinter Digitalisierung gesetzt werden. Viele mittelständische Unternehmen haben den Pflichtteil der Digitalisierung absolviert, um die Pandemie zu überstehen. Horcht man aber in den IT-Mittelstand rein, hört man oft, dass viele Kunden zukunftsorientierte Digitalprojekte erst einmal auf Eis gelegt haben. Verständlich, denn die eigene Liquidität zu sichern ist in einer solchen Krise erst einmal wichtiger.

Wer aber mit Schwung aus der Krise herauszukommen möchte, sollte die Digitalisierung eben nicht als abgehakt verstehen, denn das Soll ist noch nicht erfüllt. Stattdessen kann der Schwung der bisherigen Digitalisierung genutzt werden, um konsequent und nachhaltig zu digitalisieren – auch in Bereichen, die bislang noch ausgespart wurden. Die besondere Herausforderung ist dabei, eine echte digitale Transformation zu schaffen: Das bedeutet, eigene Geschäftsmodelle auf den Prüf-stand zu stellen, offen zu sein für neue Technologien im eigenen Unternehmen und die vor der Krise geplanten digitalen Zukunftsprojekte wieder aufzutauen. Eine zentrale Rolle können dabei Daten spielen. Jeder Unternehmer sollte sich fragen, welche Daten bei ihm entstehen und wie er sie nutzen kann, um neue und bessere Angebote für seine Kunden zu schaffen.